Orchestra | Von Klaus Härtel

Sven Hellinghausen, wie hält man fünf Orchester bei Laune?

Sven Hellinghausen
Sven Hellinghausen im Gespräch mit BRAWOO-Redakteur Klaus Härtel

“Welchen Zweck erfüllt Musik? Für mich muss sie die Menschen bewegen. Sie lässt sich nicht in ein Regelwerk fassen, genau so wenig, wie die Menschen, für die sie gemacht ist. Sie kommt von Herzen und soll zu Herzen gehen. Direkt und unmittelbar.” (Sven Hellinghausen)

Für einen Menschen wie Sven Hellinghausen, Komponist und Dirigent, muss die aktuelle Corona-Krise die Hölle sein. Kein Kontakt, keine Arbeit – keine Musik? Aber Hellinghausen ist zudem unerschütterlicher Optimist. Er hat als Komponist nun jede Menge Zeit, um neue Werke zu schreiben! Und das tut er auch, denn an Ideen mangelt es dem 45jährigen Westerwälder sicherlich nicht. Der ist ein Macher – ohnehin schon und jetzt erst recht. 2017 hat er Papst Franziskus höchstpersönlich seine für den Heiligen Vater komponierte Messe in die Hand gedrückt. 

Das jüngste Werk ist die Vertonung eines Gedichtes, das ein englischer Franziskanerpater anlässlich der Corona-Krise verfasst hat. “Und in meiner altbekannten, penetranten Art habe ich den angerufen und gefragt, ob ich das vertonen darf…” Er durfte. Hellinghausen lacht. Und so schlummern noch weitere Werke in seinem Ideenstübchen und warten darauf, auskomponiert zu werden.

Doch ein Problem bringt die Krise natürlich auch für Komponisten mit sich. Zurzeit kann die Werke niemand aufführen. Zumindest nicht live und nicht vor Publikum. Aber auch hier macht Hellinghausen aus der Not eine Tugend. Und schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe. Denn einerseits versorgt er seine Musiker “mit seinem Stoff” und andererseits hält er sie so bei Laune. Und zwar digital. Denn anders hat er als Dirigent momentan nicht die Möglichkeit, an seine – fünf! – Orchester heranzukommen. Er müsse versuchen, diese so gut es eben geht, zu motivieren, sagt er. Hellinghausen gibt zu bedenken, dass seine Musiker allesamt Amateurmusiker seien. Er will damit sagen, dass einige von denen momentan sicherlich andere Sorgen hätten, als dass sie nicht in die Probe kommen können. Was er damit aber auch sagen will: Amateure lieben ihre Musik. 

In der Corona-Krise die Musiker bei Laune halten

Wie hält man in dieser “Corona-Zeit” die Orchester bei Laune? Mit Videos! Mit allen seiner Musiker ist Hellinghausen in regem Kontakt und sammelt per WhatsApp Videos ein. Diese baut er dann zu einem großen Ganzen zusammen. “Und es ist wie in der Probe: Wenn die Aufnahme nicht passt, dann muss der Musiker das noch einmal einspielen”, lacht der Dirigent. Also eine Art improvisierte Online-Probe und am Ende steht das “Konzert” in Form eines zusammengeschnittenen Videos. Die Mühe lohnt sich durchaus.

Jüngstes Beispiel ist der Zusammenschnitt von “Felton Memories“, eingespielt von “German Winds” und zahlreichen englischen Freunden – als International Music Project. Die Vorgeschichte dazu datiert aus dem Jahre 2017, als ein gemeinsames Konzert von 165 Musikern und Sängern im Petersdom in Rom stattfand. Hier wurde bereits die Idee zur nächsten Projektreise geboren: mit Alphörnern und Dudelsäcken 2019 nach Großbritannien. Name der Tour: “Scotland and the borders”. Der Gegenbesuch der Musiker, die man dort kennenlernte, sollte eigentlich nun stattfinden. Der wurde erst einmal vertagt – und ins Internet verlegt.   

Die Orchester bezahlen Sven Hellinghausen weiter

Damit, diese Videos zu schneiden, verbringe er definitiv mehr Zeit, als ein Mal in der Woche zu einer “echten” Probe zu fahren, weiß Sven Hellinghausen. Doch natürlich rechnet er das nicht auf. “Ich habe das große Glück, dass meine Orchester mich in der Krise weiter bezahlen.” Diese Videos seien nun etwas, seinen Orchestern etwas zurückzugeben. Der Dirigent weiß, dass es zahlreiche Musikerkollegen derzeit sehr schwer trifft. 

Wie lange “das Ganze” noch geht, weiß natürlich auch Sven Hellinghausen nicht. Und natürlich will der 45Jährige “wieder raus”. Er will, dass seine Werke auch auf der Bühne und nicht nur online gespielt werden. Aber er ist das optimistisch und bleibt gut gelaunt. Dass die Werke “demnächst” live gespielt werden, “wird sich nicht vermeiden lassen”, lacht er. Er hat schon leise Hoffnung, dass die Lockerungen in nicht allzu ferner Zukunft vielleicht zulassen, dass sich fünf Personen treffen. “Dann würde ich zumindest schon mal Registerproben abhalten”, plant er. Bis dahin übt er sich eben in Geduld. Die Ideen für neue Werke gehen ihm so schnell nicht aus.