Brass | Von Martin Hommer

Stiller Sportsfreund – Silent Brass von Yamaha

Das Jahr 2014 beginnt, und mit ihm stehen uns zwei große Sportereignisse ins Haus. Da ist einmal die Fußball-Weltmeisterschaft, und dann natürlich die Olympischen Winterspiele in Sotschi, die ja schon bei­nahe in Schneeball-Wurfweite sind. Bei der Fußball-Weltmeisterschaft denken wir natürlich alle sofort an 2010 zurück, als die große Stunde der Vuvuzelas schlug. Auch in Brasilien erwartet uns ein musikalisches turnier, denn auch die brasilianer haben ja nicht nur die Leidenschaft im Bein, sondern auch den Rhythmus im Blut. Soviel zur sportlichen Großwetterlage, die für 2014 zu erwarten ist. Was das alles nun mit dem Test eines Traninigshelfers für Blechbläser zu tun hat? Eigentlich ist es ganz einfach…

Ich muss gestehen, ich bin kein Übe-Weltmeister. Und ich mag es nicht besonders, wenn jemand zuhört, wenn ich technische Übungen oder Tonleitern spiele. Leider beschränkt sich mein Trompeten-Training aus Zeitgründen aber zumeist genau darauf. Deshalb habe ich genau zwei Möglichkeiten: entweder ich übe, wenn gerade niemand zu Hause ist (was selten der Fall ist, wenn ich mal zufällig daheim bin), oder ich übe mit Übungsdämpfer.

Diese Möglichkeit nutzen viele Blechbläser, wenn sie auf Reisen sind und im Hotelzimmer keine andere Möglichkeit haben. (Deshalb werden Übungsdämpfer wohl manchmal auch »Hoteldämpfer« genannt.) Oder wenn sie – wie ich – die Kinder nachts nicht aufwecken wollen, aber die Finger doch noch schnell geschmeidig machen oder die Muskulatur kräftig halten wollen. 

Nun ist diese Übemethode nicht unumstritten. Man habe einen größeren Blas­widerstand, heißt es. Ja, stimmt. Man höre nicht, wie es klinge, heißt es. Ja, stimmt. Das Instrument stimme mit dem Dämpfer nicht mehr hundertprozentig. Ja, stimmt – mit Abstrichen. Denn ein Instrument stimmt nie hundertprozentig. Und als Blechbläser muss man ohnehin immer wieder mal mit Dämpfer spielen. Das sollte also kein unüberwindbares Problem darstellen.

Ein Quantensprung

Soweit nun also zur Ausgangslage. Zum Test bekamen wir von der Firma Yamaha einen »Silent Brass« der neuesten Generation und zum Vergleich ein Gerät der Vorgängerreihe. Um es gleich vorwegzunehmen: Den Ingenieuren ist ein echter Quantensprung gelungen. Das sage ich im Brustton vollständiger Überzeugung, weil ich bisher mehrere »herkömmliche« Übungsdämpfer in unterschiedlichen Ausführungen hatte und nun erstmals die Gelegenheit bekam, den »Silent Brass« zu testen. Zugegebenermaßen war der Einstieg etwas gewöhnungsbedürftig. Aber beginnen wir noch weiter vorn.

Der »Silent Brass« von Yamaha ist ein Übungsdämpfer mit eingebautem Mikrofon. Mit diesem Mi­krofon und dem ­Mini-Verstärker (»Personal Studio« genannt), der Teil des Systems ist, kann der Trompetenton, der beim Üben produziert wird, per Kopfhörer vergleichsweise realistisch wiedergegeben werden. Dieser Hinweis deshalb, weil als großes Manko an herkömm­lichen Übungsdämpfern immer wieder ­angeführt wird, dass man sich selbst nicht besonders gut hört. Das ändert sich mit dem »Silent Brass« grundlegend. Und genau deswegen ist der Einstieg merkwürdig.

Die Inbetriebnahme des »Silent Brass« ist völlig problemlos: Per Kabel werden das Dämpfer-Modul und der Mini-Verstärker verbunden, dann wird der Kopfhörer in die entsprechende Buchse eingesteckt, die Ohrhörer ins Ohr, Gerät einschalten, In­stru­ment ansetzen, einatmen – und los gehts.

Mit oder ohne Hall

Es ist schon merkwürdig, sich selbst im Kopfhörer zu hören, während gleichzeitig der vertraute Klang des Übungsdämpfers von außen mitschwingt. Aber dafür gibt es eine einfache Lösung, denn der »Silent Brass« bietet die Möglichkeit, die Ausgabelautstärke zu regeln. Wenn’s doch nur immer so einfach wäre…  Der »Silent Brass« bietet auch die Wahlmöglichkeit zwischen einer Tonausgabe mit oder ohne Hall. Erstaunlicherweise ändert sich der gefühlte Blaswiderstand, wenn das System ausgeschaltet ist, wenn das System angeschaltet ist und wenn der Hall dazukommt. Dass physikalisch hier nichts passiert, lässt sich einfach testen, wenn man die verschiedenen Schalterstellungen einmal ohne Ohrhörer ausprobiert. Der Widerstand bleibt derselbe, aber man spielt leichter, wenn man sich besser hört – es ist wie im echten Leben: In einem stumpfen Übungsraum tut man sich schwerer als in einer akustisch angenehmen Umgebung. Zugegeben: Profis darf das nicht stören, aber der »Silent Brass« sollte nicht nur für Profis interessant sein, sondern auch und gerade für Ama­teure! 

Richtig interessant wird es, wenn man eine externe Audioquelle an den Mini-Verstärker anschließt. Denn der »Silent Brass« bietet – wie auch schon die Vorgängerversion – die Möglichkeit, zusätzlich zum Mikrofonsignal eine externe Audioquelle einzuspeisen, etwa ein Playalong oder auch eine ganz normale CD, zu der man spielen möchte. Um ein Audiosignal einzuspeisen, benötigt man lediglich ein Kabel mit Mini­klinke. Dann kann ein Smartphone ebenso angeschlossen werden wie ein tragbarer CD- oder MP3-Spieler oder auch die große HiFi-Anlage im Wohnzimmer. Diese Möglichkeit ist – gelinde gesagt – großartig. Denn sie eröffnet ganz neue Perspektiven beim Üben mit Übungsdämpfer.

Auch im Vergleich mit dem Vorgänger­modell­ begeistert der neue »Silent Brass«. Das Dämpfer-Modul ist nicht nur signifikant leichter geworden, sondern auch klanglich wesentlich verbessert. Der Klangeindruck des Dosentelefons, der bei der Vorgängerversion noch mitschwang, ist völlig verschwunden. Und auch im Handling punktet der neue »Silent Brass«, denn das Klinkenkabel, das in den Dämpfer gesteckt wird, muss nicht mehr mit einer Überwurfmutter gesichert werden. Ein weiteres Plus: Silent Brass passt nun in den Schallbecher und kann so einfach im Koffer transportiert werden. Einzig die ­Anschlüsse am neuen »Personal Studio« machen keinen hundertprozentig ver­trauen­erweckenden Eindruck, und man ist geneigt, die Kabel vorsichtig ein­zu­stecken. 

Sportfreundlicher Trainingshelfer

Mit dem neuen »Silent Brass«-System ist Yamaha ein großer Wurf gelungen. Denn mit der Weiterentwicklung des Erfolgs­modells wird der Übungsdämpfer end­gültig von einer Behelfslösung zum Gute-Laune-Trainingshelfer, der nicht nur im ­Hotelzimmer Spaß macht, sondern auch abends und nachts zu Hause vor dem Fernseher, wenn die Fußballübertragung oder Biathlon oder Skispringen oder eine andere Sportsendung läuft. Hier komme ich nun endlich zum Geständnis, das meine Übe­gewohnheiten enthüllt. Denn ich freue mich nicht nur deshalb auf die Fußball-Weltmeisterschaft, weil ich gerne Fußball sehe, sondern weil ich meine technischen Übungen auch sehr gerne vor der Glotze mache. Und wenn ich daran denke, welche sportlichen Highlights in diesem Jahr über den Äther flimmern werden und welche Möglichkeiten der »Silent Brass« mir dabei bietet, wird mir ganz warm ums Trompeterherz.

Auch »Silent Brass« ist ein Übungsdämpfer

Um dem Aufschrei, der jetzt zwangsläufig durch die Reihen der Gelehrten geht, gleich in der Aufkeimphase zu begegnen: Trotz der großartigen Möglichkeiten, die Ya­maha mit dem »Silent Brass« bietet, sei hier noch einmal darauf hingewiesen, dass Tonübungen am besten »live« funktionieren. Und auch der beste »Silent Brass« ist und bleibt ein Übungsdämpfer, der in Sachen Blaswiderstand, Intonation etc. das Trompetenspiel ver­ändert. Von daher wird das Spiel mit dem »Silent Brass« die ernsthafte  und konzentrierte Übungseinheit ohne Dämpfer nicht ersetzen.

Es ist auch genervten Eltern von Blechbläser-Kindern davon ab­zu­raten, dem Kind einen Dämpfer zu verpassen, damit das nervige Getröte von »Old Mc Donald had a Farm«  und Co. endlich aufhört. Sie tun ­ihren Sprösslingen auf Dauer keinen Gefallen, auch wenn es die instrumentalen Anfänge für die Eltern erträglicher machen würde.

Aber unter all den Übungsdämpfern, die Blechbläsern helfen, auch in akustisch heiklen Umgebungen wie der ­eigenen Wohnung, wenn nebenan die Kinder (nach langen Diskussionen endlich) schlafen, ist der »Silent Brass« von Yamaha definitiv der König. Und von allen technischen und trainingstaktischen und sonstigen Wohltaten abgesehen, die das Üben mit dem »Silent Brass« bereithält: Das Ding ist nicht ganz billig, macht aber einfach Spaß!

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