Dem Besucher von Konzerten oder Opernaufführungen ist es bestimmt schon mal aufgefallen: Es spielen fast nie alle Musiker gleichzeitig. Es gibt sogar immer wieder Werke, bei denen manche Instrumentalisten scheinbar völlig tatenlos herumsitzen, um im vierten Satz ein paar Takte zu spielen. Ist das langweilig! Ist das langweilig? Wir sind der Sache auf den Grund gegangen.
»Langeweile«, weiß das Lexikon, »ist das unwohle Gefühl, das durch erzwungenes Nichtstun hervorgerufen wird oder bei einer als monoton oder unterfordernd empfundenen Tätigkeit aufkommen kann.« Um der »Langeweile« näherzukommen, nehmen wir einfach einmal zwei Werke des Repertoires willkürlich heraus, die beide hohen Bekanntheitsgrad genießen: »Die Zauberflöte« von Wolfgang Amadeus Mozart und die »1. Sinfonie« von Johannes Brahms. Beide haben es in sich: wichtige Posaunenparts, aber auch enorme Wartezeiten für eben jene Instrumentalisten.
Die Posaunen in der Mozarts » Zauberflöte«…
Wenngleich die Posaunen in der »Zauberflöte« mehr zu tun haben als in jeder anderen Mozart-Oper, in der sie vorkommen (»Idomeneo« und »Don Giovanni«), sind die Musiker weit entfernt von einer Vollbeschäftigung. Die Nachfrage beim Musikwissenschaftler Jörg Murschinski bestätigt, dass die Posaunen im 18. Jahrhundert meistens im sakralen Zusammenhang auftreten. In der Kirchenmusik werden sie seit jeher als colla-parte-Instrumente für den Chor verwendet.
»In dieser Tradition begegnen sie uns auch in der ›Zauberflöte‹. Schon in der Ouvertüre sind die Posaunen für den sakral-feierlichen Ton zuständig und nehmen damit eine wichtige Rolle ein.« Im weiteren Verlauf der Oper treten sie meist im Zusammenhang mit den Priestern auf (»O Isis und Osiris«). Doch so wichtig die Posaunenparts sind – quantitativ nehmen sie eher eine Nebenrolle ein.
… und in Brahms »1. Sinfonie«
Bei Brahms 1. Sinfonie ist die Wartezeit sogar volle drei Sätze lang, etwa 30 Minuten: Die Posaunen, die in Takt 30 erstmals in der Sinfonie begleitend auftreten, sind im anschließenden »imaginären Choral« (Takt 47 bis 50) neben Fagott und Kontrafagott stimmführend.
Eine Anekdote erzählt Renate Birkholz in »Musiker sind auch nur Menschen«: »Die Dresdener Staatskapelle spielt unter Leitung von David Oistrach die 1. Sinfonie. Die Posaunen haben zirka 37 Minuten Pause, dann kommt der von allen gefürchtete Einsatz, natürlich im Piano. Der Kollege bläst einen fabelhaften Einsatz, setzt das Instrument ab und konstatiert: ›Na also, ’s geht doch!‹ Zeugen berichten, dass er bis zum Ende der Sinfonie nicht mehr gespielt hat.«
Sind Wartezeiten langweilig?
Kurzum: Es gibt Repertoire, bei dem lange Wartezeiten vorprogrammiert sind. Nervt das? Wird das auf die Dauer langweilig? Wir haben uns mit mehreren Posaunisten unterhalten und erhalten unisono die Antwort »Nein!« Denn schließlich kenne man ja sein Repertoire und die damit verbundene Spieldauer. Und außerdem, meint Tobias Schiessler, Posaunist im Niedersächsischen Staatsorchester Hannover: »Das Warten an sich macht noch nicht die Langweile…« Langweilig wird’s erst, und da greift die eingangs zitierte Definition, »wenn man gezwungen wird, nichts zu tun«.
Das sei in erster Linie eine Sache der Vorbereitung, finden die Posaunisten. »Wenn der Dirigent in einer Probe von Streicherpart zu Streicherpart springt und die Bläser untätig herumsitzen – dann kommt Unmut auf.« Wenn Dirigenten und Streicher erst während der Probe Diskussionen vom Zaun brechen, an welchen Stellen Auf- und Abstriche zu tätigen sind, wird es für die Wartenden erst richtig langweilig. »Man ärgert sich einfach über den Dirigenten, die Streicher, die vertane Zeit«, findet Schiessler.
Doch er schränkt ein: »Das ist die absolute Ausnahme. Normalerweise wissen Dirigenten ja, was sie wann proben.« Und können dann ankündigen, dass sie primär die Streicher brauchen. In der Regel werden die Striche auch vom Dirigenten und dem Konzertmeister noch vor der ersten Probe durchexerziert.