Orchestra | Von Klaus Härtel

Tablet vs. Papier. Wie steht es um den Notendownload?

Notendownload
Fotos: Christian Mayr; elephas systems

Schöne neue digitale Welt? Sicher, vieles ist deutlich einfacher geworden, schneller. Während man früher im Musikalienhandel vorstellig werden musste, um in den Notenausgaben zu stöbern, hat der Online-Versandhandel längst einen großen Raum eingenommen. Der nächste Schritt: Notendownload. Das geht tatsächlich noch schneller, ist aber noch nicht überall angekommen. Wir haben uns mal bei Schott und Hal Leonard sowie beim Blasmusik-Shop umgehört. 

Notendownloads? „Kein Problem – geht schneller als mit der Post!“, sagen die einen. „Wenn man nicht gerade Adleraugen hat, braucht man schon einen 14-Zoll-Screen zum Lesen. Und wer hat den schon am Notenpult?“, fragen die anderen. Klar, das hap­tische Erlebnis fehlt am Bildschirm und um den Ausdruck kommt man wohl nicht herum, so­lange nicht an jedem Notenpult ein Tablet liegt. Ein anderer Vorteil, so schreibt uns ein User via Facebook: Via Download bzw. dem folgenden Ausdruck hat man tatsächlich nur das, was man braucht. „Man hat das Notenregal nicht voll mit Material, das man aus umwelttechnischen Er­wägungen eigentlich nicht haben wollte, oder man muss Einzelstimmen nachbestellen.“ Mittlerweile gibt es auch Notensätze, die nur noch digital zu bekommen sind. „Wer sich etwa den Notensatz von ‚Hamburg – Das Tor zur Welt‘ vom AuRen Musikverlag ­kaufen möchte, hat keine andere Wahl als den Notendownload.“

Viele Vorteile bei Notendownloads

Es gibt größere Verlage, die eigene Download-Portale realisiert haben oder die Downloads selbst über ihren Shop verkaufen. Kleinere Ver­lage lösen das oft über PDF-Versand per Mail, da dort die technischen Voraussetzungen fehlen, einen automatisierten Download-Vertrieb anzubieten. „Wir haben im Blasmusik-Shop mittlerweile die Möglichkeit geschaffen, dass Verlage ihre Downloadausgaben direkt über uns versenden lassen können. Der Kunde erhält sie direkt nach Bestellung und Bezahlung – der Verlag selbst hat keinerlei Aufwand damit“, erklärt Katja Klose vom Blasmusik-Shop. Einer dieser größeren Verlage ist Schott Music. Das Unternehmen bietet seit 2011 Notendownloads an, zuerst auf einer separaten Downloadseite, seit 2017 aber auch im „Schott-Shop“. Hal Leonard bietet sogar bereits seit 1997 digitale Noten auf sheet­musicdirect.com an, vier Jahre vor dem Start von iTunes. 

Die Vorteile liegen auf der Hand. Es besteht sofortige Verfügbarkeit weltweit, digitale Noten sind bequem – auch in einer Cloud – zu sammeln und leicht zu transportieren. Käufe sind jederzeit abrufbar und gegebenenfalls auch wiederherstellbar. Die Einzelstimmen werden in der Regel separat angeboten. Oftmals haben digitale Ausgaben auch einen günstigeren Verkaufspreis. Bei Schott etwa spart man 30 Prozent gegenüber der Printausgabe. Vor allem die Auswahl ist ­immens. Vor allem werden digital durchaus noch Werke angeboten, die nicht mehr in gedruckter Form erhältlich sind. Auch können Verlage schneller auf den Markt reagieren. „Neue Popsongs können zum Beispiel sehr schnell veröffentlicht werden“, erklärt Lea Herrscher von Hal Leonard. 

Durch die digitale Verknüpfung besteht zusätzlich die Möglichkeit der Interaktivität. So sind bei digitaler Verwendung die Wiedergabe, die Transposition oder die Anpassung der Notation an das jeweilige Gerät machbar.

Die Kunden haben die Wahl

Die Kunden haben die Wahl: Ausdruck und/oder Verwendung auf dem Tablet. Hier tauchen dann aber doch auch Nachteile auf: Man hat „lose Blätter beim Ausdruck, also keine hochwertig gebundene Ausgabe“, gibt Robert Schäfer von Schott Music zu. Und „bei digitaler Verwendung auf dem Tablet ist nur die einseitige Darstellung sinnvoll möglich, was also häufigeres Blättern“ nach sich zieht. 

Technisch gibt es im Verlagswesen noch keine einheitliche Vorgehensweise. Einige Verlage arbeiten mit Hochdruck an eigenen Systemen. Bei Schott wird jede gekaufte Notenausgabe im PDF-Format automatisch mit einem Wasserzeichen versehen, das die Transaktionsnummer, das Datum, den Namen des Käufers und die Anzahl der Lizenzen enthält. Der Kunde bekommt dann den Downloadlink per Mail zugeschickt. Hal Leonard verkauft digitale Noten über die firmeneigene interaktive Notensoftware „Note­flight“ und bietet dem Kunden PDFs zum Herunterladen an.

Beim Blasmusik-Shop arbeitet man in zwei ­Varianten. „Wenn der Verlag seine Download-PDFs nicht auf unserem Server hinterlegt hat, bekommt er bei Kundenbestellung eine Mail von uns und er verschickt das Noten-PDF dann selbst an den Kunden.“ Einfacher für den Verlag ist Variante 2: Das PDF liegt auf dem Server des Blasmusik-Shops und der Kunde erhält automatisiert eine E-Mail mit PDF nach Bestellung und Bezahlung. Die Kontrolle hat der Verlag natürlich weiterhin. Der nämlich erhält über jede Be­stellung eine Mail zur Abrechnung bzw. kann im Verlagsportal seine Downloads nachschauen. „Die Ausgaben werden jeweils für den Kunden bzw. das Orchester lizenziert mit einem Lizenzeindruck auf den Seiten“, fügt Katja Klose an. 

Auch Orchestermaterial

Derzeit ist die Vorstellung noch schwer, dass jede Musikerin und jeder Musiker sowie der Dirigent ein Tablet vor sich auf dem Notenständer liegen hat. Und das merken die Verlage auch, wenngleich tatsächlich „auch immer mal wieder größere Blasorchester-Werke dabei“ sind, wie Katja Klose anmerkt. Ansonsten nehmen die Bestellungen von digitalen Ausgaben vor allem in den Bereichen Solo- bis hin zu kleineren Ensemble-Werken zu. Ein Trend, den auch Schott und Hal Leonard bestätigen. „Als Downloads wird bei uns vor allem urheberrechtlich geschütztes Repertoire gekauft“, fügt Robert Schäfer an, denn Scans von urheberrechtlich freiem Repertoire gebe es auf diversen Seiten kostenlos. 

„Orchesternoten werden als Leihmaterial an­geboten. Wenn Orchester möchten, stellen wir ihnen das Stimmenmaterial auch digital für die Leihperiode zur Verfügung – über die App Newzik. Die meisten Orchester sind aber noch nicht mit iPads ausgestattet“, so Schäfer. Deshalb werden Orchesterausgaben wohl meist ausgedruckt, wenngleich die Tablet-Nutzung mit den größeren Modellen zunimmt. „Solomusiker oder kleinere Ensembles spielen schon öfter vom ­Tablet“, weiß Katja Klose. 

Die Frage bleibt: Lohnt sich das?

Für den Kunden hat der Notendownload also überwiegend Vorteile, zumal die Technik hier stetig voranschreitet. Bleibt letztlich noch die Frage an die Verlage: Lohnt sich das? Wie groß ist die Nachfrage? „Das ist in der Corona-Zeit schwer zu sagen“, erklärt Katja Klose für den Blasmusik-Shop, „da aufgrund der Situation generell wenig große Orchesterausgaben gekauft werden.“ Aber eine steigende Zahl an Download-Bestellungen kann sie bestätigen. Robert Schäfer für Schott Music: „Wir verzeichnen seit dem Start vor zehn Jahren ein stetiges Wachstum, durch die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Lockdowns sind die Downloads im letzten Jahr noch mal sehr stark gestiegen. Der Anteil am Gesamtumsatz des Verlages ist aber noch verhältnismäßig gering.“

Auch Lea Herrscher unterstreicht das für Hal Leonard: „Es gibt inzwischen einen etablierten Markt für digitale Noten, der immer weiter wächst. Was in den letzten Jahren deutlich geworden ist, ist die Tatsache, dass es für viele Musiker keine Entweder-Oder-Entscheidung zwischen gedruckten und digitalen Noten ist, sondern dass vielmehr beide Formate wegen ihrer jeweiligen Stärken gekauft werden.“

Wir sprachen auch mit Dr. Johannes Ulbricht über die rechtliche Seite der Notendownloads.