Musik ist eine Kernkompetenz der menschlichen Kommunikation und konstituierend für die persönliche Identität. Sie muss daher ein integraler Teil jeder Human-Bildung sein, die diesen Namen verdient.
Der Wissenschaftshistoriker Ernst Peter Fischer (geb. 1947) erinnert sich, dass bei der Verleihung seines Reifezeugnisses einst der Schuldirektor eine Rede hielt. Darin fiel der Satz: „Gute Noten in den Naturwissenschaften sind durchaus erfreulich, aber ob jemand reif ist, das erkennt man erst an seiner Deutschnote.“ Nach dieser Ansicht wäre menschliche Reife ganz gebunden an den sprachlichen Ausdruck, an Literatur, Reflexion und Philosophie. Nicht nur die Naturwissenschaften stünden demnach außerhalb der gymnasialen Idee von Reife und Bildung, auch die Musik wäre ein zweifelhafter Fall.
Schon in der Antike unterschied man zwischen den sprachlich-reflexiven Disziplinen (Grammatik, Rhetorik, Logik) und den mathematisch-physikalischen Fächern (Arithmetik, Geometrie, Astronomie). Die Musik, ganz theoretisch-systematisch gedacht, wurde damals dem zweiten Bereich („Quadrivium“) zugeordnet. Eine solche Reduktion von Musik auf bloße Zahlen ist ein Erbe des Pythagoras. Der griechische Philosoph sah in den ganzzahligen Verhältnissen der Intervalle ein Indiz dafür, dass der Kosmos mathematischen Gesetzen unterliege. Auch Descartes und Leibniz verstanden Musik noch als „arithmetische Übung“.
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