»Das war kein bloßes Lampenfieber, Dr. Rose«, erzählt der Violinist Gideon Davies seiner Psychologin. »Das war kein kurzzeitiger Blackout bei einem Musikstück, das ich seit mehreren Wochen übe. Das war ein totaler, völliger und beschämender Verlust sämtlicher Fähigkeiten.« In Wigmore Hall, vor Publikum, brach der Violinist förmlich zusammen. Elizabeth George stellt einen von Auftrittsangst geplagten Musiker in den Mittelpunkt der Handlung von »Nie sollst du vergessen«.
Die geschilderte Episode ist Fiktion, doch im echten Leben ist das beileibe kein Einzelfall. Selbst Künstler mit herausragendem Renommee sind nicht gefeit vor Lampenfieber oder gar Auftritts-angst. Die Sopranistin Maria Callas etwa soll sich vor jedem Auftritt übergeben haben. Sie war vor jedem Auftritt dermaßen nervös, dass sie meinte, nicht singen zu können, ihre Stimme sei völlig weg. Auch der Pianist Vladimir Horowitz litt unter ständigem Lampenfieber. So weiß ein Ohrenzeuge über ein Konzert in Berlin zu berichten, dass er enttäuscht war: »Diese Fehlgriffe, diese Patzer. Die drei Scarlatti-Sonaten gelangen noch sehr gut, aber dann diese Kreisleriana, diese Valse-Caprice aus den Soirées de Vienne… diese spieltechnischen Unsicherheiten. Möglicherweise war Horowitz leicht indisponiert, vielleicht hatte er einfach nur Lampenfieber…«
Das PDF enthält alle sechs Artikel des Schwerpunktthemas "Die Angst":
- Die Angst – Wenn Lampenfieber zur Auftrittsangst wird (von Klaus Härtel)
- "Von Doping kann keine Rede sein" / "Patienten müssen sich den Ängsten stellen" (Interviews mit Prof. Dr. Eckart Altenmüller und Dr. Déirdre Mahkorn)
- Lampenfieber – Krankheit oder leistungsförderndes Stimulans? (von Stefan Fritzen)
- Unter doppelter Beobachtung – Dirigenten und Lampenfieber (Interview mit Julia Schlag)
- Das Selbstwertgefühl stärken – Karin Hammar über Bühnenangst
- Weg mit der Angst – Ein Überblick über Wege zur Stressbewältigung (von Klaus Härtel)