Gemeinsam mit Andreas C. Lehmann aus Würzburg hat der Hannoveraner Psychologieprofessor Reinhard Kopiez das »Handbuch Musikpsychologie« herausgegeben. Lesen muss man das natürlich noch selbst – wir haben mit ihm über das Thema gesprochen.
Vor etwa 20 Jahren hat der Musikpädagoge Hans Günther Bastian eine Studie veröffentlicht, deren Ergebnis – verkürzt dargestellt – lautete: Musik macht schlau! Kann man das auch heute noch so stehen lassen?
Wir sind heute bei solchen »steilen Thesen« sehr viel vorsichtiger. Man könnte ebenso formulieren: Die Schlauen machen Musik. Das träfe vermutlich den Kern schon eher, wenn wir darauf hinweisen wollen, dass die soziodemografischen Hintergrundvariablen mindestens genauso wichtig sind.
Beim eigentlichen instrumentalen Erfolg sind nicht nur eindeutige Wirkungsrichtungen wie »Musikunterricht verursacht dies oder jenes« wichtig. Die Forschung ist sehr viel zurückhaltender geworden, was vereinfachende Wirkungsbeziehungen angeht. Auch in Bezug auf die Größenordnung dieser Wirkungsbeziehungen sind wir vorsichtiger geworden.
Wir haben mittlerweile nämlich die angenehme Situation, dass wir aufgrund von vielen sogenannten Primärstudien – also solche von Bastian und ähnliche – sogenannte Metaanalysen durchführen können. Diese Metaanalysen geben uns eine Orientierung über die wirkliche Größenordnung, in der wir in standardisierten Einheiten von Effektgrößen reden können, die in der Psychologie normiert sind.
Die Effekte von Musikmachen bewegen sich in einem Bereich der sogenannten schwachen Effektgrößen. In der Euphorie der 1990er Jahre dachte man, dass Musikunterricht und das Erlernen eines Instruments ein Allheilmittel sei, um beispielsweise benachteiligte Kinder zu fördern, oder bei Kindern, denen es sowieso gut geht, noch eine Art Turbo zu zünden. Das scheint sich eher nicht bestätigt zu haben. Es ist eine Möglichkeit von vielen, und diese Veränderungen im kognitiven Bereich bewegen sich eher in kleinen Größenordnungen.
Das heißt, man ist auf dem Boden der Tatsachen gelandet?
In gewisser Weise schon. Aber es ist ja auch immer die Frage: Gegen wen vergleicht man das eigentlich? Musik gegen »gar nichts«? Oder – was die saubere Variante wäre – Musiktätigkeiten gegen andere Tätigkeiten? Zum Beispiel gegen Schach, die Theater-AG, bildende Kunst, zusätzlichen Sprachunterricht – was man sich auch immer an sinnvollen Dingen vorstellen kann.
Dann nämlich verschwinden häufig die Unterschiede doch ziemlich schnell. Musik ist eben nur eine von vielen Möglichkeiten – wenn auch vielleicht eine, die uns besonders am Herzen liegt.
Aber demnach ist Musik eine sinnvolle Tätigkeit, die bestimmte Fähigkeiten fördert?