Lernen mit Musik – ein Thema, das nicht nur zwischen Eltern und deren schulpflichtigen Kindern diskutiert wird. Auch die Wissenschaft hat das Thema auf der Agenda. Und die ein oder andere Streaming-Plattform nutzt das, um den Usern die besten Playlists zum Lernen anzubieten. Gleichzeitig lernen und Musik hören – geht das überhaupt? Wir haben nachgefragt.
Herr Theinert, das Thema in diesem Monat lautet »Lernen mit Musik – Mathe-Ass mit Mozart-Effekt«… Ich habe während meines Studiums am besten in der Universitätsbibliothek lernen können, die doch ein Ort der relativen Stille bedeutete. Ist das ungewöhnlich?
Nein, absolut nicht. Ich glaube sogar, dass sich die meisten Menschen ohne akustische Ablenkung besser auf ein Sujet konzentrieren können. Denn gerade für einen musikalischen Menschen bzw. jemanden, der selbst aktiv musiziert, wird Musik in jedem Fall mit allen anderen Wahrnehmungen konkurrieren. Man hat doch das Bedürfnis, einzusteigen, sich zu engagieren. Deshalb besteht sicherlich ein Unterschied zwischen Menschen, die Musik lediglich als Berieselung verstehen, und solchen, die selbst aktiv musizieren.
Wenn Musik nur als akustischer Hintergrund zum Neutralisieren anderer Geräuschkulissen verwendet wird, und wenn diese einen gleichmäßigen Puls und wenig verändernde Strukturen enthält, dann mag es für manche Leute durchaus möglich sein, Lernen mit Musik zu »untermalen«.
Auf der anderen Seite kann es uns vollständig aus dem Lernprozess herausbringen. Ich kann Ihre Feststellung mit der Universitätsbibliothek durchaus nachvollziehen, weil ich selbst genauso gebaut bin. Ich werde bereits durch die intimste Beschallung in einem Restaurant sofort hineingezogen und kann mich der Identifikation mit dem musikalischen Material gar nicht entziehen.
Dann bin ich im Grunde von jeder Konversation abgelenkt. Und wenn ich mich dann auch noch auf etwas komplexere Formen einer sinfonischen Komposition konzentrieren muss, wird eine solche Hintergrundmusik schnell zum Vordergrund meiner Wahrnehmung.
Musik – also wirklich aktiv – hören und gleichzeitig lernen, geht das überhaupt? Oder ist da die Musik lediglich die »Gleichschaltung der Hintergrundgeräusche«?
Dass es irgendwie geht, beweisen ja Generationen von Schülern, die sich mit dem Kopfhörer im Ohr an die Hausaufgaben machen. Auch am Arbeitsplatz sieht man immer mehr Menschen, die sich mit Musikaufnahmen berieseln lassen. Also gibt es doch Menschen, die das irgendwie hinbekommen, Musik zu hören und sich »gleichzeitig« mit etwas anderem zu beschäftigen.
Aber: Wir alle sind mit nur einem Bewusstsein ausgestattet und deshalb besteht keine Möglichkeit, dass wir uns wirklich mit zwei simultanen Ereignissen auseinandersetzen, die in keiner erlebbaren Relation zueinander stehen und sich auf zwei getrennten Wahrnehmungsebenen befinden. Denn entweder ist mein Bewusstsein auf die Verarbeitung musikalischer Ereignisse gerichtet oder eben auf den intellektuellen Lernprozess. Die aktive Beschäftigung mit dem Gehörten schließt das zweite aus.