Wer im Internet stöbert, stößt immer wieder auf die Wort-Kombination »aggressive Bläser«. Gemeint sind Kraft- und Höhentrompeter wie Maynard Ferguson – oder auch »fiese« oder »messerscharfe« Bläsersätze der Marke »Latin Jazz« und »Gypsy Brass«. Bei Bläsern hat Aggressivität Tradition.
In früheren Zeiten fand Öffentlichkeit in der Regel unter freiem Himmel und unter vielen Menschen statt. Da ist große Lautstärke notwendig – und die lieferten die Blasinstrumente. Ob auf dem Marktplatz, in der Arena, vor dem Senat, im Freilufttheater: Bläser gaben die Signale und sorgten für Ordnung. Das Militär hat sich die Kraft der Blasinstrumente schnell zunutze gemacht – vor, in und nach der Schlacht. Frühe Trompeten wie die griechische Salpinx, der etruskische Lituus oder die keltische Carnyx dienten vor allem dazu, den Kampfesmut der Eigenen in eine blinde Wut zu steigern und zugleich die Feinde in Angst und Schrecken zu versetzen. Auch Jagdtrompete und Jagdhorn trieben Jäger und Meute immer schon zum blutigen Mord. Jahrtausendelang waren Bläser dazu da, durch Lärm die Aggression zu steigern: Sie bliesen zum Angriff und waren selbst schon ein Teil der Attacke. Die Posaunen von Jericho etwa – eigentlich friedliche Schofar-Hörner – brachten Stadtmauern zum Einsturz. Auch eine moderne Trompete kann es, was die Lautstärke angeht, mit einer Kreissäge aufnehmen, eine Vuvuzela sogar mit einem startenden Düsenflugzeug.
Das PDF enthält alle sechs Artikel des Schwerpunktthemas "Alles Kopfsache?":
- Mentales Training für Musiker (von Klaus Härtel)
- Jagen, streiten, kämpfen – Die Bläser und die Aggression (von Hans-Jürgen Schaal)
- Spiegelneuronenjunkies – Wie Kinder Musik hören (von Stefan Dünser)
- Wie uns Musik ergreift – die Psyche des Hörers (von Hans-Jürgen Schaal)
- Musik macht nicht intelligent – kann aber wie Schokolade wirken
- Kopf oder Bauch? – Joachim Kunze über Musizieren und Denken