Vom 30. April bis zum 3. Mai findet in Freiburg/Breisgau die European Brass Band Championship statt. Auch noch in diesem Jahr werden Mitte Juni in Grimma bei Leipzig die German Open durchgeführt. Beide Wettbewerbe weisen auf die gewachsene Akzeptanz der Blechbläserorchester in der Blasmusikszene Deutschlands hin. Deshalb scheint es durchaus an der Zeit, einige Betrachtungen über die historische Entwicklung der Brassbands und deren generelle Situation in Deutschland anzustellen.
Industrielle Revolution und Arbeiterbands
Die Wurzeln der Brassband liegen in England. Erste Bands finden bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts Erwähnung. Vergleichbar mit den in Deutschland üblichen Harmonieorchestern hatten Brassbands dort zunächst als Betriebsorchester oder als Ensembles für die »kulturelle Selbstversorgung« in kleinstädtischen Regionen die Aufgabe, gesellschaftliche Höhepunkte festlich musikalisch zu umrahmen. Das Repertoire der Bands wurde in Bearbeitungen den populären Werken der europäischen Hochkultur entnommen. In der Entstehungszeit englischer Bands gehörten noch hohe Holzblasinstrumente zur Standardbesetzung. Mit der Erfindung der Ventile Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die Holzblasinstrumente zugunsten der Blechblasinstrumente verdrängt. Für die industriellen Zentren gewannen die Bands schnell an Bedeutung. Sie banden die schwer arbeitenden Menschen an die Betriebe und boten neben katastrophal ungesunden Arbeitsbedingungen einen kulturellen Ausgleich. Darüber hinaus glaubte man, dass durch das Blasen eines Instruments den häufigen und durch die Arbeit verursachten Lungenkrankheiten vorgebeugt werden könnte.
Blasen für Gott – Die Heilsarmee
Neben den Betriebsorchestern wurden als zweite Entwicklungslinie die Brassbands der Heilsarmee gegründet. Erschüttert vom Elend der Industriearbeiter in England, gründete der methodistische Pfarrer William Booth 1865 mit karitativ tätigen freiwilligen Helfern die Heilsarmee. Damit sollte den Ärmsten der Armen in den englischen, später auch europäischen Slums menschenwürdige Bedingungen geschaffen werden.
Die Heilsarmee war, obwohl eine freikirchliche Einrichtung, streng militärisch gegliedert. Die Mitglieder trugen Uniformen und besaßen Ränge vom Offizier bis zum Soldaten. Diese Strukturen dienten vor allem auch dem Schutz der Mitglieder der Heilsarmee, deren weibliche Angehörige durch ihre Uniformen eine gewisse Unantastbarkeit in den verrufenen Vierteln der englischen Städte genossen. Ab 1880 mussten alle Offiziere und Soldaten der Heilsarmee ein Blasinstrument erlernen. Bereits Mitte der 1880er Jahre existierten in England etwa 400 Bands der Heilsarmee.
Darüber hinaus gründeten sich Ende des 19. Jahrhunderts in England auch Brassbands in freier Trägerschaft, sodass um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert etwa 15 000 bis 20 000 Bands regelmäßig musizierten.
Der weltweite Siegeszug der Heilsarmee führte auch zur Verbreitung der Brassbands in der Schweiz, in Skandinavien und vor allem in den USA.
Das PDF enthält alle sechs Artikel des Schwerpunktthemas "Die Brassband – Alles Blech oder was?":
- Freiburg ruft! Endlich wieder in Deutschland: Die EBBC (von Klaus Härtel)
- Die Brassband – Ungeliebte musikalische Droge? (von Stefan Fritzen)
- Theinerts Thema: Chancen und Risiken durch Brassbands (von Martin Hommer)
- "Die Brassband ist wie eine Orgel" – Philip Sparke über die Unterschiede von Brassband und Blasorchester (von Cornelia Härtl)
- Instrumentation für Brassband – Kein Mangel an Brillanz und Klangfarben (von Daniel Willi)
- Wo der Jazz herkommt – New Orleans, die Stadt der Brassbands (von Hans-Jürgen Schaal)