Orchestra | Von Klaus Härtel

Polizeiorchester Saarland wird eine Bigband

Big Band der Polizei des Saarlandes (Foto: saarland.de)

Im Sommer des vergangenen Jahres wurde das Polizeiorchester des Saarlandes aufgelöst. Übrig blieb immerhin eine 21-köpfige Bigband der Polizei. Leiter ist Martin S. Schmitt.

Die damalige Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer reagierte vor wenigen Jahren prompt, als der Rechnungshof der Politik riet, angesichts der Sparzwänge über eine Auflösung des Polizeiorchesters nachzudenken: „Jetzt, wo wir die Teilentschuldung in Berlin durchgekämpft haben und das rettende Ufer vor Augen haben, können Sie sicher sein, dass die Politik in diesem Land das Polizeimusikkorps nicht untergehen lassen wird – es wird erhalten bleiben.“

Das stimmt heute zumindest teilweise, denn immerhin ­wurde trotz des jahrelangen Sparkurses und des Stellenabbaus eine Bigband der Polizei am Leben gehalten. Als musikalischer Leiter konnte Martin S. Schmitt gewonnen werden.

Die Polizeimusik im Saarland kann auf eine lange Tradition zurückblicken. Bereits 1929 – das Saargebiet stand damals noch unter Verwaltung einer Regierungskommission des Völkerbundes – wurde eine Polizeikapelle in Saarbrücken aufgebaut. Nach der Neugründung nach dem Zweiten Weltkrieg (1949) entwickelte sich in den 1950er Jahren neben dem Blasorchester auch ein Streichorchester. Zusätzlich wurde in kleineren Ensembles musiziert und eine Bigband gegründet. Seit den 1980er Jahren lag der Schwerpunkt auf dem Blasorchester.

Neujahrsempfang des Ministerpräsidenten

Im Zuge einer Umstrukturierung in der Polizeiorganisation stand 2019 die Neuausrichtung der Polizeimusik des Saarlandes an. „Durch die Konzentration auf die Bigband-Besetzung sehe ich eine Chance, auch in Zukunft gut aufgestellt zu sein“, meint Martin S. Schmitt. „Als einzige professionelle Bigband in der Großregion hat der neue Klangkörper ein Alleinstellungsmerkmal. Durch die Konzentration auf Bigband-Musik kann eine Professionalisierung in diesem Bereich erreicht werden.“ Wir sprachen mit Martin S. Schmitt über die Zukunft der Polizeimusik im Saarland und die Unter­schiede zum Blasorchester.

Mit welchem Personal wurde die Umstrukturierung bewerkstelligt? Wurden da Musiker ausgetauscht oder „umgeschult“?

Die 30-köpfige Blasorchesterbesetzung wurde in eine Bigband mit fünf Trompeten, vier Posaunen, fünf Saxofonen, Gitarre, Klavier, Bass, Schlagzeug, Perkussion und Gesang umgewandelt. Einige Musiker haben das Instrument gewechselt. So sind etwa Klarinettisten zum Saxofon gewechselt. Musiker, die kein Instrument spielen, das in der Bigband verwendet wird, haben innerhalb der Polizei neue Aufgabenfelder gefunden. Ich bin sehr froh darüber, dass die Umstrukturierung ohne Personalabbau durchgeführt werden konnte.

Auf die Musiker kommen nun natürlich neue Aufgaben zu. Ein Teil der Musiker ist durch ein Jazz-Studium oder entsprechenden Instrumentalunterricht bereits gut vorbereitet. Drei meiner Mitarbeiter haben als ehemalige Mitglieder des JugendJazzOrchesters Saar bereits eine Aus­bildung im Bereich Bigband durchlaufen. Seit 2012 kümmere ich mich ebenfalls als künstlerischer Leiter dieses Ensembles im Auftrag des Landesmusikrates Saar um den Jazz-Nachwuchs im Saarland. Ich kann sozusagen teil­weise auf von mir ausgebildete Musiker zurückgreifen, die mit meiner Arbeitsweise und meinem Qualitätsanspruch vertraut sind.

Wichtig ist mir und auch dem Dienststellenleiter Peter Niklos, dass wir alle Mitarbeiter auf dem neuen Weg mitnehmen. Wir bieten daher eigene Weiterbildungsangebote an. Das können Workshops zu speziellen Themen sein, die ich behandle. Gezielt laden wir auch Profis als externe Dozenten ein. Ich bin bei meinem Dienstbeginn auf eine sehr hohe Motivation und Leistungs­bereitschaft gestoßen. Ich bin zuversichtlich, dass unter meiner Leitung noch eine vielversprechende Weiterentwicklung stattfinden wird.

Bigband ist – auch und vor allem klanglich – etwas anderes als ein Blasorchester. War es schwer, dies umzusetzen?

Ich sehe das Ensemble musikalisch noch mitten in der Umbau- oder Aufbauphase. Als ich die künstlerische Leitung übernommen habe, war der personelle Umbau formal bereits abgeschlossen. Ich konnte mich direkt ganz um das Musikalische kümmern. Trotzdem gab es meh­rere Aspekte zu beachten: Zunächst mussten wir das Instrumentarium auf „Bigband umstellen“.

Wir haben ein Schlagzeug angeschafft, das dem Bigband-Klang besser entspricht. Auch bei den Blasinstrumenten haben wir Instrumente ausgetauscht. Instrumente, die zwar für den weichen, vollen Klang der sinfonischen Blas­musik gut geeignet sind, wurden durch gleiche Instrumente anderer Bauart ersetzt, die vom Klang besser zur Jazzstilistik passen. Da wir die Dienstinstrumente veräußern konnten, die in der Bigband keine Verwendung mehr finden (Tuba, Waldhorn, Klarinetten), konnte dieser „materielle Umbau“ weitgehend kostenneutral abgewickelt werden.

Eine weitere Aufgabe war die Sichtung des Notenbestandes und die Aktualisierung des Repertoires. Hier ist schon viel geschehen, aber auch in diesem Bereich sind wir noch nicht am Ziel.

Durch den Umbau zur Bigband werden gerade an die Musiker der Rhythmusgruppe besondere Anforderungen gestellt. Bigband-Musik ist nicht immer vollständig notiert. Die freie Ausgestaltung der Stimmen und das stilechte Ausführen der Grooves erfordern Erfahrung und Übung.

Das Improvisieren, die Fähigkeit nach Akkordsymbolen Melodien zu erfinden, wird zumindest teilweise verlangt. Hier greift unsere interne Weiterbildung in Form von Satzproben und Workshops unter meiner Leitung oder unter Einbindung externer Dozenten. Die Leitung der Dienststelle unterstützt zudem auch private Initiativen der Musiker, sei es Privatunterricht oder den Besuch von Workshops.

Auch in Zukunft wird die Steigerung der musi­kalischen Qualität durch Weiterbildungsmaßnahmen ein elementarer Baustein meiner Arbeit sein. So spielt das Ensemble auf meine Initiative hin einmal im Monat beim Social Dance von ­Lindy Hop Saarbrücken.

Wie kann man die Ursprünge der Bigband-Musik besser kennenlernen und authentischer erfahren als vor einer Tanzfläche voll mit begeisterten Tänzerinnen und Tänzern, so wie es zur Entstehungszeit dieser Musik üblich war?

Wie wurde das kommuniziert – intern (Polizei) wie extern (Bevölkerung)?

Mit etwas Stolz kann ich sagen, dass der Umbau sozusagen „im laufenden Betrieb“ durchgeführt werden konnte. Wir versuchen, innerhalb der Bigband-Stilistik breit aufgestellt zu sein. Somit können wir einen Großteil der Anfragen abdecken, die vorher das Blasorchester bewältigt hat.

Der zu erwartende Einbruch an Engagements in der Umstellungsphase blieb jedenfalls aus. Weiterhin bieten wir auch kleinere Ensembles an, um flexibel alle Aufgaben meistern zu können.

Neben einem Blechbläserensemble und einem Saxofonquartett wurde die „Blue Light Brass Band“ neu gegründet. Die Formation, bestehend aus Trompete, Posaune, zwei Saxofonen, Marching Drum und Bass Drum, ist als Walking Act mobil einsetzbar.

Stand mein bisheriges Wirken unter dem Aspekt des Umbaus und der Konsolidierung der neuen Strukturen und Arbeitsweise, so möchte ich im nächsten Jahr mit einem neuen, eigenen Profil in verschiedenen Konzerten mehr an die Öffentlichkeit gehen.

Wie haben Sie diese musikalische Neuausrichtung begleitet?

Ich bin sehr froh darüber, dass ich freie Hand bei der musikalischen Neuausrichtung habe. So kann ich meine Vorstellung der musikalischen Konzeption und Qualität optimal umsetzen.

Mir ist wichtig, dass wir vielseitig sind, stilistisch ein großes Spektrum abdecken. Trotzdem ­möchte ich auch ein besonderes Profil ent­wickeln, was uns von vergleichbaren Bands abhebt. In den letzten Jahren habe ich mich ausführlich mit der Verbindung von Klassik und Jazz beschäftigt.

So entstanden Bigband-Arrangements von Bach-Werken und ein Programm mit Bearbeitungen von Luther-Chorälen und Paul-Gerhardt-Liedern. Das könnte eine Facette sein, die uns von anderen unterscheidet.

Über allem steht für mich die Qualität. Die Qualität der ausgewählten Stücke, der Arrangements und natürlich der Darbietung. Nicht zuletzt bereitet es mir viel Freude, eigene maßgeschneiderte Bearbeitungen für das Ensemble zu schreiben. Wichtig ist mir auch, offen zu sein für Kooperationen mit anderen Kulturschaffenden in der Region.

Wie sind Sie zum Bigband-Experten geworden? Was fasziniert Sie an dieser Stilistik?

Meine Wurzeln liegen gleichermaßen im Blas­orchester und in der Bigband-Musik. Ich verfüge über eine fundierte Ausbildung in beiden Bereichen – Master Blasorchesterleitung und Diplom in Arrangement/Komposition und Jazz-Saxofon, Studien an den Musikhochschulen in Mainz, Stuttgart, Mannheim. Begonnen habe ich als Klarinettist im örtlichen Musikverein.

Schon früh erwachte mein Interesse am Jazz und speziell an der Bigband. Während meines Jazz-Studiums hat mich nicht nur das Improvisieren und das Beherrschen der Instrumentaltechnik interessiert. Ich wollte vielmehr wissen, wie Musik „funktioniert“. So kam ich zum Arrangieren und zum Komponieren. Als Instrumentallehrer habe ich mich intensiv mit Pädagogik auseinandergesetzt und durch das Dirigierstudium mit der Organisation, Funktionsweise und Psychologie größerer Ensembles.

Während meiner Zeit als Dozent für Musiktheorie und Gehörbildung an der Musik- und Singschule Heidelberg konnte ich mich ausgiebig mit klassischen Kompositionstechniken und theoretischen Fragen beschäftigen. Das alles sind Kompetenzen, die mir in meiner jetzigen Position zugute kommen.

Viel Erfahrung konnte ich bei der Mannheimer Bigband „Kicks’ n Sticks“ sammeln. Seit 2011 leite ich zusammen mit Jochen Welsch und Frank Runhof dieses professionelle Jazzorchester. Bei der Konzertreihe Sundaykick in der Alten Feuerwache Mannheim hatte ich in den letzten Jahren die Möglichkeit, mit vielen Größen der Bigband-Szene zusammenzuarbeiten.

So entstanden wichtige Kontakte. Seit 2012 bin ich auch künstlerischer Leiter des JugendJazzOrches­ters Saar. Durch dieses Auswahlensemble in Trägerschaft des Landesmusikrates Saar leiste ich meinen Beitrag zur Ausbildung des saarländischen Jazz-Nachwuchses. So entstehen Syner­gie­effekte und ich bin dicht an den jungen Musikern dran, die sich für Bigband interessieren.

Bigband ist absolutes Teamwork. Im Gegensatz zum Blasorchester ist jede Stimme nicht chorisch, sondern einzeln besetzt. Jeder ist in seiner Funktion wichtig und gefordert, kann seine Musikerpersönlichkeit aber auch besser einbringen; sei es als improvisierender Solist oder als Teamplayer in der Satzarbeit.

Dieses präzise Zusammenwirken und die Klangmöglichkeiten eines so großen Ensembles faszinieren mich. Nicht zuletzt kann ich dem Klangkörper durch meine Bearbeitungen eine eigene Handschrift verleihen. Das ist für mich als Komponist und Arrangeur ein interessanter Aspekt.

Welche Aufgaben hat die Bigband der Polizei?

Die Bigband ist ein wichtiger Baustein der Öffentlichkeitsarbeit der saarländischen Polizei. Das Ensemble sieht sich als Mittler zwischen Polizei und Bevölkerung.

Wir nehmen repräsentative Aufgaben wahr. Dazu zählen die Umrahmungen von offiziellen Anlässen, Vereidigungen, Ehrungen, Festveranstaltungen und Gottesdiensten. Daneben bestreitet das Jazzorchester Unterhaltungs- und Benefizkonzerte. Ein weiteres Standbein sind Engagements bei Tanzveranstaltungen und Tanzturnieren. Wir sind eine der wenigen Bigbands, die noch authentische Tanzmusik im Bigband-Sound anbieten.

Unserem Auftrag zur Vermittlung zwischen Polizei und Bevölkerung kommen wir auch mit un­serem neuen Konzept der Schulprävention nach. Mit meinem Dienstantritt habe ich ein Konzertprogramm für Schüler der 5. und 6. Klasse ­entwickelt.

Unter dem Motto „Ab in den Dschungel“ erhalten die Kinder Informationen zur Bigband und zu musikalischen Themen; alters­gerecht aufgearbeitet und kurzweilig verpackt. Bei diesen Konzerten in den allgemein­bildenden Schulen bauen wir Berührungsängste bei Kindern und Jugendlichen ab. Das Angebot wird begeistert aufgenommen und wir konnten bis Ende des Jahres bereits zwölf Schulbesuche absolvieren.

Ich kann mir in Zukunft noch mehr Initiativen und Kooperationen in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen vorstellen.

Welche weiteren Ziele haben Sie sich persönlich für die nächsten Jahre gesetzt?

Im Mittelpunkt stehen für mich zunächst die Konsolidierung der Qualität und die Modernisierung des Repertoires. Daneben möchte ich im nächsten Jahr unser künstlerisches Profil schärfen. In Planung ist eine eigene Konzertreihe mit unterschiedlichen Konzertformaten. Wir werden dazu auch Gäste einladen, um die Attraktivität für das Publikum zu steigern und Impulse für die musikalische Weiterentwicklung der Band zu setzen.

Langfristig ist die Entwicklung eines eigenen Sounds und künstlerischen Profils mein Ziel. Zur Orientierung dienen mir in Bezug auf Spielniveau und Qualitätsanspruch die deutschen Rundfunk-Bigbands. Leider sind wir im Saarland noch nicht so bekannt, wie ich es mir wünsche.

Das Ende dieses „Dornröschenschlafes“ ist angesagt: Ich möchte mit der Bigband der Polizei des Saarlandes eine feste Größe im Kulturangebot der Großregion werden. Nicht zuletzt möchte ich als gebürtiger Saarländer zusammen mit meinen Musikern ein guter musikalischer Botschafter unseres Bundeslandes sein.

https://www.saarland.de/polizeiorchester.htm

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