Szene, Wood | Von Klaus Härtel

Sebastian Manz: Immer auf dem Weg

Nach jahrelanger Beschäftigung mit den Klarinettenwerken Carl Maria von Webers setzt Sebastian Manz, Gewinner des ARD-Wettbewerbs 2008 und Solo-Klarinettist des SWR Symphonieorchesters, nun einen vorläufigen Höhepunkt seiner musikalischen Laufbahn: eine Komplett-Einspielung dieser Werke auf einem Doppel-Album. Wir sprachen mit ihm im Stadtcafé im Münchner Stadtmuseum.

Der Flieger aus Fernost landet am Nachmittag. Am frühen Abend soll das Interview mit Sebastian Manz stattfinden. Er kehrt – natürlich nicht zum ersten Mal – an den Ort seines größten Wettbewerbserfolgs zurück. Er ist müde und schlägt vor, dass man die Schnarchgeräusche dann ja rausschneiden könne. Doch so weit kommt es natürlich nicht. Er ist redselig und gut drauf. Am Abend geht es dann noch weiter nach Stuttgart.

Vor acht Jahren hatten wir – abgesehen von den »letzten Worten« im Mai 2013 – zuletzt ein Interview mit Ihnen im Heft. Das war nach dem Gewinn des ARD-Musik­wettbewerbs. Seitdem ist viel Wasser die Isar hinuntergeflossen. Im Zeitraffer: Was ist seitdem passiert?

Der ARD-Wettbewerb war für mich ein Sprungbrett in meiner solistischen und kammermusikalischen Karriere. Ich hatte gerade vor dem Wettbewerb meine allererste Orchesterstelle am Theater in Lübeck angetreten, eine Stellvertreterstelle mit Verpflichtung zur 2. und 3. Klarinette plus Bassklarinette. Da haben wir gleich mal den halben »Ring« gemacht. Da musste ich vormittags an der Bassklarinette »Walküre«, abends dann »Rheingold« spielen. Proben, Sinfoniekonzerte, das volle Programm.

Das war eine krasse, aus heutiger Sicht für mich immer noch unfassbare Zeit. Und danach wurde es noch verrückter… Ich hatte meinen Kollegen in Lübeck gesagt: Macht euch keine Sorgen, in zwei Wochen bin ich wieder da. Das Ganze hat dann über einen Monat gedauert. Ich wurde nach München und Stuttgart zu Preisträgerkonzerten eingeladen.

Das war damals auch die erste Tuchfühlung mit dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart. Seit 2010 bin ich ja Soloklarinettist beim SWR Symphonieorchester, wie es heute heißt. Nach dem Wettbewerb war plötzlich die große Aufmerksamkeit da. Da ich keine Agentur hatte, musste ich das alles selbst machen.

Mein E-Mail-Account brach zusammen, ich saß mehrere Stunden pro Tag am Computer, um Mails zu checken. Ich kam gar nicht dazu, das alles zu verarbeiten. Das ging zack, zack, zack. Der NDR in Hamburg hat mich eingeladen und wollte eine große Tour machen. Meine Karriere hat sich wirklich rasant weiterentwickelt. Plötzlich bekam ich Einladungen zu ganz großen Probespielen – was mir vorher verwehrt geblieben war.

Ich habe meinen Jahresvertrag in Lübeck aber erfüllt. Und diese Zeit war sehr prägend für mich. Ich habe in der Oper unglaublich viel gelernt, was das »Vom-Blatt-Spielen«, was das Verstehen von musikalischen Zusammenhängen betrifft. Ich habe großartige Literatur kennengelernt, die ich jetzt als Solist, Kammermusiker oder Soloklarinettist im Sinfonieorchester nicht mehr habe. Ein verrücktes Jahr. Parallel dazu habe ich noch die Konzerte junger Künstler vom Deutschen Musikwettbewerb gespielt.

…den Sie kurz vorher mit Ihrem Klavierpartner Martin Klett gewonnen hatten.

Genau. Da brach tatsächlich alles über mich herein. Und in dem Jahr hatten sich meine Augen auf -0,5 Dioptrien verschlechtert. Das ist der Abstand zum Notenständer im Graben. Am Anfang der Saison konnte ich noch die Schrift des Übertitels erkennen, also die Übersetzung des Librettotextes, die in der Oper für das Publikum an den Bühnenrand projiziert wird. Am Ende nicht mehr. Das war für mich ein Zeichen, dass ich aufpassen musste, mich nicht zu verzetteln.

Artikel in voller Länge als PDF downloaden