Brass | Von Daniel Ackermann

Was bringt der ERGO-Brass?

ERGO-Brass

Grundsätzlich bin ich aus meiner rustikal, dörflichen Musikvereinssozialisation heraus skeptisch gegenüber Spielhilfen für die Trompete. Und auch während des Studiums hat sich nichts daran geändert, heften doch einigen Spielhilfen einem Wunder gleichkommende Eigenschaften an, die versprechen, dass das Üben, die Arbeit mit dem Instrument, quasi von alleine gehen. Gelegentlich muss man sich aber auch überprüfen, ob es nicht doch sinnvolle Gerätschaften gibt. Da gibt es den ERGO-Brass beispielsweise. Ein Erfahrungsbericht.

Aus der Schar meiner Schüler gibt es neben den üblichen Verdächtigen auch manchmal besondere Kandidaten mit besonderen Schwierigkeiten. Mein langjähriger, erwachsener Schüler Andreas ist so jemand. Er hat seit Geburt eine Hemiparese links (für alle Nicht-Mediziner: seine linke Körperhälfte ist stark bewegungseingeschränkt, vor allem der linke Arm – unser Trompeten-festhalte-Arm.). Mit Hilfe der Burba-Brass Methode ist es uns gelungen, Andreas’ Trompetenspiel auf ein ordentliches Niveau zu bringen, sodass er seinem Hobby “Big Band” solide nachgehen kann. Je länger ein Konzert oder Probe allerdings dauern, desto mehr verkrampft sich seine Haltung. Dann ist es immer schwieriger, locker zu bleiben. Beginnt eine Verkrampfung im Körper, wird es immer mühsamer, da sie langsam aber sicher den ganzen Körper in Mitleidenschaft zieht. Bei An­dreas passiert dies früher als bei Trompetern ohne Einschränkung. Zwar haben wir herauszögernde Strategien entwickelt, aber wir waren offen herauszufinden, ob ERGO-Brass eine Erleichterung bringt.

Im Lieferumfang sind enthalten: Stab, Metallplättchen (hier schon an der Trompete montiert), Splint, Gürtelhalterung

Montage

Die Montage ist für Andreas mühsam, da er ja quasi nur einen richtigen Arm hat: “Für mich als Einhänder nicht praktikabel. Ich brauche also bei der Montage zur Spielbereitschaft Hilfe.” Gesagt, getan! Ich habe montiert, dann haben wir getestet. Zunächst muss man an der Trompete eine kleine Metallplatte befestigen. Danach den gelieferten Stab in ein Loch an der Metallplatte einführen und fixieren.

Test an Andreas

Im Sitzen stellt man den Stab auf die Sitzfläche des Stuhls, sodass das Gewicht der Trompete gemindert wird und man nur noch dafür sorgen muss, dass das Instrument nicht wegkippt. An­dreas spielt ein paar Tonleitern bis C“` und der erste Eindruck ist ok. Man erkennt auch: ERGO-Brass hat Einfluss auf die Haltung. Man nimmt die Trompete ein wenig höher, was einer leichteren (Zwerchfell-)Atmung zu Gute kommt.

Im Stehen steckt man den Stab in die mitgelieferte Gürtelhalterung. Effekt der besseren Haltung und Atmung ist gleichermaßen zu ent­decken. Gewichtsentlastung registriert Andreas auch.

Test an einem jungen Schüler

Auf den Internetseiten von ERGO-Brass wird die Spielhilfe auch für Kinder empfohlen. Gewichtsreduktion und bessere Haltung und dadurch bessere, freiere Atmung sind hier die Hauptargumente. Na dann los! David, 8 Jahre, ist voller Tatendrang. Aber es funktioniert nicht vernünftig. Im Sitzen, Stab auf die Stuhlfläche, kann man keine Einstellung finden, die es einem normal-gewachsenen 8-jährigen Schüler erlaubt, das Mundstück entspannt zu erreichen. Erst nach einigem Ausprobieren finden wir eine Position – aber relaxed ist es nicht. Leider hat in unserem Fall die Idee den Instrumentenkoffer zu benutzen auch nicht funktioniert. Genauso im Stehen. Was ist da los? 

Ein Blick auf die Internetseite von ERGO-Brass hilft weiter: ich hatte mir das ERGO-Brass for Trumpet full Set (140 Euro) besorgt und erwartet, dass es dann auch für alle Trompeter funktioniert. Nun fand ich heraus, dass ich mir wohl für Kinder noch das Telescopic Extention Set (44 Euro) hätte kaufen müssen, damit der Schüler im Sitzen und im Stehen den Stab auf den Boden stellen kann. Schade, das hätte man sicher anders lösen können!

Der Selbsttest

Im Sitzen: ja, es gibt eine Gewichtsreduktion. Man muss “nur” darauf achten, dass die Trompete nicht wegkippt. Leichte Haltungsverbesserung bei mir.

Im Stehen: Das Gleiche wie im Sitzen.

Eine Frage schwirrt mir aber dann doch im Kopf herum: Warum? Und da ist sie wieder, meine dörflich-rustikale Erziehung/Einstellung. 

ERGO-Brass

Für Trompete macht diese Spielhilfe für mich einen eingeschränkten Sinn: Das Instrument ist nicht so schwer, dass man diese Erleichterung wirklich benötigt (die auf dem Bild zu sehende Trompete liegt mit Mundstück bei 1,2 Kilogramm). Als Trompeter hat man genügend Entlastungspausen, für Kinder gibt es andere alternativen (Trompeten aus Plastik oder Kornette beispielsweise). In Spielpausen kann man die Trompete auch nicht auf dem Oberschenkel absetzen oder legen, sondern muss sie ja festhalten. Oder auch in den Trompetenständer kann man Sie nur umständlich stellen. 140, bzw. 184 Euro (inklusive Telescopic Extention Set) ist dann doch auch schon recht teuer.

Fazit meines Schülers Andreas: “Für mich maximal einsetzbar beim Üben, um sich eine bessere Haltung anzugewöhnen. Beim Gig und der Probe ist es für mich zu umständlich.”

Dem schließe ich mich an! Man kann sich mit ERGO-Brass eine bessere Haltung aneignen, in Realsituationen, auf Konzerten wäre es für mich eher hinderlich, geht die Gewichtsreduktion doch auch auf Kosten der Bewegungsfreiheit. Für Kinder ist die Grundidee zwar gut, um von Anfang an die Haltung in die richtige Bahn zu lenken, aber ich denke auch hier ist es wenig praktikabel in Konzertsituationen. Ebenso beim Üben: Kinder wollen doch vor allem erst einmal Spielen und sich nicht sofort einem Diktat unterwerfen. Hier ist der Lehrer gefragt, um mit Witz und Raffinesse eine ausgewogene Spielsituation (auch fürs Üben zu Hause) herzustellen. So manches mahnende Wort wirkt oft besser als eine Spielhilfe.

https://www.ergobrass.com