Brass | Von Hans-Jürgen Schaal

Viele Blasinstrumente in einem: Das Kornett

Kornett

Das Kornett: Monsieur Halary hat es erfunden (1827), Monsieur Besson hat es verbessert (1837) und Monsieur Périnet hat die Drehventile durch Pumpventile ersetzt (1838).

Das einfache Posthorn oder Signalhorn war das erste Blechblasinstrument, das nachhaltig mit Ventilen ausgestattet wurde. Dieses “cornet à pistons” (Ventilhörnchen) hatte sich bereits als brillantes Virtuoseninstrument etabliert, als sich die Trompete meist noch ventillos mit tiefen Schmettertönen zufrieden­geben musste. Auch anderes Blech konnte sich lange Zeit nicht mit dem agilen Ventilkornett messen. Denn auf ihm waren schnelle Notengruppen spielbar, die “weder für die Posaune noch für die Hörner geeignet wären”, schrieb der Komponist Hector Berlioz. In der Nachfolge von Jean-Baptiste Arban, dem “Paganini des Kornetts”, glänzten immer mehr Kornettisten im 19. Jahrhundert mit technischen, populären Kunststückchen. Ihr kleines Horn wurde, so Berlioz, zum “unentbehrlichen Soloinstrument bei Kontratänzen, Galoppaden, Variationen und anderen Kompositionen zweiten Ranges”. Gemessen an Waldhorn und Trompete galt der Ton des Kornetts daher bald als “billig” und “vulgär”.

Das Kornett steht den Hörnern näher als den Trompeten

Mit seiner weiten Mensur (konisches Rohr, flaches Mundstück) steht das Kornett den Hörnern näher als den Trompeten. Im Grunde gehört es – wie Flügelhorn, Tenorhorn, Basstuba, Helikon, Sousafon – zu den sogenannten Bügelhörnern. Es liegt griffiger in der Hand als die Trompete, lässt sich leichter anblasen und eignet sich daher auch für Anfänger. Der Klang ist breiter, weicher, stimmlicher als bei der Trompete und mischt sich deshalb besser mit Streichern. Vor allem in Frankreich und England behauptet sich das Kornett bis heute als Führungsstimme der Blas­kapellen und Militärorchester. 

Auf diesem Wege kam das Kornett auch in die Brassbands von New Orleans, aus denen der Jazz hervorging. Tatsächlich waren die »Trumpet Kings« des frühen Jazz durchweg Kornettkönige: Buddy Bolden, Freddie Keppard, King Oliver, Mutt Carey, Bunk Johnson, Louis Armstrong usw. Erst als die Jazzbands größer wurden und mehr Exaktheit, Schärfe, Dynamik und Höhe gefragt waren, wechselten die Kornettisten auf die Trompete. Louis Armstrong zum Beispiel tat dies 1928. Das wichtigste Argument für den Wechsel war damals aber ein anderes: Die Trompete machte auf der Bühne optisch mehr her. (Als Erbe des Kornetts behielt die Jazztrompete die Pumpventile bei – statt der Drehventile.)

Expressiver Charakter des Kornett-Tons

Als der New-Orleans-Jazz sein Revival erlebte (ab ca. 1940), griffen die Trompeter auch wieder aufs Kornett zurück. Bobby Hackett, Humphrey Lyttelton oder Ruby Braff gaben dem “kleinen Horn” häufig den Vorzug vor der Trompete. Sogar im modernen Jazz wussten einzelne Solisten die Qualitäten des Kornetts zu schätzen. Hardbop-Musiker wie Nat Adderley und Thad Jones lobten den “erdigen”, sprechenden, expressiven Charakter des Kornett-Tons. Auch im Avant­garde-Jazz schätzten Trompeter wie Bobby Bradford, Don Cherry, Olu Dara oder Butch Morris die klangfarben- und variantenreiche Ansprache des Instruments, die sich zudem gut mit Growl- und Dämpfereffekten kombinieren lässt. 

Der Jazztrompeter Taylor Ho Bynum (geb. 1975) ist überzeugt davon, dass das Kornett ihm die meisten klanglichen Möglichkeiten bietet. “Das Kornett ist plastischer im Sound als die Trom­pete”, sagt er. “Man kann es mit ebenso viel ­Attacke spielen wie die Trompete, aber es kann auch den weichen, runden Klang des Flügelhorns haben. Es ist viele Blasinstrumente in einem.” Der Traditional- und Swing-Trompeter Warren Vaché (geb. 1951) sagt: “Mit dem modernen Kornett ist man nicht auf den alten, fetten, weichen Kornettsound beschränkt. Wenn ich das Stimmventil benutze, könnte ich Leadtrompete in einer Bigband spielen und niemand würde merken, dass es ein Kornett ist.”

Bisher erschienen: “Stichwort Rohrblatt-Trio“, “Stichwort Saxofonquartett“, “Stichwort Marsyas” und “Stichwort Tristantrompete”, “Stichwort Naturtonreihe”, Stichwort Saxofonkonzert, Stichwort Sarrusofon, Stichwort Gucha, Stichwort Jazzsolo, Stichwort Orgel, Stichwort Posaune, Stichwort Multiphonics