Orchestra | Von Silvia Thurner

Sinfonisches Blasorchester Vorarlberg ist jetzt Windwerk

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»Windwerk« unter der Leitung von Thomas Ludescher (rechts) will flexibel und bodenständig ­auftreten.

Das Sinfonische Blasorchester Vorarlberg, im Jahr 1997 von Thomas Ludescher initiiert und seither von ihm geleitet, erfindet sich neu. Unter dem Namen Windwerk will die gemeinnützige GmbH flexibler und auch boden­ständiger auftreten. Im Fokus stehen individuelle und kreative Konzertgestaltungen mit neuen Kompositionen und eigenen Arrangements sowie eine interdisziplinäre Jugendarbeit in sogenannten YouthLabs

Der Jugendblasorchesterwettbewerb “Cros­sing the winds” wurde im ver­gangenen Jahr erstmals ausgetragen und soll 2022 wieder junge Musikanten aus ganz Europa zu außergewöhnlichen Konzertdramaturgien anregen. “Windwerk” ist basisdemokratisch organisiert, Musikerinnen und Musiker aus dem Bodenseeraum wirken hier zusammen. Pro Jahr sollen zwei Produktionen im Konzertkalender verankert werden. Im Gespräch mit Silvia Thurner erzählt Thomas Ludescher von den Inten­tionen zur Neugründung und Vorhaben für die Zukunft.

Das Sinfonische Blasorchester Vorarlberg feierte in den ersten Jahren nach der Neugründung bis 2005 international große Er­folge. Danach wurde es ruhig um das SBV. Wie siehst du die Entwicklung bis heute?

Thomas Ludescher: Wenn man die Entwicklung eines Orchesters an den Erfolgen be­ziehungs­weise der Teilnahme an Wettbewerben misst, ist das richtig. Bis 2009 haben wir praktisch an allen nationalen und internationalen Wettbewerben erfolgreich teilgenommen. Bis dahin wurden wir anhand dieser Erfolge ge­messen. Nach der letzten Teilnahme bei der Weltmeisterschaft in Kerkrade 2009 haben wir an­dere Ziele verfolgt. Es folgte neben einer Umstrukturierung in eine gGmbH und der Trägerschaft die Etablierung als Konzertorchester mit entsprechenden Konzertprogrammen, die Jugendschiene mit den Orchestercamps 2012 bis 2016, Musikvermittlungsprojekte, die mehr­fache Mitwirkung beim Feldkirch Festival sowie den Montforter Zwischentönen, einzigartige Konzertformate – also von Ruhe kann nicht die Rede sein. 

Reflektieren und Neues initiieren

Meiner Wahrnehmung nach gab es seit Gründung des SBV und danach mit der Eta­blierung als gGmbH Reibungspunkte mit dem Vorarlberger Blasmusikverband, auch im Hinblick auf die Jugendförderung. Stimmt mein Eindruck und hat sich das Verhältnis inzwischen entspannt?

Der Weg in die Eigenständigkeit mit eigener ­Trägerschaft wurde zusammen mit dem Vor­arlberger Blasmusikverband in einem mode­rierten Prozess durchgeführt. Da gab es natürlich auch unterschiedliche Ansichten. Das da­malige Jugendkonzept mit den Orchestercamps 2015, 2016, 2017 wurde nicht überall gern gesehen. Eine Evaluierung im letzten strategischen Prozess hat uns einen anderen Weg einschlagen lassen. Mit “Crossing the Winds” und YouthLab werden wir einen besonderen ­Input in die Jugendszene geben, das ist uns wichtig.

Ein Image abschütteln

Das SBV verstand sich als sogenanntes Elite­blasorchester. Es ist verständlich, dass das SBV Lust auf einen Neustart hatte, der wahrscheinlich auch mit einer Ver­jüngung der Mitglieder einhergeht. Trotzdem entsteht der Eindruck, dass mit diesem Neustart von “Windwerk” auch ein Image abgeschüttelt werden möchte. Was ent­gegnest du diesem Gedanken?

Ja richtig, der neue Name hat eine starke Verknüpfung mit unseren Werten, die Alpen verbinden uns auch über die Grenzen hinaus, man kann durchaus eine Verbindung mit einer ge­wissen Bodenständigkeit herstellen. Ein über­regionales Eliteblasorchester über 20 Jahre zu etablieren, ist eine große Herausforderung, das haben in Europe nicht mehr als eine Handvoll ­Orchester geschafft. Ich denke, dass alle Orchester, ein Blasorchester noch viel mehr, an einer Marketingstrategie arbeiten müssen, das versuchen wir auch.

Repertoire und Arrangements

Die sinfonischen Blasorchester werden auf der einen Seite von den Brassbands und auf der anderen Seite von sinfonischen Orchestern in eine Nische gedrängt. Stimmt dieser Eindruck?

Ich denke, dass Blasorchesterformationen (Harmonieorchester, Brassbands und Fanfareorchester) generell zwischen zwei Stühlen sitzen. Einerseits gibt es die junge Tradition von ca. 100 Jahren und dadurch ein sehr eingeschränktes und meiner Meinung nach einseitiges Original­repertoire. Andererseits wirken Transkriptionen von Renaissance- bis Barockmusik, sinfonischen Werken über Filmmusik, Rock-, Pop, Musicals bis hin zur Moderne reizvoll. Musik kann “klanggewandunabhängig” sein, sofern eine gewisse Besetzungsvielfalt und die Qualität der Arrangements passen.

In den vergangenen Jahren entwickelte das SBV aufwendig inszenierte, audiovisuelle Konzertprojekte. Wird dies in Zukunft auch in dieser Form weitergeführt?

Mit solchen Projekten haben wir für Aufsehen gesorgt, besondere Konzertformate mit besonderen Werken (Original und eigene Arrangements) sind die Zukunft von “Windwerk”.

Variable Ensemble- und ­Orchesterbesetzungen

Der Begriff “Windwerk” nimmt nicht mehr dezidiert auf die Größe des Klangkörpers ­Bezug. Sind auch Ensemblebesetzungen geplant oder tritt “Windwerk” stets in Orchesterbesetzung auf?

Wir haben in den letzten Jahren immer wieder auch in Ensembleformationen gespielt. Unser Qualitätsanspruch ist und muss sehr hoch sein, was es schwierig macht, in den Standard-Ensembleformationen auf sehr hohem Niveau spielen zu können. Allerdings gibt es viele, meist selten gespielte Werke in kleiner Orchester­besetzung, die wir aufführen wollen. Die Be­setzungsvielfalt von 15 bis 100 Musikern mit entsprechenden Originalwerken und Arrangements ist unsere Zukunft.

Zusammenarbeit auf Augenhöhe

Mit dem YouthLab installiert ihr eine neue Art der künstlerischen Jugendarbeit. Was versteht ihr darunter und arbeitet “Windwerk” hierfür mit dem Landeskonservatorium, dem Musikschulwerk und dem Vorarlberger Blasmusikverband zusammen und wer soll angesprochen werden?

Erste positive Gespräche wurden mit allen drei Institutionen geführt, wir wünschen uns eine Zusammenarbeit. Das erste YouthLab-Projekt wird im Herbst 2020 mit einigen Stakeholdern gemeinsam entwickelt. Junge Menschen bringen Neugier, Kreativität, Unvoreingenommenheit und vielfältige fachliche Kompetenzen mit. Ältere begleiten das Projekt mit derselben Haltung der Offenheit und Neugier und mit ihren Fragen statt Antworten. Das Projekt ist grundsätzlich multinational und multidisziplinär angelegt. Musiker, Dramaturgen, Wissenschaftler aus unterschiedlichen Kunstsparten sollen in diesem Lab zusammenarbeiten und die künstlerischen, pä­da­gogischen und dramaturgischen Konzepte von morgen entwickeln.

Dieses Interview ist zuerst im Juni 2020 in der Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft erschienen. 

www.windwerk.at