Für junge Musiker wird es ständig schwerer, einen »richtigen« Label-Deal zu bekommen, denn die Plattenfirmen müssen härter rechnen als früher. Doch der große Traum vom ersten Plattenvertrag – er wird immer noch heftig geträumt.
Einer der ersten Trompeter, die das Angebot erhielten, eine Schallplatte aufzunehmen, hieß Freddie Keppard (1890 bis 1933). Er war einer der legendären »Trumpet Kings« im frühen Jazz von New Orleans, ein »Thronerbe« Buddy Boldens, ein Vorgänger Joe Olivers und Louis Armstrongs. Doch das Angebot der Plattenfirma hat Freddie Keppard damals abgelehnt. Er fürchtete, dass sein Spiel von anderen Kornettisten kopiert würde, wenn es auf einer Schallplatte nachgehört werden kann. Er fürchtete, die technische Reproduktion seiner Musik auf dem Grammofon würde ihm schaden. Das ist noch keine 100 Jahre her. Die Musiker haben schnell gelernt, dass Schallplatten keine Karrierekiller sind, sondern Karrierebeschleuniger. Oft genug waren sie bereit, für ein Taschengeld ins Studio zu gehen, nur damit ihr Name auf einem Plattenetikett stand und sie dadurch bekannter wurden. Eine Zeit lang war es vor allem die Jukebox,
der münzbetriebene Plattenspieler in Tanzbars, Restaurants und öffentlichen Räumen, der einen Musiker berühmt machen konnte. In der Swing-Ära zum Beispiel wurden in den USA noch die Hälfte der gepressten Schallplatten nicht an Privatkunden verkauft, sondern an Jukebox-Betreiber. Dank Jukebox, Radio und Record Stores konnte die Schallplatte das Publikum eines Musikers ins Zigfache steigern. Die erste eigene Schallplatte, der erste Plattenvertrag erreichten daher für Musiker denselben Nimbus wie für einen jungen Autor das erste gedruckte Buch. Wer eine Platte vorweisen konnte, wurde damit vielleicht nicht reich, aber er wurde ernst genommen. Für erfolgreiche Musikkünstler funktionierte die Karriere jahrzehntelang nach dem Prinzip dieser Wechselwirkung: ein neues Album promotet die nächste Tournee – und die Tournee promotet das neue Album.
Das PDF enthält alle sechs Artikel des Schwerpunktthemas "Arm, ärmer, Komponist":
- Arm, ärmer, Komponist – Musikalisches Schaffen zwischen Kunst und Krempel (von Stefan Fritzen)
- Ein Traumberuf? Eine kleine Umfrage unter Komponisten (von Klaus Härtel)
- "Geistiges Eigentum wird nicht mehr respektiert" – Enjott Schneider im Interview (von Klaus Härtel)
- Lieber vorher Fragen – Anwalt Dr. Johannes Ulbricht im Gespräch
- Der Traum vom Plattenvertrag – Müssen Musiker den Labels helfen? (von Hans-Jürgen Schaal)
- Komplexer Beruf – oder: Die wenigsten Komponisten fahren Ferrari (von Wolfgang Vetter)