Wood | Von Hans-Jürgen Schaal

Stichwort Saxofonkonzert

Saxofonkonzert
John Craguns dreisätziges Concerto No. 1, op. 21 (16 Minuten) von 1925 wurde 2016 vom finnischen Saxofonisten Olli-Pekka Tuomisalo wieder ausgegraben.

Ein fester Bestandteil des Sinfonieorchesters ist das Saxofon nicht geworden, aber gelegentlich darf es vor dem Orchester glänzen – als Solo-Instrument. 

Adolphe Sax erfand das Saxofon einst auf der Suche nach einer Art “Freiluftgeige” – es sollte bei Platz­konzerten die Rolle der Streicher übernehmen. Dass das neue Instrument auch mit dem klassischen Orchesterklang harmoniert, bemerkten zuerst Frankreichs Opernkomponisten. Meyer­beer, Massenet, Franck und Saint-Saëns verwendeten es schon vor 1890 in ihren Partituren. 

Die ersten Solistenwerke für Saxofon und Orchester entstanden dann zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die amerikanische Mäzenin Elise Hall (1853 bis 1924), die aus gesundheitlichen Gründen das Saxofonspiel erlernt hatte, gab damals mehr als 20 Saxofonwerke in Auftrag. Auch wenn einige wohl nur mit Klavierbegleitung aufgeführt wurden – notiert waren sie oft für Saxofon und Orchester.

Charles Loefflers Saxofon-Werk von 1900

Den Anfang machte Charles Loefflers “Divertissement espagnole” (Dauer: 8 Minuten) von 1900. Noch heute zu hören sind unter anderem Debussys “Rapsodie” (10 Minuten), die man erst nach seinem Tod ins Reine schrieb, und d’Indys “Choral varié” (9 Minuten). Richtige Saxofonkonzerte waren das allerdings noch nicht, sondern einsätzige “Fantasien” oder “Impressionen”.

Wem die Ehre zukommt, das erste “offizielle” Konzert für Saxofon und Orchester geschrieben zu haben, ist umstritten. Derzeitiger Favorit ist der Amerikaner John Beach Cragun (1885 bis 1927), der auch Saxofonschulen verfasste. Sein dreisätziges Concerto No. 1, op. 21 (16 Minuten) von 1925 wurde 2016 vom finnischen Saxofonisten Olli-Pekka Tuomisalo wieder ausgegraben.

Das Saxofonkonzert erlebt seine “klassische” Periode

Schon 1923 soll ein Konzert in e-Moll des Saxofonisten Jascha Gurewich entstanden sein, der damals als “Jascha Heifetz des Saxofons” galt. Gurewich hat es 1926 selbst in der Aeolian Hall in New York aufgeführt. Allerdings hat er ver­mutlich nur eine Klavierbegleitung geschrieben, keinen Orchesterpart – insofern ist sein drei­sätziges Konzert eher eine Art Sonate.

In den 1930er Jahren erlebte das Saxofonkonzert seine “klassische” Periode. Die verdankte es einerseits der wachsenden Popularität des Instruments im Jazz, andererseits dem inspirierenden Einfluss zweier großer Solisten: Sigurd Raschèr und Marcel Mule.

Für diese beiden (konkurrierenden) Virtuosen entstanden innerhalb weniger Jahre die Saxofonkonzerte von Glasunow (14 Minuten, 1934) und Larsson (21 Minuten, 1934), das Concertino von Ibert (13 Minuten, 1935), die “Saxo- Rhapsody” von Coates(10 Minuten, 1936), die “Balladen” von Martin (16 Minuten, 1938) und Tomasi (15 Minuten, 1939) sowie die Concertino-artige “Scaramouche”-Suite von Milhaud (10 Minuten, 1937). 

Ein breites Spektrum an Einflüssen

Stilistisch spiegeln diese Werke ein breites Spektrum an Einflüssen aus Spätromantik, Impressionismus, Zwölftonmusik, Jazz und Weltmusik. Besonders beliebt beim Publikum ist das einsätzige Glasunow-Konzert, “weil es kompositorisch so gut gearbeitet ist” (John Harle). Es war Glasunows letztes Werk und erinnert in der Machart an sein Violinkonzert, das 30 Jahre vorher entstand.

Die Saxofonkonzerte der 1930er Jahre entstanden durchweg fürs Altsaxofon. Unter den ersten wichtigen Kon­zerten für andere Saxofongrößen waren Villa-­Lobos’ “Fantasia” (10 Minuten, 1948) für das Sopransaxofon sowie eine weitere “Ballade” (8 Minuten, 1941) von Frank Martin, die alternativ Posaune oder Tenorsaxofon als Solo-Instrument vorsieht. 

Junges Image des Saxofons in der 1980ern

In den 1980er Jahren eroberte sich das Saxofon in Jazz und Pop wieder ein junges Image. Seitdem wurden etliche bedeutende Saxofonkon­zerte komponiert. Mehr als 30 Konzerte entstanden allein für den amerikanischen Raschèr-Schüler John-Edward Kelly, mehr als 20 für den britischen Virtuosen John Harle.

Namhaften Jazzmusikern wurden ebenfalls Saxofonkonzerte gewidmet, darunter Jan Garbarek, Stan Getz, Branford Marsalis und David Sanborn. Auch in den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts entstanden hörenswerte Konzerte international bekannter Komponisten wie John Adams (2013), Sally Beamish (2008), William Bolcom (2015), Anders Eliasson (2010), Georg Friedrich Haas (2008), John Mackey (2007), Miklós Maros (2004) oder John Williams (2002).

Bisher erschienen: “Stichwort Rohrblatt-Trio“, “Stichwort Saxofonquartett“, “Stichwort Marsyas” und “Stichwort Tristantrompete”, “Stichwort Naturtonreihe”.