Die Programmauswahl – nicht immer einfach für Dirigenten, Musiker, Veranstalter. Muss das ausdiskutiert werden? Läuft das demokratisch ab? Wie »schwer« und wie »leicht« darf die Musik dann sein? Welche Kriterien legt man an? Fragen über Fragen – und Antworten von Markus Theinert.
Herr Theinert, ist die Entscheidung, welches Programm gespielt wird, eigentlich eine demokratische? Entscheidet der Dirigent? Oder richtet sich das Programm gar nach dem zu erwartenden Publikum?
Da gibt es sicherlich ganz unterschiedliche Qualitäten der Zusammenarbeit zwischen Dirigent und Orchester. Auch in Berufsorchestern wird von den Musikern bisweilen eine Beteiligung bei der Programmgestaltung gewünscht und aus diesem Grund ist das Orchester in dem entsprechenden Gremium auch oft vertreten. Auch viele Laienorchester haben eine solche Programmkommission. Da findet die Repertoireauswahl dann tatsächlich demokratisch statt. Die Stücke für das nächste Konzert oder die nächste Spielzeit werden nicht vom Dirigenten allein, sondern in einer gemeinschaftlichen Entscheidungsfindung selektiert.
Allerdings gibt es auch Fälle, in denen sich die Orchester überhaupt nicht mit der Auswahl der Werke beschäftigen und dann sozusagen mit dem leben müssen, was sie vorgesetzt bekommen. Beides hat Vor- und Nachteile. Für den Dirigenten scheint es zunächst leichter zu sein, wenn er die Entscheidung allein übernimmt und nicht lange diskutieren muss. Es zeigt sich dann oft erst in der Praxis, dass das Orchester bei der Einstudierung vielleicht nicht ganz so bereitwillig mitmacht.
Umgekehrt könnte eine vollkommen demokratische Entscheidung die künstlerische Leitung daran hindern, das Programm so zusammenstellen zu können, dass es auch musikalisch, stilistisch und tonartlich zusammenpasst. Ich glaube persönlich, dass man miteinander reden und das Orchester in jedem Fall auf irgendeine Art und Weise mit in die Programmgestaltung einbinden sollte.
Diskussionen bergen immer die Gefahr, dass es – auch zeitlich – ausufert. Muss da jemand moderieren?
Sicher! Es fängt schon mit den Quellen für die Entscheidungsfindung an. Viele Stücke, die zur Auswahl stehen, sind dem Gremium gar nicht bekannt. Deshalb ist man auf Tonkonserven angewiesen. Nicht alle Orchestermusiker sind so geschult, dass sie eine qualifizierte Entscheidung lediglich nach dem Studium der Partitur treffen könnten. Es läuft oft darauf hinaus, dass sich die Kommission nur über solche Werke unterhält, die bereits bekannt sind.
Neue Werke werden dann dementsprechend auch nicht berücksichtigt. Darin liegt aber das Problem für zeitgenössische Kompositionen oder Erstaufführungen. Ich muss in der Lage sein, dem Orchester auch ein Stück zu vermitteln, das noch nie gespielt oder aufgezeichnet wurde. Besonders wenn eine vorhergegangene Tonaufnahme nur mittelmäßig gelungen ist, kann sie kein Maßstab für eine Entscheidungsfindung in Bezug auf die Auswahl für das nächste Konzertprogramm sein.
Wenn man der rein demokratischen Diskussion folgt, werden sich immer wieder solche Stücke durchsetzen, die das Gremium von der Tonaufzeichnung her beeindrucken. Musikalischer Gehalt und schlüssige Strukturen spielen dann nur sekundäre Rollen. Auf der anderen Seite besteht aber durchaus die Chance, dass Vorschläge von Werken auf den Tisch kommen, welche die anderen nicht kennen. Da kann auch der Dirigent etwas lernen, wenn ein Musiker ein ihm unbekanntes Stück vorschlägt. Die Befruchtung ist hier gegenseitig.