Im Jahr 2007 gewann die Jugendkapelle eines Musikvereins von der schwäbischen Alb den deutschen Jugendorchesterpreis der Jeunesses Musicales Deutschland. Die bis unter die Haarspitzen motivierten Musiker aus Lehrensteinsfeld überzeugten die aus ganz Deutschland angereiste Jury mit ihrem »Krimikonzert«. Eine ausgefeilte Dramaturgie, haufenweise tolle Einfälle, perfekt abgestimmtes Ambiente und pfiffige Werbung waren das eine. Das andere aber war das überwältigende Erlebnis, ein Konzert erlebt zu haben, an dem ein ganzes Dorf beteiligt war.
Die wichtigsten Ziele der Musikvermittlung
Ohne dass dieses Konzert explizit als eine Veranstaltung zur Musikvermittlung geplant gewesen war, findet sich hier doch vieles wieder, was heute eine große Rolle in diesem stetig wachsenden Feld spielt:
- Die Musiker der Kapelle führten im Vorfeld einen regen Austausch über Programm, Inhalte und Vermittlungsformen ihres Konzerts.
- Die Musik, die sie spielten, wurde auf außermusikalischen Kanälen gespiegelt, dem Publikum visuell und sprachlich nähergebracht.
- Bühnenbild, Medien und Kostüme sorgten für ein ganzheitliches Ereignis. Musiker und Publikum wurden durch dieses Konzert im besten Sinne des Wortes aus der Bahn geworfen, in ihren Routinen gestört, Sinne und Begeisterung auf völlig neue Weise geweckt.
Und genauso konnte man die edelsten und wichtigsten Ziele von Musikvermittlung zusammenfassen. Vermittlung ist eines der großen Schlagworte im Kulturbetrieb der letzten Jahre. Musikvermittlung, Museumspädagogik, Kunstvermittlung 60+, Theater zum Anfassen: In allen kulturellen Sparten bemüht man sich um inhaltlichen Kontakt zum Publikum, zu den Kunden, zur Community – die Begriffe für Vermittlungs-Angebote und für die Menschen »auf der anderen Seite« sind vielfältig.
Im Museum gibt es Themenführungen für Kinder, im Theater gibt es Angebote, mit der Theaterpädagogin in verteilten Rollen Szenen aus der Oper nachzuspielen, die man sich ansehen möchte, und bei den professionellen Orchestern gehen oft die Bemühungen weit über die traditionelle Konzerteinführung hinaus:
Von den »Dating-Konzerten« des Philharmonischen Orchesters Luxemburg bis zum Kinder-Musikfestival des Vogler-Quartetts, von Probenbesuchen mit »Knopf im Ohr« am Staatstheater Darmstadt bis zu groß angelegten Schulprojekten bei den Berliner Philharmonikern oder dem Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks.
Dass man sich als professionell konzertierendes Ensemble oder einzelner Musiker heute mit der Frage beschäftigen sollte, wie man sein Publikum erreicht, was man über das reine Konzertieren hinaus tun kann, um Verbindungen zum Publikum herzustellen, scheint allgemein anerkannt.
Warum aber sollte sich ein Instrumentallehrer damit beschäftigen? Was bedeutet das Thema für den Leiter eines örtlichen Musikvereins? Es gibt einen grundsätzlichen Unterschied im Bezug auf Musikvermittlung zwischen professionellen Konzertveranstaltern, Orchestern oder Opernhäusern auf der einen Seite und städtischen Blasorchestern, Musikschulen oder Musikvereinen auf der anderen Seite.
Während die ersten zunächst ihr Publikum im Blick haben und im besten Fall darüber hinaus inhouse die integrativen Impulse von musikvermittelnden Maßnahmen genießen können, sind bei den letzteren die eigenen Musiker, die eigene Community die erste Zielgruppe. Wenn wir mit unserem Posaunenchor ein Musikvermittlungs-Projekt starten, können und sollten die Mitglieder die ersten Nutznießer sein: kreativ herausgefordert, in ihren Talenten gefördert, begeistert von der und für die Sache und ihr Publikum.
Prozessorientierte und ergebnisorientierte Projekte
Wie kann so ein Projekt aussehen? In der Musikvermittlung gibt es heute zwei grundsätzlich unterschiedliche Arten von Projekten: Die einen sind eher prozessorientiert, die anderen eher ergebnisorientiert.
Prozessorientiert können zum Beispiel Workshops an Schulen sein: Junge Menschen entwickeln unter Anleitung musikalische Ausdrucksformen, finden zu einer neuen Sprache, vielleicht auch zu einem neuen Miteinander. Diese Art der Musikvermittlungsarbeit kann sehr bereichernd sein, für beide Seiten: eine Entdeckungsreise in unbekannte künstlerische und menschliche Welten. Sie ist allerdings erstens oft extrem zeit- und damit auch personalintensiv, zweitens garantiert sie, wenn die Prozess-Orientierung ernst gemeint ist, kein vorhersagbares Ergebnis.