Brass, Orchestra, Schwerpunktthema, Wood | Von Dieter Michel

Schwerpunktthema: Wege zur Improvisation

Vor einiger Zeit nahm ich abends eine Bläserfachzeitung zur Hand, um sie als »Bettlektüre« zu studieren. Dabei stieß ich auf einen Artikel zum Thema »Wege zur Improvisation«. In diesem Artikel wurde ein – meiner Meinung nach – sehr »kopflastiger« Weg beschrieben, der so für die meisten Schüler, Laien oder Lernwillige eher zur Blockade als zum lockeren Umgang mit Improvisation führt. Aus diesem Grund möchte ich meinen Weg zur Improvisation sowie einige andere Möglichkeiten aufzeigen, einen Zugang zur Improvisation zu erhalten.

Mein Geburtsjahrgang ist 1958. Mit neun Jahren begann ich, bei meinem Vater das Trompetenspiel zu erlernen. Als Zehnjähriger hatte ich dann mit seinem Feuerwehrorchester (er war der Dirigent) meinen ersten großen Soloauftritt unter seiner strengen, aber einfühlsamen Stabführung. Er erklärte mir, dass ich keine Hemmungen und Grenzen in Sachen Musikrichtung und Musikgruppen haben sollte, da »man überall etwas dazulernen kann«!

So nahm er mich zwölfjährig in sein Orchester auf, spielte aber auch mit mir in einem Laien-Sinfonieorchester und ließ mich solistisch sowie in einem Blechbläserensemble in Kirchen mitwirken. Außerdem besetzte er mich, neben Gitarren, Schlagzeug, Chor und Solosängern, als einzige Trompete in dem Ensemble für Gospels und moderne Kirchenmusik, dem er als Organist und Leiter beitrat.

Transponieren vom Blatt und Spielen zur Schalplatte

Letzteres bewirkte, da Gitarren zur Besetzung gehörten, dass E-, H- und Fis-Dur keine Seltenheit, sondern eher Standard waren. Zunächst schrieb ich mir die Songs um, was ich aber aufgrund meiner Schreibfaulheit nicht mochte. Also übte ich intensiv zu Hause, die Stücke vom Blatt transponiert zu spielen. So wurden diese Tonarten nach kurzer Zeit für mich zur Normalität. Außerdem bekam ich immer kleine Soloaufgaben zugeteilt, wie Einleitungen, Zwischenspiele oder Schlüsse zu den Harmonien zu spielen, die ich dann meistens als freie Variation der vorgegebenen Melodien ausführte.

Als ich zwölf Jahre alt war, bekamen wir unseren ersten Plattenschrank, und ich erhielt Schallplatten meiner damaligen Idole, wie Nini Rosso, Roy Etzel, Heinz Schachtner, Louis Armstrong und Kollegen. Wenn meine Eltern nicht zu Hause waren, legte ich, der eher schüchtern war, meine Platten auf und versuchte zunächst, die Melodien mitzuspielen und immer neue Begleitstimmen zu suchen.

Theoretisch hatte ich gar keine Ahnung und probierte einfach nach Versuch und Irrtum sowie nach Geschmack und spontanen oder langsam reifenden Ideen aus. Lediglich meine gesunden Ohren sagten mir, was spannend und interessant bzw. mehr oder weniger spannungsgeladen war. Dabei fand ich auch heraus, dass Töne, die zunächst »falsch« oder »strange« wirken, im Nachhinein sogar als besonders effektvoll erscheinen, wenn man es schafft, eine interessante wie nachvollziehbare Auflösung bzw. Weiterführung zu finden. Heute erzähle ich in diesem Sinne meinen Schülern immer, dass ein Krimi ohne Spannung ein schlechter Krimi ist.

Artikel in voller Länge als PDF downloaden