Brass, Orchestra, Wood | Von Kristin Thielemann

Trompetenfuchs und Co. Welche App ist hilfreich?

APP

Schülerinnen und Schüler lieben Smartphones, Tablets, und die neueste Technik fasziniert ohnehin viele. Kristin Thielemann, Musikerin, Fortbildungsdozentin und Autorin des Musikpädagogik-Bestsellers „Voll motiviert – Erfolgsrezepte für Ihren Unterricht“ hat sich auf dem App-Markt umgeschaut und für diesen Beitrag Bewährtes, aber auch Neues unter die Lupe genommen. Von „Practice Tools“, „Loop HD“ über „Anytune“ und die App der „WDR Bigband“ bis hin zur nagelneuen Trompetenfuchs-App. Welche der kleinen Programme kann die Musikerin empfehlen, welche sind ihr Geheimtipp für den Musikunterricht?

Practice Tools 

Sie nutzen ein Metronom, ein Stimmgerät und einen Audio-Recorder auf ihrem Smartphone oder Tablet? Dann ist „Practice Tools“ eine benutzerfreundliche App, die alle drei Komponenten in sich vereint. Übersichtlichkeit ist einer der großen Pluspunkte an „Practice Tools“: Bereits auf der Startseite erscheinen alle drei Anwendungen untereinander. Das Metronom bietet alles zwischen 0 und 240 bpm, was das Musikerherz begehrt – auf Wunsch unterteilt in Viertel, Achtel, Triolen und Sechzehntel – und kann das Metrum zu verschiedenen gängigen Taktarten abspielen.

App Practice Tool

Das Stimmgerät kann bei Bedarf zum Metronom hinzugeschaltet werden. Ein tolles Plus. Die Aufnahmefunktion ist wie auch die beiden anderen Features des Programms sehr übersichtlich. Direkt aus der App heraus können die User auf alle gängigen Kanäle (Mail, Nachrichten, WhatsApp und vieles mehr) teilen. Ein Aufnahmestudio ist »Practice Tools« allerdings nicht, sondern es bietet lediglich eine Klang­qualität ähnlich einer Diktiergeräte-App. 

Ob man nun ein Konto einrichten und die in der App gesammelten Punkte in den Shops von Schagerl, Idagio oder Paganino einsetzen möchte, bleibt der Nutzerin bzw. dem Nutzer selbst überlassen. Tech­nische Spielereien sucht man vergeblich – daher ist „Practice Tools“ auch so übersichtlich und selbst für den Einsatz im Anfängerunterricht sehr gut geeignet. Entwickelt in der Hochschule der Künste Berlin, steht „Prac­tice Tools“ auf Android- und Apple-Geräten zudem kostenfrei zum Download bereit. 

D1-Coach für Musiktheorie

Ursprünglich als Hilfestellung für Schülerinnen und Schüler mit Lernschwierigkeiten bei den D1-Theorieprüfungen gedacht, ist der „D1-Coach“ nun auch schon außerhalb der Blasmusik-Szene bekannt geworden. Für knapp 5 Euro bekommen die User Trainingsmöglichkeiten zu verschiedenen Bereichen der Musiktheorie: Notenlesen, die Benennung von musikalischen Zeichen und Fachbegriffen, Übungsaufgaben zu Enharmonik, Vorzeichen, Takten, Pausen, Notenwerten, Ton­leitern, der Rhythmusnotation, Melodiediktaten und sogar Epochen bietet diese Applikation. Häufig im Multiple-Choice-Style kreidet der „D1-Coach“ jedes falsche Ergebnis sofort an und zeigt, wie es richtig geht. Ganz ohne Lehrkraft geht es nicht, denn die App erklärt nicht, sondern ist ein Trainingswerkzeug – aber ein sehr gutes! Dem Entwickler der App, Felix Hage­nauer, und dem Bayerischen Blasmusikverband, die bei diesem Projekt Hand in Hand gearbeitet haben, an dieser Stelle ein großes Kompliment!

D1 Coach

Loopy HD für kreatives Musizieren

Spätestens seitdem Ed Sheeran es mit seinem Hit „Shape of You“ vorgemacht hat, ist Loopen ein nicht mehr aufzuhaltender Trend. Ich bin überzeugt, dass Loops zu einem völlig neuen Musizierstil werden und das Musizieren, aber auch unsere Unterrichtspraxis revolutionieren können. 

Loopy App

Mit der App „Loopy HD“, die bereits 2014 in Australien und Neuseeland zu einer der besten Apps gewählt wurde, ist kein kostspieliges Loop-Gerät mehr notwendig. Mit dieser kleinen Applikation lassen sich kurze Musiksequenzen aufnehmen, welche anschließend in Endlosschleife abgespielt werden. Der User kann insgesamt bis zu zwölf Loops einspielen und diese gleichzeitig erklingen lassen. So können selbst Anfänger – passende Noten oder gute Ideen vorausgesetzt – bereits mit Loops experimentieren und beim Spielen in den Flow kommen. 

Das Schöne an „Loopy HD“ ist die Benutzerfreundlichkeit, die zwar viele Funktionen ermöglicht, aber kein langwieriges Einarbeiten in die Raffinessen der App erfordert. Ein Schlagzeug oder Metronom hält die User beim Spielen im Takt, kann aber bei der Aufnahme sehr leicht ausgeblendet werden, indem mit Kopfhörern ­gearbeitet wird. Überhaupt sind Kopfhörer ein Must-have zum Musizieren mit dieser App. 

Anytune

„Anytune“ ist eine Musik-App, deren Funktionen ich in meinem Unterricht bei weitem am häufigsten erklärt habe und die von Schülerinnen und Schülern, aber auch Eltern am meisten geschätzt wird. In der kostenpflichtigen Pro-Version lassen sich mit wenigen Klicks hunderte von Musikstücken in der App hochladen und abspielen. Der User kann auf dem Bedienpanel das Tempo dieser Stücke anpassen. Somit können Schülerinnen und Schüler, denen die Be­gleit­musik ihrer Stücke zu schnell ist, ein langsames Tempo zum Üben wählen und dieses dann sukzessive steigern. Auch die Tonhöhe der Stücke lässt sich ändern. Somit können wir Begleit­musik mit einem Klick in eine andere Tonart transponieren. Der Schüler kann bereits „Oh when the Saints“ in C-Dur spielen? „Beginne doch mal vom F und versuche die richtigen Töne zu finden!“ – und die Begleitmusik stellen Sie mit wenigen Klicks eine Quarte höher. 

App Antuen

Auch im Online-Unterricht ist solch ein Music-Speed-Changer wie „Anytune“ von un­schätz­barem Wert, wenn man beispielsweise von seinem Computer aus unterrichtet, auf dem diese App geladen ist: Via Bildschirmfreigabe kann die Begleitmusik direkt auf dem Computer der Schülerin oder des Schülers abgespielt werden. Die Lernenden können sich ganz aufs Musizieren konzentrieren, müssen nicht lange nach Begleit­musik suchen oder ein Tempo einstellen. Das erledigen Sie an Ihrem Rechner! Auch ver­lang­samen oder steigern Sie das Tempo, wie es der individuelle Lernfortschritt verlangt. 

Fortgeschrittene „Anytune“-User nutzen auch gerne Loops, die ebenfalls einfach eingestellt werden können. Auch das Teilen von Navigationsmarkierungen oder Musik direkt aus der App heraus ist möglich. 

WDR Bigband PlayAlong App

Die „WDR Bigband PlayAlong App“ ist Lernhilfe und Musizierpartner in Personalunion. Bei dieser kostenfreien Software stehen den Usern meh­rere neue Kompositionen von Mitgliedern dieses genialen Klangkörpers zur Ver­fügung. Noten werden angezeigt und das PlayAlong kann dazu abgespielt werden. Mittels eines in die Applikation inte­grierten Mischpults ist es möglich, einzelne Stimmen lauter oder leiser zu drehen und so den eigenen Part intensiv zu trainieren oder sogar gar das Improvisieren auszuprobieren.

WDR App

Die Stücke sind nach Schwierigkeit geordnet und es gibt schon Musik, die selbst für Schülerbands sehr dankbar sind. In dem Programm sind Noten für Trompete, Posaune, Alt-, Tenor- und Bariton­saxofon, Gitarre, Klavier, Bass und Schlagzeug vorhanden. Wer die Noten kaufen möchte, findet in der App die Kontaktmöglichkeit zu den Komponistinnen und Komponisten der jeweiligen Stücke. In-App-Käufe sind jedoch glücklicherweise nicht möglich und somit lässt sich diese App auch im Unterricht mit Kindern und Jugendlichen gefahrlos verwenden. 

Die Trompetenfuchs-App

Brandneu auf dem Markt ist die „Trompetenfuchs-App“: Die beliebte Trompetenschule wurde kürzlich erneut überarbeitet und mit Klavierbegleitungen ergänzt. In der App-Version gibt es zudem die Möglichkeit, das Tempo aller Begleitmusiken dem individuellen Fortschritt anzupassen. Für BRAWOO hat Kristin Thielemann bei Stefan Dünser, Autor des „Trompetenfuchs„, nachgefragt. 

Der Trompetenfuchs zählt seit Jahren zu den beliebtesten Trompetenschulen im deutschsprachigen Raum. Aus welchem Grund hast du etwas geändert?

Wie sang Wolf Biermann? „Nur wer sich ändert, bleibt sich treu“ – ein großartiger Spruch. Verbraucht und langweilig werden wir nur, wenn wir uns vom Erfolg blenden lassen. Erfolg macht dumm – weil wir immer wieder die gleichen Rezepte verwenden. Die „Fuchs“-Serie verändert sich mit den Menschen, die diese Schule verwenden.

Die Ansprüche modernen Unterrichts ändern sich ständig. Der Trompetenfuchs (und seine Namenspartner Posaunen-, Horn, Tuba- und Klarinettenfuchs) hat bisher schon über 24 Überarbeitungen mitgemacht. Die neueste Änderung ist die bahnbrechendste bisher: die systematische Einbeziehung von YouTube sowie von AppStore und PlayStore.

Was wurde verändert/überarbeitet?

Wir haben die entscheidenden Stücke lebendig und etwas frech eingespielt und stellen sie den Lernenden mit QR-Codes auf YouTube zur Verfügung. Die neue App, die wir zusätzlich anbieten, ist dabei eine kleine Sensation: Sie kommt ganz ohne YouTube aus. Es gibt weltweit noch keine andere Schule als App, die nach dem gleichen analogen System aufgebaut ist. Alles was man auf einem virtuellen Notenständer hat, steht hier zur Verfügung, vom Metronom bis hin zu einem Aufnahmegerät, einem Aufgabenheft mit Tipps und einem herausfordernden Tontreffspiel in verschiedenen Levels. Nach an­fäng­lichen Unsicherheiten hat Apple diese App nun sogar als Musikspiel eingestuft. Volle Motivation für die Übenden!

Brauche ich die Printausgabe und die Trompetenfuchs-App, oder reicht eine der beiden Varianten?

Beide Versionen sind vollwertige, für sich stehende Schulen – nur bietet die App noch zusätzlich verschiedene Services an, wie die Vorspielbuttons, mit denen 150 Stücke in variablem ­Tempo zum Üben abgespielt werden können, ein Traum zum Üben! Dann ein Metronom, ein „kluges Stimmgerät“ und Aufnahme­möglich­keiten. Und die App wächst mit jedem neuen Update. Die App ist auch kein Abo – meiner Meinung nach ein Betrug an den Kundinnen und Kunden.

Welches technische Equipment brauchen Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler für den neuen „Trompetenfuchs“?

Die Papierversion hat keine CD mehr, da wir festgestellt haben, dass in den Unterrichts- und Überäumen fast keine CD-Player mehr stehen. So ist ein einfaches Smartphone oder Tablet notwendig, wenn man die Stücke abspielen möchte. Eventuell ein Bluetooth-Box: Gerät hinhalten und ein begeisterter Musiker beginnt schon vorzuspielen. Aber auch jedes andere internet­taugliche Gerät wie Computer und Ähnliches reicht völlig aus. Eine große und sehr geschätzte Übehilfe. Die App-Version gibt es für Tablets, iPad, aber auch für jede Art von Smartphones – und in Bälde auch für PC und Mac. Die App gibt die Musikstücke in variablem Tempo auch ohne Internet wieder, wenn man die Stücke vorher geladen hat. Sie verbleiben auf dem Gerät. Sollte Online-Unterricht wieder notwendig sein – hoffentlich nicht! –, ist die App natürlich der Hammer.

Glaubst du, dass Online-Unterricht ein kurzfristiger Hype während der Corona-Krise ist oder dass er bleiben wird?

Was wir gelernt haben: Nichts ist wichtiger, schöner und beglückender als echte Menschen, echte Lehrer und echte Schüler. Alles Virtuelle ist mit Problemen verbunden. Auch eine solche App kann eine echte Lehrerin oder einen Lehrer niemals ersetzen. Wir sind einfühlsame Wesen, die das direkte Gegenüber als essenziell für Glück und auch Fortschritt benötigen. 

Allerdings wäre es naiv zu glauben, dass wir in zehn Jahren noch primär aus Papiernoten spielen. In allen Ensembles und im Orchester, wo ich spiele, sieht man eine wöchentlich wachsende Schar von iPad-Usern – wer das einmal kennengelernt hat, kehrt nie mehr zu Papiernoten zurück. Es gibt aber keinen Zwang – „jeder nach seiner Fasson“, wie wir Österreicher sagen!

Dünger
Stefan Dünser (Foto: Katharina Loacker)