Den emphatischen Ausruf aus dem Munde eines SED-Festredners durfte ich einst, verehrte Leser, mit Vergnügen anlässlich einer im Osten Deutschlands leider noch heute recht beliebten sogenannten Jugendweihe zur Kenntnis nehmen, als wir mit einem von mir geleiteten Jugendblasorchester diese Veranstaltung musikalisch zu umrahmen hatten. Ebenso amüsiert waren die jungen Musiker, die alle mit Verve ihr Instrument traktierten und im Orchester spielten, da sie mehrheitlich wussten, dass sie als Kinder christlicher Eltern kaum eine Chance bekämen, ein Gymnasium zu besuchen oder außerhalb der Musik eine gediegene Ausbildung zu erfahren. Darüber hinaus gehörte die Musik bei diesen jungen Menschen seit frühester Kindheit zu den täglichen Lebenserfahrungen.
In Mannheim dann erlebte ich in den 80er Jahren noch, dass die Preisträger von »Jugend musiziert« möglichst nicht öffentlich auftreten sollten, um die »zarten Seelchen« der musikalisch Unterlegenen nicht noch zusätzlich zu verletzen. In diesem Spannungsfeld von Zwang und Zärtelung bewegen wir uns als Lehrer und Orchesterleiter ein Berufsleben lang, und die permanente Motivation unserer Schüler bzw. Musiker hält uns in Atem, fördert aber gleichzeitig auch unsere eigene schöpferische pädagogische Fantasie.
Motivation – Modewort der Hilflosigkeit?
Wenn wir über die »Motivation« unseres musikalischen Nachwuchses nachdenken, sollten wir erst einmal eine exakte Begriffsbestimmung vornehmen: Ein Motiv ist ein Antrieb, Leitgedanke oder Beweggrund. Motivation bedeutet in diesem Sinne die Summe der Beweggründe für menschliches Handeln. Diese Definition zeigt, dass es einer Vielzahl von Anreizen bedarf, um unsere Musiker lernend und nach Vervollkommnung strebend dazu zu bewegen, künstlerisch nach den Sternen zu greifen.
In der Lernpsychologie unterscheiden wir zwischen primärer und sekundärer Motivation. Primär motiviert ist ein Lernender dann, wenn er aktiv wird um der Aktivität willen, wenn also ein junger Instrumentalist an seine musikalischen Aufgaben herangeht um der Lösung dieser Aufgaben willen, weil diese sein Interesse wecken und ihm Spaß machen. Als sekundäre Motivation ist der Zustand zu bezeichnen, in der ein Lernender aktiv wird, um durch diese Aktivität etwas zu erreichen, zum Beispiel eine gute Zensur, gesellschaftliche Anerkennung oder auch materiellen Gewinn (siehe auch Werner Correll, »Lernpsychologie«). Dass beide Antriebskräfte stets miteinander verzahnt sind bzw. durch den Lehrer und Dirigenten miteinander verzahnt werden müssen, bedarf in dieser Arbeit nur der Erwähnung.
Das PDF enthält alle fünf Artikel des Schwerpunktthemas "Motivation – Leidenschaft weitergeben":
- Ab jetzt müsst ihr freiwillig lernen – Musikalische Motivation und ihre Tücken (von Stefan Fritzen)
- Die Leidenschaft weitergeben! Wie halten es Dirigenten/Pädagogien mit Motivation? (von Cornelia Härtl)
- Um des Spielens Willen! Michael Stecher im Gespräch (von Klaus Härtel)
- "Mami, darf ich heute mal Pause machen?" Kinder zum Üben motivieren (von Stefan Dünser)
- Mitspielen motiviert – Thomas Clamor und "El Sistema" (von Klaus Härtel)