Selina Ott ist die erste Österreicherin, die den 1. Preis beim ARD-Musikwettbewerb im Fach Trompete gewonnen hat. Sie ist in diesem Fach erst die vierte Trägerin eines 1. Preises überhaupt. Sie reiht sich damit zusammen mit David Guerrier, Manuel Blanco Gómez-Limón und vor allem Maurice André in die Galerie der Großen ein. Wir trafen sie in München.
Zurückhaltend und zugleich extrem selbstbewusst
Dieses Mädchen ist schon beeindruckend. Womöglich tritt man ihr zu nahe, wenn man »Mädchen« schreibt, denn diese junge Frau ist eine der besten Trompeterinnen der Gegenwart. Das ist gewissermaßen bestätigt. Bestätigt von der Jury des jüngsten ARD-Musikwettbewerbs, die die gerade 20-Jährige auf das oberste Stockerl hob. Doch »Mädchen« trifft es trotzdem, denn Selina Ott ist eben noch recht jung – und wirkt bisweilen ebenso.
Nicht zuletzt ist Selina Ott die erste Frau überhaupt, die in München im Fach Trompete gewinnt. Das »Frauenthema« ist übrigens für sie keins. Sie habe ja schon immer mit den Jungs gemeinsam Trompete gespielt. Sie kennt es nicht anders. Das Frauenthema wird eher von Medien und Veranstaltern lanciert. Im CLARINO-Interview wird es erst ganz am Schluss gestreift, als der Früchtetee und der Cappuccino längst bezahlt sind.
Selina Ott ist zurückhaltend und gleichzeitig extrem selbstbewusst. Sie wirkt im einen Augenblick schüchtern, antwortet im nächsten auf Fragen aber sehr bestimmt. Man merkt: Sie weiß, was sie will. Sie rührt versonnen in ihrem Tee, den sie im Tambosi am Münchner Odeonsplatz bestellt hat. Sie genießt die warmen Sonnenstrahlen. Vermutlich ist sie erstmals seit 14 Tagen völlig entspannt.
Der Wettbewerb und das Preisträgerkonzert
Der Sieg beim Wettbewerb ist ihr nicht mehr zu nehmen, am nächsten Tag folgt »nur« noch die Kür: das Preisträgerkonzert mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Von München selbst hat sie nicht viel sehen können, gibt sie zu. Froh ist sie, dass sie wenigstens eine Reihe Wahrzeichen wie das Rathaus und die Frauenkirche fotografieren konnte – sozusagen als Beweis, dass sie auch wirklich da war. Irritiert ist sie darüber, dass es in München kaum Zebrastreifen gibt. »Ich freu mich schon wieder auf die Zebrastreifen in Wien«, lacht sie.
Der beste Moment der vergangenen Tage sei natürlich der Sieg im Finale gewesen, erzählt sie. »Ich habe hier die vier Runden gespielt, zwischen denen natürlich immer Pausen waren, die allerdings wiederum mit Proben und Üben gefüllt waren.«
Das Finale sei einfach am schönsten zu spielen gewesen, weil man sich nur noch auf dieses eine Konzert habe konzentrieren müssen. »Ich war zu 100 Prozent bei dem Stück. Mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks zu spielen war einfach extrem cool. Und das dann auch noch zu gewinnen…« Die junge Österreicherin schwärmt.
»Ich mag Wettbewerbe«
Zweifel, Sorgen oder die Frage »Warum tu ich mir das eigentlich an?« sind der Trompeterin während der vergangenen 14 Tage nicht gekommen. »Ich mag Wettbewerbe sogar. Mir macht es Spaß, mit dem Druck und dem Stress umzugehen. Ich liebe es, einer Jury zu zeigen, was ich mir erarbeitet habe.« Selbstbewusst ist die Musikerin schon.
Und doch hat natürlich auch sie eine nicht stressarme Mammutaufgabe zu bewältigen gehabt. Auch sie hat sich – bevor es überhaupt zur Anmeldung zu dem prestigeträchtigen Wettbewerb kam – die Repertoireliste vorgenommen.
»Man schaut, was man kennt und was man gern spielen würde. Zwei der Konzerte kannte ich bereits, die anderen fünf musste ich mir erarbeiten.« Gemeinsam mit ihrem Professor Roman Rindberger (Mnozil Brass) wählte sie dann aus, »was mir am besten liegen würde«. Rindberger habe sich viel Zeit genommen und so einen großen Anteil am Erfolg, findet Selina Ott.