Wood | Von Klaus Härtel

Sophie Dervaux überzeugt als Fagottistin und Dirigentin

Sophie Dervaux
Foto: Marco Borggreve

Schon damals im Brawoo-Interview war Sophie Dervaux es leid. Sie war es leid, dass ihr Instrument immer nur dieses lustige, clowneske, komische Instrument sein sollte. “Natürlich können wir auch mal der Clown im Orchester sein, wir können lustig sein. Aber wir können noch so viel mehr sein. Das Fagott hat eine faszinierende Klangpalette!” Nun legt die Solofagottistin der Wiener Philharmoniker und des Wiener Staatsopernorchesters einen weiteren “Beweis” vor, wie Recht sie hat. 

Sophie Dervaux findet immer noch, dass das Fagott eines der vielseitigsten – aber auch eines der am meisten unterschätzten Instrumente ist. Sie kämpft geradezu dafür, die Klischees – ja, der Großvater in Peter und der Wolf wird vom Fagott dargestellt – vergessen zu lassen. Und nein, “man muss nicht immer das gleiche spielen!” Klar, Webers und Mozarts Fagottkonzerte seien Klassiker und natürlich sind sie das auch zu Recht. Doch das Repertoire sei viel größer als man denkt. 

Mit ihrem neuen Album rückt Sophie Dervaux zwei Komponisten in den Vordergrund, die bisher weniger Beachtung erfahren – trotz ihrer großen Nachnamen Bach und Haydn. Denn es sind nicht Werke von den “Altbekannten” Johann Sebastian Bach und Joseph Haydn, die die Fagottistin für ihre dritte Einspielung bei Berlin Classics ausgewählt hat, sondern von Johann Christian Bach (1735-1782), jüngster Sohn Johann Sebastians, sowie von Johann Michael Haydn (1737-1806), jüngerer Bruder Joseph Haydns. 

“Es gibt so viel tolle Fagottliteratur”

“Ihre Werke wurden vielleicht nicht so häufig aufgeführt wie beispielsweise Mozarts Fagottkonzert, aber sie haben eine unglaublich gute Qualität”, sagt Sophie Dervaux und bedauert: “Es gibt so viel tolle Fagottliteratur, die wir nie hören, einfach weil sie so selten aufgeführt und dadurch mit der Zeit vergessen wurde.” Um diesem Vergessen entgegenzuwirken, widmet sich die Wiener Fagottistin dem B-Dur-Konzert und dem Es-Dur-Konzert für Fagott und Orchester von Johann Christian Bach sowie der Sinfonie Nr. 14 in B-Dur von Johann Michael Haydn.

Sophie Dervaux
Sophie Dervaux, Fagott und Dirigentin (Foto: Marco Borggreve)

Ihr “Broterwerbsjob” ist die Stelle bei den Wiener Philharmonikern. Den liebt sie und macht ihn natürlich gerne. Aber Sophie Dervaux, im Jahr 2013 übrigens Preisträgerin des ARD-Musikwettbewerbs in München, genießt es, gelegentlich aus dem Orchester herauszutreten, um als Solistin “ihr eigenes Ding” zu machen. “Das ist mir sehr, sehr wichtig! Auch und vor allem, weil es eine andere Art des Musizierens ist.” Im Orchester habe sie oft technisch schwierige Stellen zu spielen – “auch wenn die nicht immer sonderlich spannend sind”, lacht sie. Wenn sie “draußen” Musik mache, “muss ich dafür gesondert üben, muss mich auf andere Programme vorbereiten. Ich muss und darf Zeit investieren und ich bin doch noch viel mehr in die Musik involviert. Doch wenn ich fit bin, dient das wiederum auch dem Orchester.” Eine klassische Win-Win-Situation.

Von beiden Komponisten Bach und Haydn überzeugen konnte Sophie Dervaux auch das Münchener Kammerorchester, vor dem sie gleichermaßen als Fagottistin sowie als Dirigentin agierte: “Das Orchester ist toll, die Musikerinnen und Musiker sind sehr aufgeschlossen und ich freue mich, dass wir uns alle miteinander so für diese selten gespielten Werke begeistern konnten”, berichtet sie von der guten Zusammenarbeit. 

Sophie Dervaux dirigiert

Als Dirigentin agiert sie mit dem neuen Tonträger bereits zum zweiten Mal. Schon auf “Mozart-Hummel-Vanhal” dirigiert sie das Mozarteum­orchester Salzburg. Aber warum? Natürlich nicht – wie ein beliebter Dirigentenwitz erklärt –, weil man dem Musiker, der sein Instrument nicht beherrscht, einen Stab in die Hand drückt. Nein, erklärt die Französin lachend. “Ich möchte immer weiter gehen, etwas lernen, etwas Neues und Spannendes ausprobieren.” Das Dirigieren sei schon immer in ihrem Kopf umhergeschwirrt. Nun sei endlich der Zeitpunkt gekommen, weil sie das Wissen, das Können und die Erfahrung sammelte. 

Und ein klein wenig hat sogar Corona dabei geholfen. Und zwar dahingehend, “dass ich mehr Zeit hatte”. Sie habe Stunden genommen, viel gelernt und geübt. “Das Dirigieren bringt mir noch einmal eine andere Dimension, eine andere Facette, eine andere Sichtweise”, schwärmt sie. “Ich habe meiner Musik einen neuen Parameter hinzugefügt, weil ich vor dem Orchester auch andere Parameter anwenden muss.” 

Als sie angefangen habe, als Dirigentin zu arbeiten, sei ihr allererster Gedanke gewesen: “Das ist ja leicht!” Sophie Dervaux lacht laut. Denn “je länger und intensiver ich mich damit beschäftigt habe, desto komplexer und schwerer wurde es. Ich bewundere Dirigenten jetzt noch viel mehr, als ich das vorher ohnehin schon getan habe. Die Beziehung zum Orchester ist als Dirigentin noch einmal eine ganz andere, als wenn man ‘nur’ Musikerin ist.” Als Dirigentin dürfe sie kein Detail auslassen. Und wenn die Musikerinnen und Musiker solch ein Niveau haben, erwarten die das von einem ja auch. “Das ist natürlich auch der Anspruch an mich selbst.”

Das Wichtigste sei allerdings die Musik selbst. Die stehe im Vordergrund – nicht sie als Solistin oder sie als Dirigentin. Wie es in ihrer Karriere weitergeht, ob vermehrt als Fagottistin oder als Dirigentin, da ist sie sich recht sicher: “Das Fagott ist meine große Liebe!”