Wood | Von Hans-Jürgen Schaal

Tenor Battle. Das Stichwort

Tenor
Foto: legendary saxophones

Der Tenorsaxofonist Don Byas galt als streitsüchtig: “Er suchte immer jemanden, dem er’s zeigen konnte”, sagte sein Tenorkollege Eddie “Lockjaw” Davis. Beide wurden große Tenor Battle-Helden.

Bei den Alten Griechen hieß der Wettkampf “Agon” und sollte den Krieg ersetzen. Im antiken Olympia etwa trafen sich bekanntlich die Delegationen der Stadtstaaten alle vier Jahre, um in diversen Sportarten gegeneinander anzutreten. Etwa im Stadionlauf, Ringkampf, Diskuswurf oder Wagenrennen. Wettkämpfe gab es aber auch auf musikalischem Gebiet, zum Beispiel bei den Pythischen Spielen in Delphi. Dort wetteiferten regelmäßig die Aulosspieler miteinander. Im Jahr 490 v.d.Z. soll ein gewisser Midas aus Agrigent der Sieger gewesen sein. Der Dichter Pindar feierte ihn in einer Ode. 

Musikalischer Wettstreit kommt in vielen Kulturen vor. Bei den Inuit wurden Streitigkeiten traditionell mit Trommel-Konkurrenzen oder Schmähliedern ausgetragen – das erinnert ein wenig an heutige Fangruppen im Fußballstadion. Selbst in der Welt der klassischen Musik gab es immer Wettstreit, wobei es da meistens darum ging, wer der größere Virtuose ist. Scarlatti und Händel trafen sich einmal zum Duell, die Waffen waren Orgel und Cembalo. Johann Sebastian Bach sollte sich mit Louis Marchand messen (der kniff aber), Mozart wetteiferte mit Clementi. Auch Beethoven, Liszt, Chopin haben gelegentlich musikalische Zweikämpfe geführt. 

Wettstreit in der DNA

Bei den frühen Jazzmusikern war der Wettstreit sozusagen in der DNA verankert. Jazz und der moderne Sport sind ja gemeinsam groß geworden – das Wort “Jazz” stammt angeblich sogar aus der Baseball-Sprache. Bis heute beherrschen Sport- und Leistungsmetaphern die Jazzwahrnehmung: Wer spielt schneller, höher, lauter? Schon im alten New Orleans traten die Paradebands gegeneinander an, kämpften die Kornettisten um den Titel des “Trumpet King”. In den Tanzsälen der Swing-Ära dann kam es häufig zu »Band Battles« auf zwei Bühnen, der Jubel des Publikums entschied den Kampf.

Es war ebenfalls in der Swing-Ära, als das Tenorsaxofon zum führenden Jazz-Instrument wurde. Alle Bigbands wünschten sich damals einen Tenoristen, so laut, so aggressiv wie Coleman Hawkins. Der Bandleader Count Basie war wahrscheinlich der Erste, der gleich zwei starke Tenorspieler aufstellte und ihren Wettkampf zu einem Höhepunkt seiner Bandauftritte machte. Bei ihm kämpfte Lester Young gegen Her­shell Evans, Paul Quinichette gegen Eddie “Lockjaw” Davis. Kansas City, wo Basie herkam, galt als die Hauptstadt der Jamsessions und “Battles”. 

Tenor Battle war lange Zeit eine Institution

Der/die/das Tenor Battle war in der Jazzwelt lange Zeit eine Institution. Auf dem Tenorsaxofon messen die Kombattanten ihre Virtuosität, Ausdauer und Kraft, auch ihre Spielintelligenz, Schlagfertigkeit und Strategie. Das Tenoristen-Duell ist eine Art Blas-Sport, aber es ist auch ein Macho-Ritual. Im Battle-­Tenoristen steckt immer auch ein gutes Stück vom gefährlichen Revolver- und Maulhelden, vom antiken Gladiator und vom großspurigen Rapper. Die mittelalterlichen Troubadoure sangen um die Gunst der hohen Damen, die modernen Tenoristen streiten um den Respekt der Szene und die Street Credibility.

Ein bekanntes Battle-Gespann bildeten einst Dexter Gordon und Wardell Gray in Los Angeles. Sie jammten die ganze Nacht durch, “aber am Ende”, so erzählte Gordon, “waren immer nur Wardell Gray und ich übrig – und die Rhythm Section.” Gordon gehörte zu den Tenorsaxofonisten, die den aggressiven Wettkampf mit dem Instrument ganz besonders liebten – es ist ja auch eine Temperamentfrage. Andere große Kämpfer waren Coleman Hawkins, Don Byas, Eddie Davis, Gene Ammons oder Sonny Stitt. Gelegentlich wurde das Duell von Produzenten eigens forciert, indem sie einfach zwei Kombattanten im Studio zusammenführten und “heiß” aufeinander machten wie zwei Kampfboxer: Webster vs. Hawkins, Hawkins vs. Rollins, Rollins vs. Stitt. Auch, dass vier Tenoristen auf einmal in den Löwenkäfig gesperrt wurden, war keine Seltenheit. Der Beste hat überlebt, sozusagen.

Bisher erschienen: “Stichwort Rohrblatt-Trio“, “Stichwort Saxofonquartett“, “Stichwort Marsyas” und “Stichwort Tristantrompete”, “Stichwort Naturtonreihe”, Stichwort Saxofonkonzert, Stichwort Sarrusofon, Stichwort Gucha, Stichwort Jazzsolo, Stichwort Orgel, Stichwort Posaune, Stichwort Multiphonics, Das Blechbläserquintett, Die Duduk. Die Aida-Trompete, Das Xaphoon, Der Rattenfänger, Der Zink, Die Sackpfeife, Der Hardbop, Das Flügelhorn, Der Stimmton, Die Windkapsel, Der Dämpfer, Das Flötenkonzert, Die Wagnertuba, Die Mundharmonika, Das Bathyfon