Brass | Von Joachim Kunze

Üben: die Regelmäßigkeit bringt’s!

Abbildung 1: »Breath attack« bedeutet, den Ton bei geschlossener Lippe nur mit der Luft – also ohne Zunge – anzuspielen. Diese Übung ist sehr kraftintensiv. Sie hilft, die Koordination von Lippen und Atmung zu optimieren. Pausen nach Bedarf.

Muss/soll ich täglich üben? Was soll ich in mein regelmäßiges Übeprogramm einbauen und woher weiß ich, wann und wie ich es ­variieren soll? Welche Übungen sind überhaupt sinnvoll? Eine Menge Fragen, die auf jeden Blechbläser, der sein Instrument mit einer gewissen Ernsthaftigkeit spielen möchte, einprasseln. Blechbläser-Coach Joachim Kunze gibt Antworten. 

Muss ich täglich, regelmäßig üben? Ich finde, diese Frage ist recht einfach zu beantworten. Wenn ich meinen erreichten Stand zumindest halten möchte, die Motorik und die Muskulatur in Form halten will, hilft nur regelmäßiges Üben. Jeder weiß, dass sich Muskulatur recht schnell abbaut. Somit muss ein besonderes Augenmerk auf den Erhalt und den Ausbau der Muskulatur gelegt werden, da sie für die Motorik, also den gesamten Be­wegungsablauf zuständig ist. Das gilt nicht nur für das Musizieren.

Was will ich erreichen?

Wenn ich mich verbessern möchte, muss ich mein Übepensum erhöhen und optimieren. Eine allgemein gültige Formel, mit der jeder Blechbläser nach dem Lesen dieses Artikels berechnen kann, was und wie viel er üben muss, um weiterzukommen, lässt sich leider nicht aufstellen. Wenn man noch nicht so weit ist, dass man sich selber genau kennt und seine Schwachstellen erkennen kann, dann hilft sicherlich ein kompetenter Lehrer, der einem ein personalisiertes Übeprogramm erstellt.

Gehen wir einmal von dem Fall aus, dass man sich selber ein Übeprogramm erstellen möchte. Dann sollte dieses Übeprogramm natürlich auf die Musikart zugeschnitten sein, die man spielt.

  • spiele ich die erste Stimme, dann muss ich ­Ansatz und Ausdauer erhalten und ausbauen.
  • kommen in den zu spielenden Musiktiteln viele schnelle Zungenpassagen vor, dann sollte man täglich Doppel- und Triolenzunge üben.
  • spielt man vornehmlich Jazz, so wird die Doppel- und Triolenzunge nicht so wichtig sein, da muss man eher an seinem Swingfeeling oder an der Improvisation feilen.

Für jeden Anspruch gibt es besondere Übungen und diese müssen gefunden werden.

Beispiel eines Übeprogramms für allgemeine Übungen

Ansatz/Ausdauer

Es gibt durchaus Übungen, die jeder Trompeter, egal auf welchem Stand er sich befindet, üben soll und kann. Auch wenn ich oben schrieb, wer erste Stimme spielt, muss Ansatz und Ausdauer erhalten, muss ich das soweit revidieren, dass jede Stimme Ansatz und Ausdauer erfordert. Ob ich dafür spezielle Übungen spielen muss oder ob mir das restliche Übeprogramm reicht, um meinen Ansatz zu erhalten, muss ich selbst herausfinden.

Spezielle Ansatzübungen wie “Breath attack” (siehe Abbildung oben) und Übungen, die in einem für den jeweiligen Bläser anstrengenden, aber noch nicht überfordernden Bereich liegen, halte ich für sinnvoll. Ich empfehle Übungen, die keinen großen Tonumfang haben, immer höher zu spielen, zum Beispiel die bekannte “Second Study” aus Herbert  L. Clarks “Technical Studies”. Auch ein einfaches Lied, einen Choral oder ein Volkslied einmal eine Oktave höher zu spielen, kann schon eine besondere Herausforderung sein.

Tipp: Immer nur so üben, dass die Muskulatur gereizt wird und nie überfordert – es sollten ja weitere Übungen folgen, für die ebenfalls noch Ansatz gebraucht wird.

Es gibt auf dem Markt eine Vielzahl an Übungen und Angeboten, die genutzt werden können. Unter diesen Angeboten das persönlich Richtige zu finden ist mühsam und dafür gibt es auch ­keine Patentlösung. Die Anatomie einer jeden Person ist unterschiedlich und eine gewisse Geduld muss bei neuen Übungseinheiten in jedem Fall mitgebracht werden, da sich eine positive Wirkung auf Ansatz und Ausdauer erst nach einer gewissen Zeit einstellen kann.

Fingertechnik

Eine weitere Übung, die unabdingbar zum täg­lichen Programm gehört, sind Fingerübungen. Auch hier gibt es eine Vielzahl von Übungen. Sinnvoll ist das regelmäßige Üben von Tonleitern – also Dur-, Moll- und chromatischen Tonleitern. Zuerst immer über eine Oktave, auf- und abwärts, nachfolgend erweitert durch die Ergänzung der None – als auch durch ein Legato oder Staccato. Nach Belieben kann man diese Tonleitern in unterschiedliche Varianten erweitern. Tonleitern kommen in jeder Musikrichtung immer wieder als Läufe vor und lassen sich dann schnell abrufen (siehe Abbildung 2).

Üben
Abbildung 2: Tonleitern sind wichtige Übungen für die Fingertechnik.

Ich erinnere mich an eine Trompetenstunde, in der ein Schüler aufgeregt mit einem Musikstück zu mir kam. In diesem Musikstück zeigte er mir einen schweren Tonlauf und bat mich, diesen einmal vorzuspielen. Nach einem kurzen Blick auf die Noten spielte ich den gewünschten Part im gewünschten Tempo. Mit großen Augen schaute mich mein Schüler an und fragte, wie ich den Lauf so schnell hinbekommen habe. Ich erwiderte, dass das ja nur ein chromatischer Lauf sei und ich die Chromatik schon in allen Formen abgehandelt hatte. Von da an verstand er den Sinn davon, regelmäßig auch mal die Chromatik zu üben.

Tipp: Ganz wichtig bei Fingerübungen, egal welcher Art, ist es, immer auf das schnelle Drücken der Ventile beziehungsweise bei der Posaune das schnelle Ziehen des Zuges zu achten. Dabei ist nicht die Geschwindigkeit der Übung gemeint, sondern es geht darum, auch beim langsamen Üben den Weg von der einen in die an­dere Zugposition (bei der Posaune) beziehungsweise den Weg des Ventils vom oberen zum unteren Punkt möglichst schnell zurückzulegen.

Fazit

Mit diesen beiden Beispielen zu Ansatz, Aus­dauer und Fingertechnik wird das Grundsätzliche für das Blechblasen abgedeckt. Die Zeit die man für das jeweilige Thema verwendet kann durchaus variieren.

Darüber hinaus kann jeder individuell sein Können erweitern. Alles Weitere fällt in den Bereich Spezialisierung, zum Beispiel wenn man intensiv Stücke für Ensemble spielt oder spezielle Instrumentalstücke beziehungsweise Instrumentalkonzerte übt. Bei auftretenden Problemen ist es immer wieder sinnvoll, sich an einen Musiker­kollegen, Musiklehrer oder Experten aus dem Fachhandel zu wenden, allein schon um der Verzweiflung und dem Frust vorzubeugen.

Viel Spaß beim Üben, Euer Joachim Kunze

www.jupiter.info

Joachim Kunze

Joachim K. Kunze (*1966) studierte Instrumentalpädagogik in Mainz. Er gehört zu den vielseitigsten Trompetern Europas. Warme, gefühlvolle Töne bis hin zu Highnotes im viergestrichenen Bereich – sein Klangspektrum füllt die ganze Bandbreite der Trompete aus. Dies machte ihn zu einem gefragten Trompeter in verschiedenen Funk-, Rock-, Jazz- und Bigbands. 

Inzwischen konzentriert er sich hauptsächlich auf seine eigenen Projekte, die “Firehorns”, “2play” sowie “Bummeldaun Syndrom”, in denen eigene Kompositionen gespielt werden. 

Er ist Musiklehrer an der Adolf-Reichwein-Schule in Friedberg. Blechblasinstrumente unterrichtet er an der Musikschule Bad Nauheim. Als Dozent der Firma JUPITER gibt er Workshops in Deutschland, Österreich und der Schweiz. 

Als Komponist stammen alle Stücke der beiden CDs der “Firehorns” aus seiner Feder. Neben Kompositionen für Blechbläser, Gitarren, Streicher, Holzbläser und Ensembles mit verschiedensten Besetzungen schreibt er auch Musicals für Schulen. Als Autor für Instrumentalschulen, Bücher und Werke (“Trumpet Power Play”, “Start frei! – Einfach Trompete lernen“, “Alles Kopfsache?”, “ORETAG”) hat er sich inzwischen einen Namen gemacht. Bei zahlreichen Kompositionswettbewerben erhielt er bereits Auszeichnungen.