Hier: Musik zur Erbauung. Dort: Musik zur Unterhaltung. Hier: Muße, Versenkung, Kunstsinn. Dort: Tanz, Vergnügen, Zerstreuung. Hinter der Unterscheidung von »gehobener« und »niedriger« Musik steckt der jahrtausendealte Widerspruch der Klassengesellschaft.
Eine Frage des Geschmacks
Das gab es immer schon: eine Musik, die komplexer und »schwerer« ist, und eine Musik, die einfacher und »leichter« ist. Es gibt ja auch die Haute Cuisine einerseits – und andererseits die Hausmannskost. Oder formelle Abendkleidung einerseits – und andererseits legeren Freizeitlook. Womit man sich wohler fühlt, ist heute einfach eine Frage des Geschmacks oder des Anlasses.
Was die Musik betrifft, lässt sich nur so viel sagen: Komplexere Musik ist eben komplexer, einfachere Musik ist einfacher – das ist noch keine Wertung. Beide entsprechen verschiedenen Bedürfnissen. Beide haben ihre Berechtigung. Beide beeinflussen einander gegenseitig. Beide gehen stufenlos ineinander über.
Selbst der Philosoph und Musiksoziologe Theodor W. Adorno, ein ausgesprochener Verächter der »Leichten Musik«, musste zugeben, dass es »auch heute noch gute schlechte Musik neben all der schlechten guten« gibt: »Die Sphären lassen nur vom Extrem, nicht von den Übergängen her sich abgrenzen.«
Ein Klassenmodell
Schon bei den antiken Griechen bemühten sich die Reichen, Mächtigen und Gebildeten, zwischen zwei Klassen von Musik zu unterscheiden. Ihre eigene Musik, das war für sie die »erhabene«, die feierliche, die sittliche, die Musik des Lichts, der Vernunft, der Klarheit – die apollinische Musik.
Die Musik der anderen, das war dagegen die niedrige Musik, die Musik der Säufer, Tänzer und Huren, die Musik der Orgien, der Rauschzustände und wilden Rituale – die dionysische Musik. Der Dionysos-Kult kam aus dem Osten, aus den kleinasiatischen Kolonien – er hatte den Ruch des Barbarischen, Bäuerlichen, Primitiven an sich. Die klassischen Philosophen – die selbsternannten Kulturwächter des griechischen Stammlandes – lehnten alles Dionysische ab, die Musik, die Instrumente, die Tonarten. In der homerisch-griechischen Welt, so schreibt Friedrich Nietzsche, erregte »die dionysische Musik Schrecken und Grausen«.