Wood | Von Klaus Härtel

Two is Company

Was ein Bläser braucht, ist eine gute Band. Das muss aber nicht immer ein großes Orchester sein, nicht einmal ein Trio oder Quartett. Ein einziger kompetenter Begleiter kann da oft schon genügen – ein Pianist zum Beispiel. Oder wenn man sehr mobil und flexibel bleiben und nicht an ein Klavier gebunden sein will: ein Gitarrist oder ein Akkordeonspieler. Das Repertoire für ein solches Duo ist praktisch grenzenlos. Zum Beispiel lassen sich flotte, kompakte Klavierstücke relativ leicht für einen Bläser und ein Begleitinstrument einrichten. Selbst mit einem Instrument wie der Blockflöte kann man da publikumswirksam glänzen und auch vertrauten Melodien noch viel Witz und Eleganz verleihen. Das funktioniert als Straßenmusik ebenso wie als Party-Einlage. Es kann aber bis zum Konzertsaal und ins Plattenstudio führen und der Start in eine große Karriere sein.

Der Schweizer Christian Siegmann hat als Kind Blockflöte gelernt, studierte später Fagott bei Manfred Sax und Milan Turkovic und ließ sich zum Dirigenten ausbilden. Er ist Komponist, leitet diverse Orchester und Chöre und war Mitbegründer des Swiss Chamber Orchestra. Bereits 1974 – mit 17 Jahren – fand er einen vielseitigen Duopartner in dem Gitarristen Marcel Ege, der heute festes Mitglied im renommierten Eos Guitar Quartet ist. Auf dem Album »Waltzes & Rags« von 1987 bläst sich Siegmann auf verschiedenen Blockflöten (von Alt bis Piccolo) durch fröhliche Ragtimes von Joplin, Lodge und Atwell und kleine Walzer von Lauro und Kreutzer. Das klingt hell und heiter, das gemischte Repertoire macht Laune. In sieben Stückchen packt Siegmann zudem sein Fagott aus, ein Instrument, das hier wie eine gute Pointe wirkt: brummig in der Tiefe, leicht angeschickert in der Höhe. Als Übergang zwischen den Walzern und den Ragtimes gibt es außerdem eine 42-Sekunden-Version von Dave Brubecks »It’s A Raggy Waltz«.

Auch der Brite Michael Copley hat in seinem Leben mit einigen namhaften Orchestern gearbeitet. Unter anderem spielte er Vivaldis Blockflötenkonzerte mit der Camerata Bern ein. Schon als Musikstudent in Cambridge fand auch er seinen passenden Duopartner. Der hieß damals Dag Ingram, studierte Sprachen und spielte ein billiges, kleines Akkordeon. Als den beiden einmal das Fahrgeld von London zurück nach Cambridge fehlte, begannen sie einfach für ein paar Münzen zu musizieren. Das war der Startschuss für ihr Duo, die Cambridge Buskers. Fortan versuchten sich Copley und Ingram in den Semesterferien als Straßenmusiker und waren besonders in Deutschland erfolgreich. Auf dem Album »Eine kleine Straßenmusik« von 1977 bläst Copley verschiedene Blockflöten (Sopran, Sopranino, Garklein, auch Tonette) sowie Quer- und Piccoloflöte. Bearbeitet haben die beiden nicht nur Klavierstücke wie Chopins »Minutenwalzer« und Joplins »The Entertainer«, sondern auch Orchester-Hits von Bach, Mozart, Rossini und Brahms. Wenn die Sopranino-Blockflöte Dinicus Virtuosenstück »Hora Staccato« schmettert oder Rossinis beschwingte Tell-Ouvertüre, kommt man als Hörer aus dem Schmunzeln und Staunen kaum mehr heraus. Dass auch ein Shanty und ein Weihnachtslied eingestreut sind, erhöht nur noch den Unterhaltungswert.

Was auf der Blockflöte möglich ist, würde natürlich auch mit Saxofon, Klarinette oder Trompete funktionieren. Kompakte Charakterstücke und ein paar Überraschungen im Repertoire sind auf jeden Fall empfehlenswert. Unverzichtbar aber ist der verlässliche Duopartner, der kompetente Mitstreiter, das mobile Ein-Mann-Begleitorchester. Wie sang schon Heinz Rühmann vor 85 Jahren: »Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Schönste, was es gibt auf der Welt!«