Wood | Von Klaus Härtel

Stefan Temmingh hat das letzte Wort

Die CLARINO-Serie »Sie haben das letzte Wort« ist zwar in Interview-Form gehalten, sie soll aber einmal ­andere Fragen beinhalten, als man sie aus »normalen« Interviews kennt. Durch ungewöhnliche und nicht alltägliche Fragen will die Redaktion Neues vom Künstler erfahren.

Wann war das letzte Mal, dass Ihnen die Unterschiede von Deutschen und Süd­afrikanern deutlich wurden?
Die werden mir täglich klar. Wir weißen Südafrikaner haben vor allem bei den »Coloureds« gelernt, über uns selbst zu ­lachen. Mir fehlt in meiner Wahlheimat Deutschland oft diese wunderbare Eigenschaft, über sich selbst zu lachen und das Leben nicht so ernst zu nehmen. Ich fürchte aber, dass der Grund dafür fast traurig ist: Mord und Todschlag sind in Südafrika an der Tagesordnung, zumindest gedanklich nicht so meilenweit entfernt wie bei uns hier – aus diesem Grund respektiert man das Leben mehr und nimmt es auch nicht ganz so ernst.

Wann war das letzte Mal, dass Sie erklären mussten, dass die Blockflöte sehr wohl ein ernstzunehmendes Instrument ist?
Das habe ich schon längst aufgegeben oder besser gesagt, es ist mittlerweile ein so zentraler Bestandteil meines Lebens geworden, für die Blockflöte zu kämpfen, dass ich es gar nicht mehr wahrnehme.

Wann war das letzte Mal, dass Sie »so richtig« Urlaub gemacht haben?
Gerade erst im Mai. Da war ich mit meinem Freund im Elsass. Wir haben erst in Baden Wein probiert und danach sind wir nach Colmar gefahren. Dort gibt es den welt­berühmten Altar von Grünewald. Phänomenal!

Wann war das letzte Mal, dass Sie Ka­raoke gesungen haben?
Das würde ich nur machen, wenn ich eine persönliche Einladung von Simone Kermes bekäme – und nur mit ihr zusammen. Sie macht das ja bekanntlich gerne!

Wann war das letzte Mal, dass Sie geweint haben?
Ich bin ja in Kapstadt geboren, also bin ich sehr nah am Wasser gebaut. Es braucht nicht viel, und ich weine.

Wann war das letzte Mal, dass Sie den Deutschen ein ordentliches »Braai« präsentiert haben?
Wenn das Wetter gut ist, bin ich mindestens einmal die Woche an der Isar. Am liebsten mit einem Lammkotelett und einer Flasche einfachem, aber gutem Rotwein. Dass die Polizei dann kontrolliert, dass das Feuer nicht am Boden ist, finde ich bis heute lustig – sowas wäre in Südafrika niemals vorstellbar. Die Polizei hat dort Wichtigeres zu tun.

Wann war das letzte Mal, dass Sie an Henry Purcell gedacht haben?
Gestern, als ich den letzten Track meiner neuen CD »Inspired by Song« angehört habe.

Wann war das letzte Mal, dass Sie wünschten, in einer anderen Zeit/Epoche geboren worden zu sein?
Das habe ich mir niemals gewünscht. Klar würde ich gerne mal hören, wie Vivaldi oder Corelli gespielt haben. Aber ich bin sehr glücklich im 21. Jahrhundert.

Wann war das letzte Mal, dass Sie mit Frans Brüggen gefachsimpelt haben?
Ich habe Franz Brüggen niemals kennen­gelernt. Ich werde zwar oft mit ihm ver­glichen, aber – ehrlich gesagt – gibt es da andere Künstler, die ich spannender finde. Heute bin ich sehr stolz, mein Dreamteam von Musikern um mich herum zu haben. Mein Ensemble »The Gentleman’s Band« ist genau, was ich haben wollte. Freies, lustiges Musizieren ohne Grenzen und, sehr wichtig, ohne Diven.

Wann war das letzte Mal, dass Sie auf dem Oktoberfest waren?
Ich lebe seit 16 Jahren in München und war vor vier Jahren einmal da… nicht mein Ding.

Wann war das letzte Mal, dass Sie für einen Wein viel zu viel bezahlt haben?
Ich verbringe jeden Tag viel zu lange Zeit vor dem Rechner und suche Weinschnäppchen, daher zahle ich niemals zu viel für eine Flasche. Im Restaurant kann es mal passieren, dass der Wein mich enttäuscht, aber das ist selten.

Wann war das letzte Mal, dass Sie in der Oper waren?
Das letzte Mal habe ich selbst in der Oper gespielt, im November letzten Jahres. Und zwar ein superlustiges Arrangement der Komponistin Helga Pogatschar von Humperdincks »Hänsel und Gretel« für eine Art bayerisches Stubenorchester – unter anderem mit Akkordeon und Hackbrett. Das klingt total toll. Außerdem hat das Projekt wieder gezeigt, wie grandios die deutsche Kulturlandschaft ist: Ein kleines Theater wie das »Theater an der Rott« leistet sich einfach so etwas. Dazu gehört Mut und vor allem Neugier. Das hat der Intendant dort, Karl Sibelius. Ich wünsche mir mehr solche Menschen in der Kulturbranche. Kultur ist bekanntlich teuer, aber sie ist vergleichbar mit der Wirtschaft. Die Manager und Mega­stars verdienen zu viel, und die meisten Kulturschaffenden und Angestellten, das wirklich kreative Mittelfeld, verdienen zu wenig. Und gerade dieses Mittelfeld hat die Kraft und Kreativität, menschennahe Kunst zu schaffen: Kunst, die jeder gerne hat, und nicht das Gefühl vermittelt, man müsste erst ein tolles Kleid kaufen, bevor man in die Oper gehen darf.

Wann war das letzte Mal, dass Ihnen jemand nahegelegt hat, Sie hätten besser mal »was Vernünftiges« gelernt?
Mein Umfeld legt mir immer wieder nahe, dass es genau die richtige Entscheidung war, mit der Blockflöte zu leben. Vernunft interessiert mich nicht, im Herzen bin ich sehr barock… Ich liebe Üppigkeit und Dekadenz. Vernunft ist oft langweilig.