Auch wenn Schülerinnen und Schüler ihre ersten Vortragsstücke recht gut und mit Leidenschaft spielen können, so findet sich meist ein Punkt, an dem es noch großes Verbesserungspotenzial gibt: die Intonation. Für diesen Beitrag hat Kristin Thielemann einige Anregungen zusammengetragen, mit denen Lehrkräfte das Gehör und den Intonationsausgleich ihrer Schülerinnen und Schülern trainieren können.
Mit Leidenschaft musiziert Julie ihr Konzertstück auf der Querflöte, Matteo gelingt sein neues Saxofon-Solo schon recht gut, auch das Trompetentrio dreier 12-jähriger behauptet sich beim Wettbewerb recht ordentlich. Doch bei aller Anerkennung, die diesen Schülerinnen und Schülern zuteil wird, findet sich meist dieser eine Punkt: die Intonation. „Wie können wir das Gehör und den Intonationsausgleich mit unseren Schülerinnen und Schülern trainieren?“, fragen Lehrende häufig.
Als Intonation beim Musizieren bezeichnet man die Feinabstimmung der Tonhöhe, also die wenigen Hertz, die den Unterschied zwischen „blitzsauber“ und „nah dran“ machen. Doch wie kann man Kindern und Jugendlichen zunächst dieses extrem feine Gehör und später die Fähigkeit zum Ausgleichen näherbringen? Kann man dieses extrem feine Hören überhaupt erlernen?
Ganz unterschiedlichen Voraussetzungen
Kinder und Jugendliche kommen mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen in den Musikunterricht: Manche können auf ihrer „Habenseite“ wertvolle Hör- und Gesangserfahrungen verbuchen. Das sind wichtige Punkte, bei denen auch Eltern früh die Weichen stellen können: das Singen mit dem Kleinkind, die musikalische Früherziehung, ein musikbetonter Kindergarten, die Mitwirkung im Kinderchor, das regelmäßige Musikhören von sauber gespielter Musik daheim, Konzertbesuche – all dies sind „Soft Skills“, die einen nicht unerheblichen Einfluss darauf haben, wie exakt ein Kind in der Lage ist, Tonhöhen zu bestimmen und zu bewerten. In meinem Buch „Jedes Kind ist musikalisch“ habe ich hierzu viele Anregungen für Eltern gegeben.
Aber was tun, wenn ein zwar technisch talentierter und motivierter Schüler in den Unterricht kommt, seine Fähigkeit zum sauberen Spiel aber noch Entwicklungspotenzial hat?
Es gibt mehrere Parameter, die dafür sorgen, dass sich in der Intonation ein „nah dran“ auf den Weg zu „blitzsauber“ macht. Allen voran steht natürlich eine gute technische Beherrschung des Instruments. Vielen Bläserschülerinnen und -schülern beispielsweise macht eine ungünstige Haltung zu schaffen: Denn eine gute Haltung bewirkt in aller Regel eine entspannte und tiefe Einatmung und diese ermöglicht ein ungehindertes Hinausströmen der Luft ins Instrument. Bei gut stimmenden Instrumenten bewirkt dies, dass der Ton dort sitzt, wo es vom Instrumentenmacher beabsichtigt ist.
Womit wir schon beim nächsten Punkt wären: das Instrument. Wenn Schülerinnen und Schüler es mit dem Dachbodenfund oder dem Flohmarkt-Schnäppchen zu tun haben, auf dem die Lehrkraft schon kaum in der Lage ist, sauber zu intonieren – wie soll das ein Anfänger schaffen? Man darf Eltern ruhig einmal klarmachen, dass man mit einem Billig-Instrument häufig an der falschen Stelle spart.
Signaltöne finden – achtsam spielen
Bei leicht fortgeschrittenen Bläserschülerinnen und -schülern lohnt es sich für Lehrkräfte, „kranke Töne“ – das heißt weniger gut stimmende Töne – auf dem Instrument zu benennen. Auf der B-Trompete betrifft es das notierte es’, das häufig zu tief ist, und das d’, das eher zu hoch ist. In diesen Fällen lasse ich Stücke auf solche „Signaltöne“ hin markieren und im langsamen „Rollator-Tempo“ – also achtsam und im gemächlichen Tempo – durchspielen.
Stimmgerät und Handygames
Auch die Nutzung eines Stimmgerätes oder einer Stimmgeräte-App kann man durchaus in Erwägung ziehen. Allerdings erfordert dies einiges an Erklärung: Nicht immer ist „Mitte getroffen“ auch „Treffer. Versenkt“. Denn eine gute Intonation innerhalb eines Musikstücks erfordert etwa, dass Dur-Terzen tief, Moll-Terzen hoch, Quinten möglichst rein und kleine Septimen wiederum recht tief genommen werden. Das ist je nach Stimmung unterschiedlich. Daher ist beim dauerhaften Training mit einem Stimmgerät Vorsicht geboten, denn all dies erzählt einem das Stimmgerät bei der Benutzung in aller Regel nicht.
Neben reinen Stimmgeräte-Apps gibt es auch Spiele fürs Handy, bei denen ein Ton in der exakten Tonhöhe getroffen werden muss. Diese sind, trotz aller Schwächen, häufig eine schöne Möglichkeit, um überhaupt für dieses Thema zu sensibilisieren. Ich nutze für den Einstieg gerne das Spiel „Staff Wars Live“ (kostenpflichtig, derzeit nur für iOs erhältlich) und den „Trumpet Racer“, den es auch als French Horn, Oboe, Recorder… Racer für verschiedenste Instrumente gibt. (siehe auch www.youtube.com/watch?v=ZKtQ-gkcUa4) Wer kein Handy besitzt, kann auch die kostenlosen Stimmgeräte auf den Webseiten tuner.ninja oder musicca.com nutzen.
Zusammenspiel nutzen
Aber nicht immer muss es gleich eine Stimmgeräte-App sein. Sehr schön entwickelt sich das Gehör auch, wenn regelmäßig mit einem gut intonierenden Partner gemeinsam musiziert wird. Im Unterricht bin das natürlich ich selbst als Lehrkraft. Und so spiele ich Begleitakkorde auf dem Klavier, wenn mein Schüler seine Technikübungen trainiert – dafür reichen schon Grundkenntnisse im Klavierspiel! So bekommt das Ganze gleich noch einen harmonischen „Unterbau“ und die Übung klingt gar nicht mehr allzu sehr nach „Übung“, sondern viel stärker nach schöner Musik.
Wenn mein Schüler dann Intonationsschwächen zeigt, korrigiere ich meist, indem ich den entsprechenden Ton auf dem Klavier lauter spiele. So meldet bei vielen Schülerinnen und Schülern dann das Unterbewusstsein, dass der eigene Ton höher oder tiefer gespielt werden muss. Bei „harten Fällen“ (also den chronischen „Nicht-Hinhörern“) helfe ich schon einmal mit einem mündlichen Hinweis: „Spiele die Stelle mal ganz langsam und achte einmal auf das g‘ – das hängt immer ein klein wenig durch. Es ist zu tief. So ungefähr, als würdest du Klimmzüge machen und mit der Nase nicht ganz bis an die Stange reichen.“
Zu Aufnahmen von guten Solisten oder Ensembles spielen
Auch das Zusammenspiel mit zwei gleichen Instrumenten kann sehr helfen, da Schülerinnen und Schüler vieles intuitiv korrigieren. Wenn dies nicht der Fall sein sollte, können wir als Lehrkräfte immer noch den Ton in der korrekten Höhe vorspielen.
Ebenfalls ist es äußerst hilfreich, zu Aufnahmen von guten Solisten oder Ensembles zu spielen. Hier wird das intuitive Hören geschult. Der Schüler lässt die Aufnahme eines Stücks, an dem er gerade arbeitet, über eine Musikanlage abspielen und spielt selbst hinzu. Wer es etwas langsamer benötigt, kann mit einer Tempo-Änderungs-App wie AnyTune oder Amazing Slow Downer die Musik langsamer stellen. Bei YouTube-Clips lässt sich ebenfalls die Geschwindigkeit anpassen ohne dass sich die Tonhöhe verändert (Einstellungsrädchen am rechten Bildrand nutzen!). Auch abwechselnd die Musik anzuhören und dann hinzuzuspielen kann helfen, ein besseres Gefühl für eine saubere Intonation zu entwickeln.

Stimmgerät-App
Und welche Stimmgeräte-App darf es denn nun sein? Da die beiden großen App-Stores so einiges an Vorschlägen bereithalten, ist guter Rat teuer. Natürlich kann man alle Apps der Reihe nach ausprobieren. Für den Unterricht mit Anfängern sind mir aber zwei Dinge ganz besonders wichtig:
- Nicht zu viele Funktionen
- Gratis-App ohne In-App-Käufe
Ich habe mich für die App „Practice Tools“ entschieden. Ein deutsches Produkt, entwickelt in Zusammenarbeit mit der Universität der Künste Berlin. Neben einem übersichtlichen Metronom mit den Grundfunktionen eines Taktgebers findet sich hier ein Stimmgerät, welches ebenfalls schon Grundschüler sehr gut bedienen können. Außerdem gibt es die Möglichkeit, auf dem unterhalb von Metronom und Stimmgerät gelegenen Recorder etwas aufzunehmen und direkt aus der App heraus zu teilen. Metronom und Stimmgerät lassen sich praktischerweise auch noch parallel nutzen.
Eine wichtige Sache, die für die Ausbildung eines guten Gehörs häufig übersehen wird, sind sauber gestimmte Klaviere. Es nützt die schönste Klavierbegleitung oder das Erlernen des Klaviers als Nebeninstrument nichts, wenn das Pianoforte wie ein Saloon-Piano aus dem Wilden Westen klingt. Klaviere gehören zum Stimmen in regelmäßigen Abständen in Profihände! Und im Zweifel (beispielsweise wenn nur der Platz an der Sonne fürs Klavier verfügbar ist) kann man immer noch auf ein elektronisches Klavier zurückgreifen, das nicht gestimmt werden muss.
Eine Frage der Stimmung
An dieser Stelle soll nur kurz auf den Unterschied zwischen der Intonation auf dem Klavier und Blas- bzw. Streichinstrumenten hingewiesen werden: Für Tasteninstrumente (vor allem elektronische) wird heute in aller Regel die gleichstufige Stimmung genutzt – ein Kompromiss, um in allen Tonarten gleich gut zu klingen. Streicher und Bläser, die in Profiorchestern spielen, sind natürlich viel flexibler, einzelne Töne intonatorisch anzugleichen, und nutzen diese Fähigkeit auch sehr gerne, um einen volleren Gesamtklang zu erzielen. Denn wo ein Intonationsausgleich stattfindet, wird durch die sich besser mischenden Obertonreihen der Gesamtklang größer und tragender. Im Zusammenspiel können sogar diese Obertöne deutlich hörbar gemacht werden.
Ob dies im Unterricht mit Schülerinnen und Schülern zum Thema gemacht wird, hängt sicher vom individuellen Fortschritt der Lernenden ab. Diese Aspekte – vor allem die deutlich hörbaren Obertöne – können für Fortgeschrittene extrem spannend sein, führen aber für diesen Text, in dem die Grundlagen thematisiert werden, zu weit.
Sauber musizieren im Ensemble
Damit ein Stimmgerät nun überflüssig wird, können beim Ensemblespiel einige einfache Tricks beachtet werden:
1. Sauber einstimmen
Häufig fällt es jungen Musizierenden schwer zu erkennen, ob sie bei ihrem Stimmton zu hoch oder zu tief sind. Wer hier einfach immer ein Stimmgerät anstellt, nimmt den Schülerinnen und Schülern die Chance, das eigene Gehör zu entwickeln. Hier hilft es, sich Zeit zu nehmen und zunächst einen Referenzton sauber vorzuspielen. Bei Bläsern ist das Geheimnis, dass der Ton, nach dem eingestimmt werden soll, wirklich nur kurz angespielt wird.
Der Bläserschüler spielt den gleichen Ton genauso kurz nach und vergleicht dann für sich, ob er ein Gefühl hat, in welche Richtung es gehen kann. Höher? Tiefer? Passt? Mit meinen Schülern trainiere ich das Einstimmen auf diese Weise in jeder Stunde und spiele den Referenzton oft mehrmals vor, lasse sie auch ruhig einmal in die falsche Richtung korrigieren und spiele erneut vor. Nur so bekommen sie die notwendige Erfahrung beim Einstimmen. Streicher benötigen einen über längere Zeit vorgespielten Ton, an den sie sich beim Einstimmen herantasten. Daher haben sich manche Bläser an dieses Prozedere gewöhnt. Man bekommt aber ein »ehrlicheres« Ergebnis, wenn man beim Einstimmen eben nicht einen langen Ton spielt, den man häufig unbewusst schon in eine bestimmt Richtung korrigiert, sondern wenn man den Stimmton kurz und mit gesundem Klang anspielt – ein großer Vorteil! Probieren Sie es einmal aus!
2. Nur wenige Stellen ausstimmen
In Profiorchestern werden meist nur „kritische Stellen“ ausgestimmt, daher würde ich es mit Schülerinnen und Schülern genauso halten: Länger gehaltene Akkorde oder Schlusstöne eignen sich meist gut, um das notwendige Können aufzubauen. Wer meint, jeden Ton eines Stücks mit dem Stimmgerät vergleichen zu müssen, ist intonatorisch zum einen völlig auf dem Holzweg (siehe weiter unten) und killt mit dieser unkreativen Sisyphusarbeit sämtliche Motivation.
Viel wichtiger ist, dass Schülerinnen und Schüler anhand geeigneter exemplarischer Stellen ein Gefühl dafür bekommen, wann ein Akkord gut stimmt und wann nicht. Bei Stimmproben in Jugendorchestern lasse ich zum Aufwärmen häufig langsame Stücke wie beispielsweise Choräle spielen.
3. Akkorde austarieren können
Im leicht fortgeschrittenen Schülerensemble sollten die Mitspieler bei den gängigen Akkorden hörend und lesend erkennen können, welche Funktion ihre Stimme gerade ausübt: ob sie gerade den Grundton, die Terz oder die Quinte eines Akkords spielen. Hierzu habe ich meinen Trompetenschülerinnen und -schülern eine einfache Übung notiert, in welcher sie das Gefühl für die Lage im Akkord trainieren können. Hier können Sie in meine Noten hineinschauen und diese auch gerne für Ihren eigenen Unterricht nutzen.
Hier finden Sie die Ausgabe “Intonation Studies” von Kristin Thielemann (gemeinsam mit dem Notenshop Stretta Music entstanden).
Fazit
Eine saubere Intonation kann man trainieren. Sie ist aber etwas, was gerade beim Unterrichten von Anfängern häufig ein wenig am Rande steht, da unser Fokus gerne einmal auf dem „Höher, Schneller, Weiter“ und vor allem „etwas Neues muss her“ liegt. Wer hier als Lehrkraft die Zeit zur Verfügung hat und den Grundstein für eine gewisse Sensibilität beim Thema Intonation legt, wird mit musikalischen Beiträgen seiner Schülerinnen und Schüler belohnt werden, die es wirklich wert sind, auf einer großen Bühne gehört zu werden!

Kristin Thielemann
ehemals Trompeterin im Orchester der Deutschen Oper Berlin, ist durch den Erfolg ihres üben & musizieren Spezials „Voll motiviert“ und den gleichnamigen Podcast in Deutschland, Österreich und der Schweiz bekannt. Ihr Eltern-Ratgeber „Jedes Kind ist musikalisch“ (Schott Music 2016) wurde ins Chinesische übersetzt und ihre Veröffentlichungen für den Trompetenunterricht sind beliebte Standardwerke. Als Dozentin ist sie zu Gast bei Hochschulen und Musikschulen im In- und Ausland.