Orchestra | Von Hans-jürgen Schaal

trompete aus der stille – miles davis (1926–1991) wäre am 26. mai 80

Die Musiker machen die Musik. Das klingt wie eine Binsenweisheit. Doch im Fall von Miles Davis war es ein lebenslanges und höchst erfolgreiches Credo. Musik wollte er nicht als etwas Vorgefertigtes und Abrufbares verstehen, sondern als einen künstlerischen Prozess, dessen Verlauf und Ausgang von den Mitwirkenden abhängt. Deshalb ging er häufig mit nur minimalen Vorgaben zu Werke. Deshalb umgab er sich mit hervorragenden Musikern, die das Fleisch zum Skelett zu liefern hatten. Deshalb wusste er nie vorher, wohin die Reise ihn führt. Deshalb setzte er seine Musiker unter Druck, über sich hinauszuwachsen. Deshalb war er derjenige, der die meisten Bandleader hervorbrachte. Deshalb war er derjenige, der die meisten stilistischen Umbrüche verursachte. Deshalb war er der größte Richtungsgeber im modernen Jazz. Deshalb war er Miles Davis.

Das nötige Selbstbewusstsein brachte Miles schon von zu Hause mit. Anders als die meisten Jazzmusiker seiner Generation – ob schwarz oder weiß – kam er aus einer wohlhabenden, gebildeten Familie. Sein Vater besaß drei akademische Abschlüsse, führte in East St. Louis eine Praxis als Zahnarzt und Kieferchirurg, spielte gerne Golf und hatte politischen Einfluss in der Stadt. Miles’ Mutter war die Musische, eine elegante, schöne Frau, die in ihrer eigenen Welt lebte und – so der Sohn – nicht mal kochen konnte. Sowohl den Erfolgswillen des Vaters als auch die Unnahbarkeit der Mutter kann man bei Miles wieder finden. Er hatte keinen Respekt vor Autoritäten, konnte brüskieren und gewalttätig werden. In seiner Autobiografie erzählt er stolz, dass er mit 14 Jahren erstmals einen erwachsenen Weißen beleidigt hätte.

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