Wood | Von Tanja Dusel

W. Schreiber baut seit 75 Jahren Klarinetten und Fagotte

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Werkstatt von Wenzel Schreiber 1950 (Foto: Archiv Buffet Crampon).

1951 wurde in 800 Stunden das erste Fagott gefertigt. Das belegen Aufzeichnungen aus dem firmeneigenen Archiv. Zehn Jahre später wurde in den Werkstätten von Wenzel Schreiber schon das 5000. Instrument her­gestellt. Dies spiegelte schon damals das instrumentenspezifische Wissen der Firma wider. Musizierende, Musiklehrende und Lernende vertrauen seit 75 Jahren auf die Instrumente der traditionsreichen Marke.

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Wenzel Schreiber (Foto: Archiv Buffet Crampon)

Wenzel Schreiber gründete 1946 sein Unter­nehmen in Zusammenarbeit mit seinen Söhnen Hugo und Ernst in Nauheim bei Groß-Gerau. Von dort stammt auch Andreas Gafke, der jetzige Sales & Marketing ­Director bei Buffet Crampon Deutschland, der die Marke W. Schreiber mittlerweile angehört: “Dort, mitten im Rhein-Main-Gebiet, hat die Firma Schreiber in so etwas wie einer Waschküche angefangen. Mit einfachsten Mitteln und ohne große Maschinen”, weiß Gafke und führt näher aus: “Zu Beginn widmete man sich ausschließlich der Reparatur von Instrumenten. Es ­waren damals kaum Hölzer, Öle oder weitere Produktionsmittel verfügbar.”

Wenzel Schreibers Söhne Hugo und Ernst hatten sich schon früh mit der Materie beschäftigt. Hugo Schreiber kümmerte sich mit 20 Jahren bereits um Vertrieb, Marketing und Technologien, während Ernst Schreiber der Tüftler war und sich um die Maschineneinrichtungen und die technischen Dinge kümmerte. “Es war durch und durch ein Fa­mi­lien­­betrieb, der die Leidenschaft für Musikinstrumente innehatte.” Die Anfänge waren jedoch nicht Klari­netten und ­Fagotte, wie sie heute zur Marke gehören, sondern Blockflöten. Sie waren die erste große Leidenschaft der ­Familie. 

Erste eigene Schreiber-Instrumente ab 1951

Ab 1951 wurden eigene Instrumente wie Fa­gotte, Klarinetten und Blockflöten, später auch Querflöten, gefertigt. Fagotte sind eine weitere große Leidenschaft von Wenzel Schreiber geworden. Das erste Fagott wurde 1951 fertig. ­Dafür wurden noch 800 Stunden Arbeitszeit ­be­nötigt. 1952/53 richtete man sich auf den amerikanischen Markt aus und fing an, Schreiber-Fagotte zu exportieren. Die einfache Waschküche vergrößerte sich nach und nach und 1953 entstand für Schreiber-Instru­mente schließlich die erste große eigene Werkstatt. Zumindest sah diese annähernd so aus wie ein kleiner In­dus­trie­betrieb. 1961 wurde dann bereits das 5000. Fagott produziert. Die Durchlaufzeit einer Wenzel-Schreiber-Klarinette beträgt heute etwa vier Wochen, die eines Fagotts ungefähr acht Wochen.

Hugo und Ernst Schreiber waren in diesem Bereich echte Pioniere. Sie schafften es, zunehmend größere Stückzahlen zu produ­zieren. Die Nachfrage stieg stark an, insbesondere in den USA. 1961 hat Schreiber zum ersten Mal an der Musik­messe in Frankfurt teilgenommen. Damals war diese noch keine eigene Messe, sondern eingegliedert in die Frühjahrsmesse in ein und derselben Halle. Andreas Gafke durfte 1976 bereits als Lehrling die Messe besuchen. 

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W. Schreiber während der Frankfurter Musikmesse 1970 (Foto: Archiv Buffet Crampon)

Fusionen und Abspaltungen

Der Zusammenschluss der Firmen Wenzel Schreiber und Buffet Crampon geht ursprünglich noch viel weiter zurück, nämlich ins Jahr 1969. Schreiber war damals schon export­orientiert. Die Tolchin-Gruppe war zu dieser Zeit der Importeur für die Schreiber-Instrumente und hat 1969 Schreiber & Söhne übernommen. Sie unterhielt eigene Großhandelsfirmen für verschiedene Länder. Damit war das Unternehmen Schreiber wesentlich besser für den Export und das Marketing aufgestellt. 

Ernst Schreiber bevorzugte es allerdings, selbstständig zu agieren und ist deshalb aus der Firma W. Schreiber ausgeschieden, indem er sein eigenes Unternehmen gründete. Er brachte so die Schreiber-Mundstücke auf den Markt, die so­­genannten ESM-Mundstücke. Die Firma Ernst Schreiber Mundstücke gibt es heute noch, sie ist in Michelstadt im Odenwald ansässig. Wenzel Schreibers Enkelin, Cornelia Schreiber, führt dieses Unternehmen mit Paul Kinzelmann weiter. Ein weiterer Enkel, Thomas Schreiber, führt eine Holzblasinstrumentenwerkstatt in Groß‐Gerau.

In den 80er Jahren begann die Produktion von Oboen und Böhm-Klarinetten, welche bereits unter der Marke ­Buffet Crampon vertrieben ­wurden. 1981 wurde dann die amerikanische Tolchin-Gruppe (New York) in die Boosey &
Hawkes-Gruppe mit Sitz in London übernommen. Das Unternehmen wurde also zuerst ­amerikanisch, dann britisch. Es bestand aus zwei Bereichen. Einerseits gab es den Notenverlag Boosey & Hawkes, andererseits die Instrumentensparte, der bereits Besson und Buffet Crampon angehörten. 

1989 kaufte die Boosey & Hawkes-Gruppe die Firma Keilwerth. Schreiber und Keilwerth wurden Schwester-Unternehmen, die später zu ei­ner Firma verschmolzen sind. 

Schreiber-Produktionsstandort Markneukirchen

Ab 1990 wurde mehr Personal benötigt, weil der Musikmarkt boomte. Nach dem Fall der Mauer 1989 fanden viele ehemalige DDR-Bürger eine neue Arbeit im Vogtland. Hugo Schreiber reagierte schnell und erkannte die Chance, neue Angestellte zu gewinnen. Diese wollten ohnehin nicht unbedingt in das teure Rhein-Main-Gebiet, sondern gerne im Vogtland bleiben. “Anfänglich hatten sie dort nicht die Fertigungsstätten, wie man sie ­heute kennt. Es wurde größtenteils in alten Gebäuden ohne Zentralheizung gearbeitet”, so Gafke. Mit zunächst 13 Mitarbeitern wurde 1991 in Erlbach das erste Gebäude be­zogen. Dort begann man mit dem Bau von Oboen sowie Teilen von Klarinetten und Saxo­fonen. Sukzessive wurde der Betrieb, der aus fünf oder sechs verschiedenen Betriebsteilen bestand, unter dem ­damaligen Betriebsleiter Eberhard Rahm ausgebaut.

Es gab keine großen Gebäude, die die Firma ­hätte anmieten können – somit musste der Betriebsleiter mehrmals täglich von einem Betriebsteil zum anderen fahren. Dabei wurden ­Teile von A nach B geschafft. Die weiteste Entfernung betrug rund 15 Kilometer (Klingenthal – Erlbach – Mark­neukirchen). Erst 2000 wurde das große und neue Gebäude in Markneukirchen eingeweiht. Anfang der 2000er Jahre war die Produktions­kapazität auf bis zu 60000 Klarinetten pro Jahr ausgelegt.

Der heutige Produktionsstandort in Markneukirchen (Foto: Archiv Buffet Crampon)

Trennung von Verlag und Instrumentenbau

Bei der Boosey & Hawkes-Gruppe gab es 2003 einen sogenannten Management-Buyout. Da­raus wurde mit einem Finanz­investor die Music Group. Man erkannte, dass die Betriebsfelder “Verlag” und “Instrumente” ganz unterschied­liche Kundenstämme bedienten und zu verschieden sind. Deshalb wurden die beiden Bereiche getrennt. Unter der Firma “The Music Group” waren unter anderem folgende Marken vertreten: W. Schreiber, Julius Keilwerth, Buffet Crampon, Rico, Besson und Winter (Instrumenten­koffer).

Die Boosey & Hawkes-Gruppe führte den Verlag weiter, die Instrumente wurden unter dem Schirm der Music Group vertrieben. In dieser Zeit war Nauheim immer noch ein Standort für die Schreiber- und Keilwerth-Produkte. Eine weitere Produktionsstätte befindet sich seitdem auch in Mark­neu­kirchen. 

Später gab es bei Buffet Crampon ebenfalls eine Unternehmensübernahme, wodurch die Music Group “Turbulenzen” ausgesetzt war. Dies war für Schreiber nicht ganz einfach. Denn Buffet Crampon war zu dieser Zeit der größte Ab­nehmer und Schreiber hatte die meisten Student-Böhm-Klarinetten geliefert. Schlussendlich musste man sich komplett neu aufstellen. Nach dieser schwierigen Zeit wurden 2010 die Marken W. Schreiber und Julius Keilwerth von der Firma Buffet Crampon mit Hauptsitz in Man­­tes-la-Ville übernommen, die selbst eine lange Tradition im Instrumentenbau und -vertrieb vorzuweisen hat. Nauheim ist heute kein Firmen- und Produktionsstandort mehr.

Der Unternehmenssitz der Buffet Crampon Deutschland GmbH ist heute Markneukirchen im Vogtland. Im Holzblasinstrumentenwerk sind rund 230 Mitarbeiter beschäftigt. Es werden dort Klarinetten, Saxofone, Fa­gotte und Oboen der Marken W. Schreiber, Buffet Crampon und Julius Keilwerth produziert. Die Betriebsleitung liegt in den Händen von Joa­chim Stark, Geschäftsführer ist Volker Voigt.

Das Besondere der Schreiber-Klarinette

Während bei Buffet Crampon der Fokus auf dem französischen Böhm-System liegt, ist er im deutschsprachigen Markt auf dem deutschen System. Interessant sind vor allem die letzten Optimierungen, welche 2020 voll­zogen wurden: Alle B-Klarinetten-Modelle wurden grundlegend überarbeitet.

Die modifizierten Instrumente tragen den Modellzusatz “Generation 2.0“. Dabei wurden modellübergreifend die unterschiedlichsten Neuerungen durchgeführt: “Es handelt sich dabei nicht nur um kosmetische ­Veränderungen, sondern vor allem um funktionelle Anpassungen”, so Vincent Ribes, ­Sales Promotion & Artist Relations Manager bei Buffet Crampon Deutschland. Er ergänzt: “Das Tonlochnetz wurde optimiert, um den Blaswiderstand zu verringern und um eine ausgeglichenere Intonation zu erhalten. Ei­nige Positionierungen von Klappen wurden verändert, um die Deckung der Polster und Klappen zu verbessern. Einen positiven Effekt auf den Klang, die Tragfähigkeit und die Projektion des Instruments verursacht eine neu entworfene Becherform. Die Klangentfaltung wurde dabei in den Fokus gerückt. Damit wird der Klang voller, tragfähiger und durchdringender. Die Innen­bohrung wurde zu­sammen mit der Schallstückform überarbeitet, wodurch ein besserer Luftfluss erreicht wurde. Optisch wurden die Klarinetten ­einer neuen Oberflächenbehandlung unterzogen. Die Maserung des Holzes wurde sichtbarer und soll damit die Natürlichkeit des Produkts hervorheben.”

Der Marke W. Schreiber ist es nach wie vor ­besonders wichtig, als langjähriger, ver­trauens­würdiger und verlässlicher Partner für die Musizierenden, die Musiklehrenden und deren Schüler zu agieren. “Das Vertrauen wurde über viele Jahre aufgebaut und hat bis heute Bestand”, so Ribes. 

Kreativität und Nachhaltigkeit

Die Firma nutzt auch die Zeit während der an­haltenden Pandemie: Mit der neuen Produktlinie “Generation 2.0” wurde in 2020 zusätzlich eine “Starthilfe 2.0” durchgeführt. Ziel ist es, damit die Fachhändler und das Musik­leben im Allgemeinen zu unterstützen. So wurden zum Beispiel Rabatt­e auf Klarinetten und Fagotte gewährt.

Grundsätzlich sind das Marketing und die Eventkultur wichtige Säulen der Firma. So wurden vor einiger Zeit der neue große Showroom und ein Konzertsaal in Geretsried eingeweiht, um Veranstaltungen auch im eigenen Haus organisieren zu können. In “normalen” Zeiten stehen etwa 120 Eventtage in ganz Deutschland und Österreich an. Die Firma möchte trotz seiner Größe kein anonymes Unternehmen sein und wird, sobald es wieder möglich ist, erneut die Nähe zum Kunden suchen. 

Auch in Sachen Nachhaltigkeit engagiert sich das Unternehmen – zwar nicht spezifisch unter der Marke W. Schreiber, jedoch ist bereits unter der Marke Buffet Crampon die “Green Line”-­Serie entstanden. Es handelt sich dabei um Klarinetten- und Oboen-Modelle, die aus Komposit-Mate­rial, also aus Holzspänen und Kunststoff, bestehen.

“Auch wenn sich in diesen Zeiten alles etwas lang­samer dreht, bleiben wir nicht stehen”

Der Umweltgedanke in Bezug auf die Instru­mente sei noch nicht im Bewusstsein der Musizierenden angekommen. Dennoch macht man sich im Hause Schreiber bereits Gedanken und bereitet sich vor. Produktionsstätten werden heute gemäß den Umweltvorschriften betrieben. Viele Fertigungsschritte erfolgen noch in Handarbeit. Mit dem Einsatz von CNC‐Maschinen und neuesten Technologien zählt die Holz­blasinstrumenten­fertigung in Markneukirchen zu den modernsten der Welt. Im Bereich Forschung und Entwicklung herrscht nie Stillstand.

Zudem werden selbstverständlich sämtliche ­CITES-Zollbestimmungen eingehalten, also die verpflichtende Angabe zur Herkunft des Holzes. CITES (Convention on International Trade in Endan­gered Species of Wild Fauna and Flora),
im Deutschen als Washingtoner Artenschutz­abkommen bekannt, bezeichnet das Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten freilebenden Tieren und Pflanzen. Es wurde bereits 1973 aufgrund des dramatischen Rückgangs vieler Arten durch Wilderei und Handel geschlossen. Deutschland gehört zu den Erstunterzeichnern, übrigens auch als erster EU-Staat. International trat CITES 1975 in Kraft. Bei der Produktion der Instrumente steht der Umweltschutz an höchster Stelle und alle staat­lichen Vorgaben werden erfüllt. 

Ausblick

Für die Zukunft sind verschiedene Projekte in Arbeit. Mit den Veranstaltern vom “Woodstock der Blasmusik” besteht eine exklusive Partnerschaft, die auch die Marke W. Schreiber umfasst. Der Woodmaster 2019 und Soloklarinettist der Wiener Philharmoniker, Matthias Schorn, ist für Buffet Crampon an der Entwicklung der ­neuen Deutschen Klarinette beteiligt. “Auch wenn sich in diesen Zeiten alles etwas lang­samer dreht, bleiben wir nicht stehen”, betont Vincent Ribes.

Derzeit lohnt auch ein Blick in die ­sozialen ­Medien: Mehrmals im Monat erscheinen auf Facebook Beiträge zur News-Serie “Wenzel Schreiber Historie…”. Ein kleines Trostpflaster zum großen Schreiber-Jubiläum – und derzeit doch eine wertvolle Möglichkeit, den Kontakt zu Kunden und Musikern zu bewahren. 

www.w-schreiber.com

www.buffetcrampongroup.com

Dieser Beitrag erschien in der Ausgabe 7-8/2021 der Fachzeitschrift für Blasmusik, BRAWOO – Brass Wood Orchestra.