Die Dirigententätigkeit scheint manchmal ein sehr einsames Unterfangen. Dies wird bereits durch die isolierte Position vor dem Orchester deutlich. Nicht selten wird auch die Qualität eines Orchesters auf die Fähigkeiten des Dirigenten reduziert. Selbst die Planung von Konzertprogramm oder Probenablauf erfolgt meist alleine im Arbeitszimmer. Umso wichtiger erscheint der regelmäßige Erfahrungsaustausch mit anderen Dirigenten.
In solchen Diskussionen können neue Sichtweisen auf alte Probleme entstehen und der Betriebsblindheit vorgebeugt werden. Man erhält wertvolle Impulse für die eigene Arbeit und erkennt nebenbei, dass die Kollegen oft vor denselben Schwierigkeiten und Fragen stehen wie man selbst. Zum Beispiel in Bezug auf die Programmgestaltung…
Jörg Murschinski (JM): Hattest du jemals den Eindruck, ein perfektes Konzertprogramm zusammengestellt zu haben? Wenn ja, welche Stücke, welcher Anlass etc.?
Günter Martin Korst (GMK): Nein! Hier stellt sich natürlich sofort die Frage, ob es das gibt, das perfekte Konzertprogramm? Meiner Ansicht nach liegt das immer im Auge oder hier besser, im Ohr des Betrachters. Derweil ich natürlich an viele schöne und auch durchaus erfolgreiche Konzertprogramme denke. Aus jüngster Zeit ist mir ein sehr stimmungsvolles Kirchenkonzert in guter Erinnerung – gemeinsam mit einem Organisten und einer Sopranistin unter der Überschrift »Reflexionen«. Wir verknüpften Werke wie »Stufen« von Jacob de Haan oder »Alternances« von André Waignein mit Orgelwerken und stellten diese gegenüber. Das Besondere daran war, wie die zunächst zögerliche Haltung der Ausführenden einer Begeisterung wich und das Konzert auch begeistert aufgenommen wurde. Aber perfekt? Ich weiß nicht, ob es das gibt.
JM: Ich denke, es gibt Konzertprogramme, die allen Beteiligten ein höheres Maß der Zufriedenheit geben als andere. Dies ist etwa dann der Fall, wenn bei den ausgewählten Stücken die Balance zwischen Anspruch und Genuss stimmt, wenn das Verhältnis von intellektuellem und emotionalem Gehalt ausgewogen ist. Das muss nicht zwangsläufig in jedem Stück der Fall sein, wohl aber aufs Ganze betrachtet, also innerhalb des gesamten Programms. Wenn ein Werk dem Publikum viel abverlangt, sollte man einen Ausgleich schaffen, Ungewohntem beispielsweise etwas Vertrautes gegenüberstellen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich das Publikum auf Vieles einlässt, auch und besonders auf Neues, Fremdes oder Ungewöhnliches.