Beim jüngsten Forum „Musik & Medizin“ auf Schloss Kapfenburg hielt Dr. med. Antonia Pfeiffer einen Vortrag über Klopftechniken. Zu diesem Thema hat die in Hannover praktizierende Ärztin nun auch ein Buch geschrieben: „Emotionale Erinnerung – Klopfen als Schlüssel für Lösungen: Neurowissenschaftliche Wirkhypothesen der Klopftechniken“. Was hat es damit auf sich?
Der Untertitel „Reden reicht nicht!?“ ist der Name der Buch-Reihe, in dem das Buch im Carl-Auer Verlag erschienen ist und zugleich der Name des Psychotherapie-Kongresses „Reden reicht nicht!?“, der in diesem Jahr wieder in Würzburg stattfinden wird. Der Name drückt aus, erklärt Antonia Pfeiffer, „was viele Therapeuten in der Arbeit mit großen Emotionen feststellen: Dass hier das Reden oft tatsächlich nicht reicht und es hilfreich ist, körperliche Methoden zur Emotionsregulation in den Prozess zu integrieren“. Wir haben trotzdem mit Dr. med. Antonia Pfeiffer geredet.
Frau Dr. Pfeiffer, Klopftechniken hatten stets – oder haben immer noch – einen leicht esoterischen Anstrich. Sie aber haben Humanmedizin studiert. Gehe ich recht in der Annahme, dass Ihnen der wissenschaftliche Ansatz nicht ganz unwichtig ist?
Da haben Sie absolut recht! Ich habe acht Jahre zu den Klopftechniken geforscht, jede erdenkliche Studie gewälzt und im Rahmen der Doktorarbeit mit unserem Team die weltweit erste Studie zu den Klopftechniken mit dem Gehirnscanner durchgeführt. Und trotzdem war genau die Frage, ob das Klopfen nicht etwas esoterisch ist eine der ersten Fragen der Professoren in meiner Doktorprüfung. Daher: eine wunderbare Frage. Denn eigentlich sagt dieser esoterische Ruf der Klopftechniken tatsächlich mehr über uns als Gesellschaft aus als über die Klopftechniken selber. Denn das, was man beim Klopfen macht, ist bei hoher körperlicher Erregung – also Angst, Stress, Panik, Lampenfieber… – rhythmisch auf Körperpunkte zu klopfen.
Das ist aus wissenschaftlicher Sicht sehr logisch. Denn bei starken Emotionen ist immer der Körper involviert: Wir haben Herzklopfen, einen Kloß im Hals, die Hände oder die Stimme zittern, der Magen rebelliert. Ist es nicht interessant, dass wir als Gesellschaft es als esoterisch ansehen dann beruhigend auf Körperpunkte zu klopfen, es aber für wissenschaftlich halten Tabletten einzuwerfen, die – wie Antidepressiva – zum Teil vermutlich über einen starken Placeboeffekt wirken? Auch interessant, dass bei Babys ein ruhiges auf den Rücken klopfen durchaus nicht als esoterisch bezeichnet wird, wohl aber das Klopfen bei uns Erwachsenen.
Wie sind Sie persönlich auf die Klopftechniken gestoßen?
Ich habe als Medizinstudentin von meiner Patentante, einer systemischen Therapeutin, ein Buch über das Klopfen geschenkt bekommen. Dann war ich gleich so neugierig, dass ich im Studium schon den ersten Kurs bei Michael Bohne belegt habe. Er hat mit seiner Methode Prozess- und Embodimentfokussierte Psychologie – kurz PEP – die Klopftechniken entmystifiziert, weil er alle esoterischen Erklärungen über Bord warf. Ich war von seiner humorvollen und kreativen Arbeit gleich sehr begeistert und dann wurde mir die Doktorarbeit angeboten. Das war im Jahr 2014 und seitdem befasse ich mich mit der Frage was beim Klopfen wirkt und arbeite inzwischen auch als Ärztin mit PEP in eigener kleiner Praxis.

Dr. med. Antonia Pfeiffer
Studium der Kunstgeschichte an der
Ludwig-Maximilians-Universität München,
Studium der Humanmedizin an der medizinischen Hochschule Hannover (MHH); Promotion an der MHH zum Thema »Emotionsregulation durch Klopftechniken – eine fMRT-Studie«; Aus- und Weiterbildung in Prozess- und Embodimentfokussierter Psychologie (PEP) und zum Auftrittscoach mit PEP; seit 2021 Ärztin in eigener Praxis und Forschung im Insula-Institut für integrative Therapieforschung mit dem Schwerpunkt bifokale Stimulationstechniken.
Was genau verbirgt sich denn eigentlich hinter dem Klopfen?
Beim Klopfen aktiviert man mental ein belastendes Thema, also zum Beispiel einen mies gelaufenen Auftritt, der einem beim Vorbereiten auf den nächsten großen Auftritt immer reinfunkt. Oder aber belastende Emotionen, die in bestimmten Kontexten immer wieder auftreten. Dann klopft man parallel auf Hautpunkte, die aus der klassischen Akupunktur entnommen sind. Hier muss man allerdings sagen, dass gerade dieses Wissen über die Herkunft nicht nur hilfreich ist. Denn da haben die Klopftechniken natürlich den eher esoterischen Ruf abgestaubt.
Beim Klopfen sticht man jedoch gar nicht in die Punkte, sondern man klopft, das heißt: es ist auch Bewegung involviert und Rhythmus. Außerdem wird viel gelacht, es wird kreativ Sprache eingesetzt.
Man könnte sagen: man aktiviert beim Klopfen mental eine alte Angst und dann wird eine kreative neue Ganzkörpererfahrung gemacht, die auf allen Kanälen die Information sendet: Die Situation ist eigentlich inzwischen sicher.
Wie wendet man die Techniken an?
Das Praktische vorweg: Man kann das Klopfen sehr einfach lernen und es dann auch selber anwenden. Denn das Vorgehen ist immer sehr ähnlich. Zunächst ist es hilfreich innezuhalten und sich zu überlegen: „Worum geht es mir eigentlich grade? Was ist in diesem Kontext, in dieser Situation gerade das Problem?“ Dabei kann es zum Beispiel sein, dass einem eine Situation in der mehr oder weniger nahen Zukunft Aufregung bereitet. Dies kann vielleicht ein Auftritt sein, ein Gespräch mit der Chefin oder dem Chef.
Oft ist es so, dass man die Gefühle, die eine Konfrontation mit diesem Thema hervorrufen eher beiseite schiebt. Beim Klopfen holt man sie hervor und lässt sie zu, das heißt: Man stellt sich die Situation vor und spürt in den Körper herein. Oft zeigt sich dabei ein Unbehagen. Man kann an dieser Stelle dieses Unbehagen näher erkunden und fragen: „Was denke ich dabei über mich/andere/die Situation? An wen oder was erinnert mich dieser alte Auftritt? Diese Situation mit meinem Chef?“ Je näher man dem Kern des Unbehagens kommt, desto besser. Man kann, gerade wenn das Unbehagen groß ist oder auch im Stress direkt vor einem Auftritt auch gleich Klopfen.
„Was ist in diesem Kontext, in dieser Situation gerade das Problem?“
Dabei klopft man beim Denken an das stressige Ereignis auf die Hautpunkte, außerdem gibt es Phasen, in denen mithilfe von Sprache die negativen Gedanken zu dem Ereignis „verwirbelt“ werden und Phasen reiner sensorischer Stimulation. In relativ kurzer Zeit aktiviert man dabei immer die Angst, setzt beruhigende körperliche Signale, und richtet liebevolle Worte an sich selbst. Oft nimmt die Angst – oder die Aufregung, Scham, Wut – dadurch erstaunlich schnell ab. Für alle, die sich das ganze schwer vorstellen können kann ich YouTube-Videos empfehlen. Ich habe selber einen kleinen Kanal, wo man sich die Klopfsequenz anschauen kann. Es gibt auch ein super Video, in dem Michael Bohne live Musiker coacht und viele englische EFT-Videos gibt es auch.
Es gibt hier auch verschiedene Ansätze. Erklären Sie doch einmal kurz.
Ja, es gibt tatsächlich viele unterschiedliche Klopftechniken. Diese unterscheiden sich vor allem dadurch, wie und wann in der Klopfsequenz mit Sprache gearbeitet wird, wie die »Diagnostik« des Problems erfolgt und welche Wirkhypothesen es gibt. Die Methode PEP von Michael Bohne ist zum Beispiel stark von einer psychotherapeutischen Denkweise geprägt. Michael Bohne hat eine lange Liste an Tools entwickelt, die dann greifen, wenn der Prozess ins Stocken gerät. Mit diesen kann man in tiefe psychotherapeutische Prozesse einsteigen und hat zugleich aber immer das Klopfen als Tool zur schnellen Emotionsregulation an Bord und den Humor hat er auch ganz toll integriert. Dann gibt es die Methode EFT (Emotional freedom techniques) aus den USA, in der beim Klopfen selbst viel gesprochen wird, auch super spannend. Dann die Methode MET von Rainer Franke. Man könnte die Liste noch lange weiterführen. Das wichtigste ist glaube ich eine Methode zu finden, die zu einem passt.
In Ihrer Promotion und auch im Buch gehen Sie den (neuro-)wissenschaftlichen Wirkhypothesen der Klopftechniken nach. Wie sind sie diesen nachgegangen und auf welche Ergebnisse sind Sie gekommen?
Zunächst einmal: Es gibt super spannende Wirkhypothesen. Die wichtigsten sind eine Emotionsregulation über regulierende Rezeptoren in der Haut, eine Aktivierung des Vagus Nerven und eine direkte Wirkung auf unsere emotionalen Erinnerungen in den unbewussten Arealen im Gehirn. Vorgegangen bin ich wie folgt: Ich hab in meiner Doktorarbeit die weltweit erste Klopfstudie mit dem fMRT-Scanner durchgeführt. Dann hab ich die klinischen Studien zum Klopfen ausgewertet und mich dann auf die Suche nach Grundlagenforschung gemacht, die sowohl die fMRT-Ergebnisse als auch die Studien-Ergebnisse erklären können.
Es war so spannend wie ein Krimi, da es damals, als ich begonnen habe, noch nicht so viel Texte dazu gab und ich selber viel aus Studien zusammentragen konnte. Eine gute Studie zu finden war tatsächlich immer ein Gefühl wie Ostereier suchen und die Erklärungen haben mir ein wirklich tiefes Verständnis von Angst, dem Wunderwerk Körper und dem Wunderwerk Psyche gegeben. Daher auch der Wunsch, das Buch zu schreiben. Es war einfach so interessant!
Und da haben Sie erkannt, warum und in welchen Situationen die Klopftechniken wirken?
Also die Studienlage ist hier tatsächlich relativ eindeutig: das Klopfen scheint dann am besten zu wirken, wenn Menschen Angst haben, wenn also im Körper selber ein hohes Arousal zu spüren ist. Gute Studien gibt es auch zu dem Bereich der posttraumatischen Belastungsstörung und psychosomatischen Beschwerdebildern, also erneut zwei Krankheitsbilder, die mit viel Stress im Körper einhergehen. Was ja eigentlich sehr logisch ist, denn das Klopfen wirkt sich vermutlich regulierend auf unseren Körper aus.
Abschließend noch einmal ganz konkret: Welchen Nutzen können Musikerinnen und Musiker aus den Klopftechniken ziehen?
Gerade im Musiker-Coaching ist das Klopfen super. Ich habe lange Zeit viel mit Opernsängern und -sängerinnen gearbeitet und war immer wieder berührt, wie sich die Arbeit unmittelbar auf das Singen auswirkt. Das heißt: der Gesang ist oft direkt nach der Arbeit an den Emotionen zu dem einen Stück, dem einen blöden Auftritt, dem negativen Selbstwert, direkt verändert. Man sieht, wie eng Körper und Seele interagieren und es ist unglaublich schön zu sehen, wie schnell sie oft wieder in gute Kooperation kommen und Leichtigkeit in den Auftritt zurück kommt.
Musiker und Musikerinnen können das Klopfen dabei in vielen Bereichen nutzen. Das eine ist das Klopfen als Tool direkt beim Auftritt. Dann lohnt es sich auch wirklich mit einem so genannten Auftrittscoach zu arbeiten. Hier werden zum Beispiel der Selbstwert beim Auftritt direkt thematisiert oder alte schwierige Auftritte behandelt. Das schöne ist, dass die Arbeit meist sehr humorvoll ist und auch Spaß macht.