Brass, Orchestra, Schwerpunktthema, Wood | Von Klaus Härtel

Schwerpunktthema: Musikalischer Kontrast (Theinerts Thema)

»Am wichtigsten ist immer noch die Ausführung«, findet Markus Theinert. Doch natürlich ist die Programmauswahl für das Gelingen eines Konzerts nicht unwichtig.

Herr Theinert, gibt es »das perfekte« Konzertprogramm?

Natürlich gibt es Konzerte, die sowohl für die Zuhörer als auch für die beteiligten aktiven Musiker zu einem abgerundeten oder sogar vollkommenen Erlebnis werden können. Aber das liegt nicht allein am Programm, sondern auch und vor allen Dingen an der Ausführung. Am Ende stellt sich dann das glückselige Gefühl ein, dass alles gepasst hat. Nur zum Teil ist da die Dramaturgie oder Programmreihenfolge mit verantwortlich. Entscheidend bleibt schlussendlich immer die Herangehensweise an die Musik.

Umgekehrt kann es natürlich auch passieren, dass sich die Ausführenden zwar die größte Mühe gegeben haben, aber die wenig organische Aneinanderreihung der Werke die Kontinuität im Erleben verhindert hat, weil die Kontraste zwischen den einzelnen Teilen für das Bewusstsein nicht reduzierbar waren. Dann gewinnt die Programmgestaltung dadurch an Bedeutung, weil sie eben nicht gepasst hat.

Anders gefragt: Gibt es das perfekte Programm nur für den jeweiligen Ort, die jeweilige Zeit, das jeweilige Publikum, das jeweilige Orchester?

Die Akustik eines Konzertsaales spielt natürlich eine wesentliche Rolle bei der Auswahl der Stücke. So haben gewisse Werke in einer Kirche auch unabhängig von der sakralen Bedeutung des Ortes keinen Platz. Sie lassen sich in einer Akustik mit langer Nachhallzeit oder übermäßiger Resonanz nicht verwirklichen.

Auf der anderen Seite gibt es Kompositionen, die sehr auf Klang gebaut sind und deshalb in einem Raum mit trockener Akustik einfach nicht zur Geltung kommen. Sicherlich spielt auch die Erwartung und die Aufmerksamkeit des Publikums in unterschiedlichen Kulturen eine Rolle. Mit einem 3-Stunden-Programm wird man bei Zuhörern, deren Aufmerksamkeitsspanne sich auf eine Stunde oder kürzer beschränkt, seine Schwierigkeiten haben.

Ein erfahrenes Publikum, das an längere Konzerte gewöhnt ist, dürfte kaum zufriedengestellt sein, wenn die Darbietung bereits nach einer halben Stunde vorbei ist. Das hat in jedem Fall auch mit der Tradition am jeweiligen Ort zu tun.

Eine perfekte Rezeptur ist an solchen Faktoren schwerlich festzumachen. Wir haben in der Vergangenheit erlebt, wie sich die klassischen Konzertprogramme an einem gewissen System orientiert haben, das sich über beinahe zwei Jahrhunderte bewährt hatte. Man wählte eine Ouvertüre als Einstieg und gewährte danach in der Regel einem Solisten die Gelegenheit, sich zu präsentieren. Nach einer Pause folgte dann das Hauptwerk des Abends, zumeist eine mehrsätzige Sinfonie oder Suite. Damit war dann das ideale Menü zusammengestellt, ein Grundkonzept, das in den meisten Fällen auch aufging.

In der Blasmusik kommen an einem Abend aufgrund der im Schnitt wesentlich kürzeren Spieldauer der Stücke sehr viel mehr Werke zur Aufführung als im klassischen Orchesterprogramm. Deshalb ist es auch richtig, dass man sich hier seine Gedanken macht. Dabei muss man auf alle Faktoren achten, die für den inneren Zusammenhang zwischen den musikalischen Strukturen der einzelnen Werke von Bedeutung sind. Dazu gehören vor allem die har­monische Progression, organische Temporelationen sowie der allgemeine menschliche Bedarf an Abwechslung.

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