Am 11. Juli 2017 feiert einer der bekanntesten Jazzmusiker Europas seinen 75. Geburtstag: der polnische Trompeter Tomasz Stańko. Rechtzeitig zum persönlichen Jubiläum ist sein neues Album »December Avenue« erschienen. Es bietet zeitlose Trompeten-Melancholie, aber ganz ohne Traurigkeit.
Entstanden ist das neue Album im vergangenen Sommer im sonnigen Südfrankreich. Das Cover allerdings vermittelt eine ganz andere Stimmung. Winterliches Central-Park-Feeling, kahle Bäume, grauer Himmel, Reste von Schnee. »New York Quartet« steht darauf. Und: »December Avenue«.
Stańko in der Jazz-Hauptstadt New York
Seit einem Jahrzehnt hat der Trompeter Tomasz Stańko seinen Zweitwohnsitz in New York, der Hauptstadt des Jazz. Sie sollte für ihn ein Rückzugsort werden, ein Ort der Regeneration, der Inspiration und Meditation: das eigene Apartment, der Central Park, vor allem die Kunstmuseen.
Der Trompeter lässt sich in seiner Musik nämlich gerne von Malern und Schriftstellern anregen. »Ich liebe New York«, sagt er. »Ich bin hier vor allem als Kunstkonsument. Ich genieße die vielen Museen hier. Ich drehe meine Runde durch den Park, übe Trompete und mache meine Yoga-Übungen. Ich habe keinen festen Tagesablauf, ich lasse mich gerne treiben. Aber ich denke den ganzen Tag über Kunst nach. Ich mag auch alte Philosophie und Literatur, Platon und Faulkner. Meine größte Freude ist es, dass ich ein Teil des Kunstschaffens bin.«
Das New York Quartet
Doch der Trompeter aus Polen blieb in New York nicht lange der stille Museumsbesucher – schließlich waren da auch noch die vielen Jazzclubs der Stadt. »Ursprünglich wollte ich nur die Stadt genießen, in der der Jazz so wichtig war. Die Stadt, wo ein Charlie Parker, Miles Davis und Duke Ellington so großartige Musik gemacht haben. Aber dann lernte ich ein paar tolle Musiker kennen.«
Vor vier Jahren erschien das erste Album seines neuen New Yorker Quartetts. Mit »December Avenue« folgt jetzt das zweite. Stańkos Begleitmusiker darauf sind alle in der New Yorker Szene zu Hause: der Pianist David Virelles, geboren auf Kuba; der Bassist Reuben Rogers, geboren auf den Virgin Islands; der Schlagzeuger Gerald Cleaver, geboren in Detroit.
Was diese drei auszeichnet, ist ihre stilistische Offenheit, ihre selbstständige Kreativität, ihre spontane Detail-Erfindung, ihre Fähigkeit zu weiten Bögen. Genau solche Musiker braucht Stańko. Denn seine musikalischen Vorgaben bestehen oft nur aus einer kleinen Melodie, einer Tonfolge, einer Tonleiter. Oder aus noch weniger: einer melancholischen Anmutung.