Wood | Von Klaus Härtel

Venova – Das “Casual Wind Instrument” von Yamaha

Venova

Als die Firma Yamaha mit dem Venova an die Öffentlichkeit ging – das war 2017 während der Frankfurter Musikmesse –, fragten sich viele Musikerinnen und Musiker: “Was ist das?” Nun haben die Japaner mit dem “Tenor Venova YVS-140” die Familie der “Casual Wind Instruments” für vollständig erklärt. 

Tobias Leon Haecker hat das Venova damals für Clarino – die Vorgänger-Zeitschrift von BRAWOO – unter die Lupe genommen und versucht, die “Was ist das”-Frage zu beantworten. Er kam damals zu der Erkenntnis: “Das Venova ist irgendwie eine Art Blockflöte mit einfachem Rohrblatt. Die Griff­weise legt das ebenfalls nahe. Und hier liegt der besondere Clou des Venova. Aufgrund des geschlängelten Rohres liegen die Grifflöcher ex­trem komfortabel dicht beieinander, sodass sich das Instrument bequem auch von kleineren ­Händen spielen lässt. Das Venova hat eine fast identische Griffweise zu Blockföten, und mit der Herausnahme eines Pfropfens kann man sogar das Barock-System greifen. Zusätzlich gibt es noch Hebel für das Cis und Dis. Wer also etwas Flöte, Saxofon und/oder Klarinette spielt, kann hier sofort ‘abgehen’.” Der Saxofonist hatte jedenfalls “definitiv eine Menge Spaß beim Rumjammen mit dem Venova”.

Wir haben nun einmal in Japan nachgefragt und uns mit dem Entwickler Toru Ohno über das ­Venova unterhalten.

Yamaha
Toru Ohno (Foto: Privat)
Herr Ohno, Journalisten lieben Schubladen. Wo hinein stecke ich Venova? Zu den Holzblasinstrumenten? Zu den Saxofonen? Zum Spielzeug?

Wir betrachten Venova als ein Holzblasinstrument, aber da es sich um ein völlig neues In­strument handelt, haben wir eine neue Kategorie geschaffen. Venova ist ein “Casual Wind Instrument”.

Wer kam auf die Idee von Venova? Gab es da eine Initialzündung?

Wir wollten ein Blasinstrument bauen, mit dem mehr Menschen leicht anfangen und gleich spielen können. Als wir lateinamerikanische Länder besuchten, sahen wir eine riesige Nachfrage nach Blasinstrumenten. Der Preis und die Wartung waren jedoch ein großes Hindernis für sie und wir entschieden uns, eher “lässige” Blas­instrumente zu entwickeln.

Unsere Designer griffen eine lange schlummernde Idee namens “Branched Pipe Theory” auf (etwa: “Theorie der verzweigten Rohre”). Diese Theorie ist von 1977. Yamaha wandte diese Theorie (“die akustischen Eigenschaften einer konischen Pfeife können mit zwei zylindrischen Pfeifen simuliert werden”) erstmals in den 1990er Jahren auf digitale Musik­instrumente an.

Die damalige digitale Technologie war der Aufgabe noch nicht gewachsen, die Klangfarbe von Musikinstrumenten mit konischen Rohren zu simulieren. Daher wurde die Theorie erfolgreich angewendet, um die Bearbeitungsdauer zu reduzieren. Der “VL-1 Virtual Acoustic Synthesizer”, der 1993 auf den Markt kam, war der erste seiner Art weltweit.

Um 2009 hatten die Produktdesigner die Idee, dass man mit dieser Theorie und den neuesten Technologien ein neues Instrument herstellen könnte. Das Venova-Projekt begann offiziell im Jahr 2015. Zahlreiche Prototypen wurden ent­wickelt und bewertet, die Blasinstrumenten-Simulations­software von Yamaha wurde eingesetzt – was schließlich zur Entwicklung und Veröffentlichung der ersten Venova im Jahr 2017 führte.

Auf der Yamaha-Website heißt es: “Jahrelange Forschung ermöglicht es uns, eine einzigartige Form zu kreieren, die den Klang eines Saxofons voller Größe mit einem viel kleineren Korpus erzeugt.” Geben Sie uns einen kleinen Einblick in die Forschungsabteilung von Yamaha? 

Das Saxofon hat eine komplizierte Struktur mit vielen Klappen und Tonlöchern, die nicht direkt mit unseren Händen geschlossen werden können. Wir wollten Venova so einfach und kompakt wie eine Blockflöte machen, indem wir eine sich windende, verzweigte Röhre verwenden.

Der eigentliche Prototyp hat in Tonhöhe und Spielbarkeit nicht immer so funktioniert, wie wir uns das errechnet hatten. “Trial and Error” wurde etliche Male wiederholt.

Unter Verwendung einer Pitch-Design-Software, die auch für die Entwicklung verschiedener akustischer Blasinstrumente verwendet wird, und des 3-D-Druckers wurde schließlich ein Prototyp fertiggestellt, der sich hervorragend als Instrument eignete.

Wir haben dann mit der Entwicklung für die Massenproduktion weitergemacht. Viel Know-how und Erfahrung aus der Blockflötenproduktion waren dabei sehr hilfreich. Der schwierigste Teil waren die sich windenden Teile mit Hohlstruktur, und wir verbrachten viel Zeit mit der Unter­suchung des Herstellungsprozesses, um die Luftdichtheit und die optische Qualität sicherzustellen.

Venova hat auch einige Design-Preise bekommen. In welchem Verhältnis standen bei der Forschung Design und “Musikalität”? Oder anders formuliert: Wie viel Wert leget man auf das Aussehen – ohne den musikalischen Nutzen zu vernachlässigen?

Nachdem der Prototyp fertiggestellt war, wurde über das Design diskutiert. Unsere Produkt­designer für “normale” Blasinstrumente fühlten sich mit dem mäandrierenden Design, das aus Kunststoff besteht und eine verzweigte Röhre wie ein Horn hat, nicht sehr wohl. Da das Design von Instrumenten die Leistung und Funktion beeinflusst, schlugen unsere Produktdesigner für Blasinstrumente vor, die Form so einfach wie möglich zu gestalten, während sie sich mit dem Venova-Designer austauschten.

Venova
Apropos musikalischer Nutzen: Für wen ist Venova denn nun primär geeignet?

Wir glauben, dass Venova für Menschen geeignet ist, die sich danach sehnen, Blasinstrumente zu spielen, insbesondere Saxofon. Viele Kun­dinnen und Kunden möchten Saxofon spielen, zögern aber aufgrund des Preises. Wir möchten ihnen mit Venova eine großartige Option bieten, die ihnen ein ähnliches Spielgefühl wie Saxofon vermittelt.

Ist Venova auch ein ernstzunehmendes In­stru­ment für den Konzertbetrieb? 

Wir glauben schon. Wir hoffen, dass mehr Leute anfangen werden, Venova auf der Bühne zu spielen.

“Casual Wind Instrument” ist die offizielle Bezeichung von Yamaha. Worauf bezieht sich “casual”, also “lässig”, “bequem”? Auf die Spielweise? Auf den Einsatzbereich?

Wir haben Venova entwickelt, um die Hemmschwelle zu senken, mit dem Spielen von Instrumenten zu beginnen. Unser Konzept lautet: “Jeder kann ein Blasinstrument spielen.” Venova ist erschwinglich, leicht und langlebig. Deshalb haben wir eine neue Kategorie geschaffen, ein “lässiges” Blasinstrument.

Ist das Venova-Line-up damit nun komplett – oder hat Yamaha in diesem Segment noch mehr in der Pipeline?

Die Aufstellung von Venova ist derzeit komplett. Wir haben Sopran-, Alt- und Tenor-Venovas und es ist möglich, mit diesen Instrumenten im Ensemble zu spielen. Aber wir werden auch weiterhin mehr “Casual”-Instrumente entwickeln, damit wir noch mehr Menschen die Freude am Blasinstrument spüren lassen können.