Orchestra | Von Klaus Härtel

Sven Hellinghausen ist Kane McLean

Kane
Musiker der "Band of The Scots Guards" treten in der Guards Chapel während der Burns Night auf. Foto: Sgt Donald C Todd)

Dass Musik zur Völkerverständigung beitragen kann, ist kein Geheimnis. Einer, der für die gute Sache – und vor allem für die Musik – immer unterwegs ist, ist der Komponist Sven Hellinghausen. Ob nun der Papst, Prinz Albert von Monaco oder das britische Königshaus – keine Pforte bleibt dem Charme des Westerwälders verschlossen. Eine seiner Leidenschaften gehört den britischen Inseln. Hier hat er kürzlich sogar einen Kompositionswettbewerb gewonnen. Wir stellten “5 Fragen an Sven Hellinghausen” …

Sven Hellinghausen, mal ganz direkt gefragt: Wie viel Brite steckt in Ihnen? Oder anders gefragt: Wie viel haben Sie mit Kane McLean gemeinsam?

Ehrlich gesagt, mache ich mir langsam Gedanken um eine geteilte Persönlichkeit, da Kane immer mehr Raum einnimmt (lacht). In der Tat habe ich England und Schottland sehr in mein Herz geschlossen. Ich arbeite dort mit Orchestern, zeitweise auch als Principal Guest Conductor von “The King’s Studio Orchestra” der Univer­sität St. Andrews. Landschaftlich, geschichtlich, musikalisch und freundschaftlich habe ich das Gefühl, immer mehr mit Land und Leuten zu verschmelzen. Das Netzwerk wächst beständig und ich brauche nach meiner Rückkehr immer Zeit, meine Selbstgespräche nicht mehr auf Englisch zu führen (lacht).

Immer wieder zieht es Sie auf die britischen Inseln – was fasziniert sie daran so? Das Essen kann es ja nicht sein … 

Dass das britische Essen nicht schmeckt, halte ich für ein unangemessenes Stereotyp. Ich kann nur sagen: “Augen auf bei der Nahrungswahl” – dann schmeckt es überall. Ich freue mich jedes Mal darauf – ob im Restaurant oder bei Freunden.

Seit der Konzertreise mit “German Winds” 2019 kommen immer neue Regionen und Freunde dazu. Einer meiner beiden britischen Verleger ist im Vorstand der landesweiten “Windband Association”, eine Tatsache, die mir Zugang zu nahezu allen Orchestern in Großbritannien ermöglicht. Beide Verleger waren ehemalige Schulleiter an der legendären Militärmusikschule Kneller Hall in London und verfügen über ausgezeichnete Kontakte.

Gerade die Region der “Borders”, Northumberland und Südschottland, spricht mich landschaftlich und menschlich sehr an. Eine Mischung aus “Game of Thrones” mit einer unglaublichen Gastlichkeit, Verbindlichkeit und ehrlichen Freundschaft zieht mich stark in ihren Bann – ich kriege regelmäßig “Heimweh”… 

Es zieht mich aber auch in andere Regionen Europas – zum Beispiel an der Côte d’Azur, in Österreich oder der Schweiz sind intensive Netzwerke unter Freunden mit Hilfe der Musik entstanden.

Und welche Rolle spielt die Musik genau dabei? 

Auch, wenn meine sprachlichen Fähigkeiten stetig wachsen, ist die Musik die Sprache, die wir alle gleich gut und mit Leidenschaft sprechen. Sie war der Auslöser für diese unfassbaren Prozesse und sie ist das Öl, das den Motor am Laufen hält. Auch hier verlängert gelegentlich frisches Öl eine Verbesserung der Laufleistung. Alle Partner im Netzwerk sind flexibel und auch im Orchester »German Winds« findet stetig ein gesunder Wechsel statt. Das ist gut so und eines der Geheimnisse des Erfolges der Projekte vom Papst über Prinz Albert bis zur Deutschen Marine und zum britischen Königshaus.

Es gibt politisch viele Spannungen in Europa, aber die Musik glättet Unebenheiten und führt sensibel zu Verständigung und Versöhnung. Besonders habe ich das in der Royal Military Chapel, neben dem Buckingham Palace erfahren dürfen. Zerstört durch eine deutsche V2-Rakete mit 140 toten Messbesuchern, saß ich – rund 80 Jahre später – dort und durfte zuhören, wie das Leibregiment des Königs die Komposition eines deutschen Komponisten als Siegerstück aufführt. So etwas Wunderbares vermag nur die Musik.

Diesen Kompositions-Wettbewerb der Band of the Scots Guards zu gewinnen, ist aber noch mal eine andere Kategorie, oder? Wie kam es dazu? Und Hand aufs Herz: Was haben die da in London gesagt, als sie gemerkt haben: Kane McLean stammt gar nicht aus Westlothian sondern aus dem Westerwald? 

Ich stehe musikalischen Wettbewerben skeptisch gegenüber. Ich finde, dass es andere Möglichkeiten gibt, sich zu messen und dass Musik eigentlich einen anderen Zweck erfüllt. Dennoch habe ich nach dem Hinweis eines Freundes aus den Niederlanden die Komposition eingesendet. Natürlich unter meinem Pseudonym Kane ­McLean. Die Scots Guards, quasi die Vertreter Schottlands im Leibregiment des Königs, suchten für eine Veranstaltung, die Burns Night, die jährlich landesweit gefeiert wird, eine typisch schottische Komposition.

Als Major Williams in seiner Laudatio diese als “herausragend” und “Idealtyp einer Militärkomposition” lobte, die deren Studenten als Vorbild dienen könne, fragte ich mich zunächst, ob er wirklich mich meint. Ich hatte wohl inhaltlich als auch formal das abgeliefert, was sie sich erhofft hatten. Beim gemeinsamen Bier im Offizierskasino eröffnete er mir, dass er das Stück gerne auf dem Vorplatz des Buckingham Palace beim “Changing the Guards” spielen würde. Auch eine Aufführung im Rahmen der “Massed Pipes and Drums” beim großen Militärmusik-Tattoo in Edinburgh habe er im Blick.

Die Kompositionen wurden von einer hochkarätigen Jury anonym bewertet – der Name Kane McLean konnte somit – zumindest an diesem Punkt – niemanden verwirren. Es hat sich auch niemand irritiert gezeigt – was vielleicht auch daran liegen könnte, dass mein deutscher Akzent gerne als derbes “schottisch” aus einem ent­legenen Landesteil interpretiert wird (lacht).

What‘s Next? Welche Fährten der Angelsachsen nehmen Sie als nächstes auf?

Zum einen habe ich ein schönes “Ave Maria” für den Bischof von Edinburgh komponiert – sein international bekannter Chor wird es in Kürze uraufführen. Darauf bin ich sehr gespannt. Daneben schreibe ich an einer Dilogie über die Wikinger. Es sind zwei Konzertstücke, die thematisch zusammen gehören, aber auch getrennt aufgeführt werden können. Das erste zeigt die Wikinger als mordende Nordmänner, die das Kloster in Lindisfarne überfallen und Großbritannien in Angst und Schrecken versetzen. Der zweite Teil zeigt die Entwicklung der Wikinger zu einem bis Asien Handel treibenden Kulturvolk. Für beide gibt es natürlich Adressaten in Großbritannien und Dänemark…