Wood | Von Jürgen Wieching

Tontechnik für Holzbläser

Abbildung 1: Schematische Abstrahlcharakteristik der Klarinette: Wichtig ist auch die Reflexionen der hohen Frequenzanteile des Schallbechers zum Beispiel am Boden oder auch an Noten­pulten zu beachten (Fotos: Jürgen Wieching)

Bei Holzblasinstrumenten wird der Ton nicht ausschließlich über den Schalltrichter, sondern auch über die Grifflöcher abge­geben. Was muss bei der Mikrofonierung von Holzblasinstrumenten aufgrund dessen berücksichtigt werden?

Bei der Mikrofonierung besteht ein wesent­licher Unterschied zwischen Holz- und Blechblasinstrumenten darin, dass bei Holzblas­instrumenten die Tonhöhe hauptsächlich durch Schließen und Öffnen der Grifflöcher bestimmt wird. Hierdurch wird eine Längenveränderung der schwingenden Luftsäule und dadurch eine Tonhöhen­ver­änderung bewirkt. Das bedeutet aber auch, dass der Ton bei Holzblasinstrumenten nicht nur über den Schalltrichter, sondern zu einem wesent­lichen Teil auch über die Grifflöcher und den Korpus abgegeben wird.

Die Obertonstruktur

Genau wie bei den Blechblasinstrumenten wird auch der typische Klang von Holzblasinstrumenten geprägt durch die Obertonstruktur. Auch hier sind die bereits im letzten Workshop erwähnten Formanten – typische, instrumentenabhängige Obertonstrukturen – für den charakteristischen Klang des Instruments verantwortlich.

Unterschiede zwischen Holz- und Blechblas­instrumenten zeigen sich in der Zusammensetzung der Obertonstruktur. Die Platzierung eines Mikrofons zur Abnahme eines Holzblasinstruments wird dementsprechend anders aussehen als bei einem Blechblasinstrument.

Charakteristische Eigenarten von Holzblasinstrumenten

Klarinette: Der Klang der Klarinette ist sehr komplex. Er verändert sich abhängig vom Ton­bereich deutlich. So lassen sich drei Register unterscheiden, die eine unterschied­liche Obertonstruktur aufweisen. Das tiefe Register ist dabei obertonreich, das höchste Register wird durch den Grundton und Formanten zwischen 3 und 4 kHz geprägt. Besonders zu beachten ist die große Dynamik der Klarinette, die einen starken Einfluss auf den Obertonaufbau hat. Im ­Pianissimo der eingestrichenen Oktave reicht das Spek­trum nur bis ca. 1,5 kHz, während ein For­tis­simo Klanganteile bis 12 kHz aufweist.

Die Klarinette, wie auch andere Holzblas­instrumente, strahlt Klanganteile bis 1 kHz überwiegend über die Grifflöcher ab. Mit zunehmender Frequenz wird der Abstrahlbereich stärker auf den Schalltrichter fokussiert. Auf Abbildung 1 ist das frequenzabhängige Abstrahlverhalten der Klarinette schematisch dargestellt.

Saxofon: Im Gegensatz zur Klarinette hat das Saxofon einen konischen Korpus. Im Klang des Saxofons sind die ersten Obertöne stark ausgebildet. Die Form des Korpus ist der Grund für eine andere Obertonstruktur, die sich trotz der gleichen Tonerzeugung durch ein einfaches Rohrblatt von der Klarinette unterscheidet.

Aufgrund des nach oben gerichteten Schall­bechers fallen die Zonen der Abstrahlung tieferer und höherer Klangkomponenten im Nahbereich stärker zusammen.

Flöte (Querflöte): Bei der Flöte ist der Grundton im Klangspektrum stärker ausgeprägt als bei ­allen anderen Blasinstrumenten. Formanten sind kaum festzustellen. Die höchsten Klangkomponenten liegen bei 3 bis 6 kHz.

Mikrofonauswahl und Mikrofonplatzierung

Grundsätzlich werden mit Holzblasinstrumenten nicht so hohe Schallpegel wie mit Blechblas­instrumenten erzeugt. Das lässt in jedem Fall auch die Nutzung der empfind­licheren Kondensatormikrofone zu. Ent­scheidend ist, dass der Frequenzverlauf des ausgewählten Mikrofons die wichtigen Frequenzbereiche und Formanten des zu verstärkenden Instruments nicht über- oder unterbetont.

Die Auswahl der Richtwirkung des Mikrofons ist abhängig von der Spielsituation: Eine tendenziell stärkere Isolierung des gewünschten Signals lässt sich mit einer Hypernieren-Richtcharakteristik erzeugen. Es muss aber bedacht werden, dass der Aufnahmebereich eines Holzblasinstruments keine punktuelle Schallquelle darstellt, sondern sich mehr oder weniger über das gesamte Instrument erstreckt.

So lässt sich ein Mikrofon mit stärkerer Richtcharakteristik möglicherweise besser einsetzen, wenn die Entfernung zum In­stru­ment oder den Instrumenten eher etwas größer (mehr als ca. 50 bis 60 cm) ist. Ein Mikrofon mit breitem Aufnahmebereich (Nierencharakteristik) ist dagegen vielleicht besser für die Aufnahme im Nahbereich des Instruments geeignet. Außerdem ist die „Rückwärtsdämpfung“ von „Nieren“-Mikrofonen besser als von „Hypernieren“.

Klarinette: Die Ausrichtung des Mikrofons im Nahbereich gestaltet sich bei Holzblas­instru­men­ten schwierig. Wie auf Abbildung 1 zu sehen ist, gibt es zum Beispiel bei der Klarinette wie auch beim Sopransaxofon unterschiedliche Bereiche unterschied­licher Frequenzabstrahlung. Idealerweise würden dafür zwei Mikrofone eingesetzt werden. Der Fachhandel hält hierfür auch entsprechende Lösungen bereit.

Ein guter Kompromiss lässt sich aber erzielen, wenn das Mikrofon nicht zu nah auf den unteren Teil des Korpus, oberhalb des Schalltrichters, ausgerichtet ist. Eine Ausrichtung auf den Schalltrichter würde im Ergebnis einen scharfen, engen Ton liefern, der nicht dem natür­lichen Klang des Instruments entspricht, da in diesem Bereich der Anteil der hohen Frequenzanteile des Tons überrepräsentiert ist.

Beispiel 1: Dynamisches Mikrofon mit Nierencharakteristik (Audio-Technica AE 2300) auf ei­nem niedrigen Stativ.

Diese Position lässt sich leicht mit einem niedrigen Mikrofonstativ (siehe Beispiel 1) oder aber auch mit einem Clip-Mikrofon, welches am Trichter oder mit einer speziellen Halterung am unteren Teil des Instruments befestigt wird, erreichen.

Beispiel 2: Kondensatormikrofon mit Nieren­charakteristik (Audio-Technica Pro 35) am Notenpult.

Ein Clip-Mikrofon lässt sich aber auch sehr gut am Notenpult be­fes­tigen und kann von dort sogar gegebenenfalls für Solopassagen an das In­stru­ment geclipt werden (Beispiel 2).

Tenor- und Altsaxofon: Beim Tenor- oder Altsaxofon sind die Tonbereiche im Nahbereich nicht so stark getrennt, da diese durch den nach oben gerichteten Schalltrichter stärker zusammengeführt werden. Dennoch ist von einer ­Ausrichtung des Mi­kro­fons in den Schalltrichter abzuraten.

Zunächst gilt auch für das Saxofon, dass im Bereich des Schallbechers die ­hohen Frequenz­anteile des Klangs dominieren, der Ton klingt tendenziell hart oder scharf – das kann allerdings auch hilfreich sein, wenn der Grundton eher matt ist und etwas mehr „Präsenz“ gewünscht wird.

Ein anderer Aspekt ist, dass die hohen Töne in beiden Oktaven ab dem „g“ aus den Tonlöchern im oberen Bereich des Korpus kommen, die tieferen und ganz tiefen Töne aber stärker durch den Schallbecher tönen. Durch eine Ausrichtung in den Schallbecher können die tiefen Töne deshalb etwas „bollerig“ und unkontrolliert klingen, während die höheren Töne eher etwas zurückbleiben.

Beispiel 3: Das Mikrofon »zielt« über den Schallbecher auf die Mitte des Saxofonkorpus.

Eine bewährte Ausrichtung des ­Mikrofons zeigt die Abbildung mit Molly Duncan von der „Average White Band“ am Tenorsaxofon (Beispiel 3).

Querflöte: Ein ausgewogener und weicher Ton lässt sich oberhalb der Tonlöcher abnehmen. Wenn die Anblasgeräusche auch übertragen werden sollen empfiehlt sich eine Mikrofon­position in der Nähe des Mundstücks. Einen gleichmäßigen Klang wird man am ehesten mit einem ­Mikrofon erreichen, das sich in einem Stativ oberhalb der Flöte in einem Abstand von ca. 0,5 bis 1 m be­findet. Zur besseren Dämpfung der Umgebungs­geräusche könnte dieses ein gerichtetes ­Mikrofon (Hyperniere) sein. Ein Kondensatormikrofon leistet in diesem Zusammenhang wegen der guten Auflösung gute Dienste.

Für mehr Bewegungsfreiheit hat sich auch der Einsatz eines Kopfbügelmikrofons als sehr geeignet erwiesen. Durch die Ausrichtung der Kapsel lassen sich die Luftgeräusche des Anblasens gezielt in den Gesamtklang inte­grieren. Der große Vorteil gegenüber ­einem Clip-Mikrofon, welches mit einer speziellen Halterung an der Flöte befestigt wird, ist, dass das Kopfbügelmikrofon auch einen unkomplizierten Instrumentenwechsel zum Beispiel zur Piccoloflöte zulässt.

Bis dahin, keep on rockin’

Jürgen Wieching

Infos:

Dieser Beitrag ist Teil einer Serie zur Mikrofonierung im Blasorchester. Die bereits ver­öffentlichten Beiträge können gerne bei der Redaktion angefordert werden: redaktion(at)brawoo.de

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