Brass | Von Tanja Dusel

Was haben Yoga und Blasmusik gemeinsam, LaBrassBanda?

LaBrassBanda
Fotos: Simon Toplak

LaBrassBanda führte die vom Bandchef exklusiv komponierte “Yoga Sinfonie Nr. 1” erstmals im Oktober 2020 live im Festspielhaus Füssen auf. 150 Yogis praktizierten dabei auf derselben Bühne 90 Minuten Yoga. Für Blechbläser sind die Parallelen zwischen Blasmusik und Yoga offensichtlich. Tanja Dusel sprach mit Stefan Dettl.

Stefan, hast du heute schon Yoga praktiziert?

Heute noch nicht, aber gestern habe ich eine Stunde Yoga gemacht. Dafür habe ich heute früh schon Schnee geräumt.

Welche Art von Yoga hast du ausgeübt?

Das war eine Stunde für Anfänger, die nicht allzu schwer war. Ein kleines bisschen Kraft, aber auch etwas Entspannung. Das ist eine gute Kombination. 

Wie kamst du denn auf die Idee, Blasmusik mit Yoga zu verbinden? 

Jeder von uns hat ein klassisches Musikstudium absolviert. Dort und später im Sinfonieorchester spielt man überwiegend Musik, die Emotionen ausdrückt. Gefühle mit Musik auszudrücken, das macht wahnsinnig Spaß und es gehören die verschiedensten Gefühlszustände dazu. Beim Yoga oder bei der meditativen Musik kann man sich dieser Ausdrucksform bedienen. Wir können da wie bei einer Ballade spielen. Dann kommen Klänge und Farben hinzu. Die Bläser sind prädestiniert hierfür, weil ganz besonders spannende Klänge möglich sind. Insofern war das für uns überhaupt nicht so exotisch. Durch die Pandemie-Situation war ja quasi vorgegeben, dass wir nur für 150 Personen gespielt haben. Wir wollten uns die Gelegenheit für dieses Konzert deshalb nicht entgehen lassen. Zudem wollte ich das schon immer mal ausprobieren. 

Waren denn viele Menschen im ersten Moment überrascht, dass gerade eine Band, die für energiegeladene Rhythmen und Party bekannt ist, auf Yoga kommt?

Das Schöne und Lustige dabei ist, dass unser Publikum absolut wandlungsfähig sein muss. Unsere Fans lieben das ja auch bei uns. Von Anfang an haben wir lustige Lieder auf unseren Platten: Titel mit Beat und rhythmisch orientierte Lieder, aber auch immer schon Balladen. Die Ballade ist ein Schwerpunkt bei uns. Auf jeder Platte ist eine zu hören. Wir haben gesehen, dass sich in Füssen sehr viele Leute total gefreut haben, dass sie die Balladen endlich mal live zu hören bekommen. Diese Gelegenheit gab es auf unseren Konzerten bisher noch nicht allzu oft. Für die echten Fans war es daher sicher nicht so überraschend, weil sie diese Seite von uns schon kannten – nur eben nicht live. Das ging uns auch so. Wir spielen diese ruhigen Nummern sehr gerne. Nur hatten wir bisher auf der Bühne wenig Gelegenheit dazu, mal eine halbe Stunde lang nur so etwas zu spielen. 

Wie kam es dazu, dass sich Band und Publikum gemeinsam auf der Bühne des Festspielhauses in Füssen trafen?

Das war natürlich Absicht. Lustigerweise ist da unser Veranstalter, Manfred Härtel aus Würzburg, mit dem wir schon seit zwölf Jahren Aktionen und Tourneen unternehmen, schuld. Er ist ein sehr netter und verrückter Tour-Manager. Im Sommer hat er uns besucht und den Vorschlag gemacht, dass wir aufgrund seiner guten Kontakte nach Füssen ins Festspielhaus trotz der aktuellen Situation mit einem guten Konzept etwas auf die Beine stellen könnten. Da haben wir angesetzt und die Sache weitergesponnen. Manfred ist ein total umtriebiger Typ. Er hat sich sofort ins Auto gesetzt und ist nach Füssen gefahren, um dort alles zu organisieren. Ich habe mir mit ihm dann alles vor Ort angesehen und schon ging es in die weitere Planung des Projekts. So kamen wir auf die coole Idee, alle miteinander auf der Bühne sein zu können. Das hat schließlich super funktioniert und war total spannend.

Ist es ein besonderes Gefühl und Erlebnis, Musiker und Fans während des Konzerts auf Augenhöhe wahrzunehmen? 

Total! Das macht am meisten Spaß. Wir kommen auch bei unseren normalen Konzerten ins Publikum. Das ist das Allerschönste. Oft kann man es nicht machen, weil natürlich jeder etwas sehen möchte. Der direkte Kontakt mit Menschen, was momentan ja leider überhaupt nicht geht, ist das Beste am Musikmachen. 

Wo siehst du konkret die Parallelen zwischen Yoga und Blasmusik? 

Die Gemeinschaft ist das Wichtigste. Das ist beim Yoga auch wichtig. Dabei darf man sein  wie man ist. Und in der gemeinsamen Praxis schafft man mehr als allein. Die Gefühle, die ich während dieser Yoga-Veranstaltung erleben durfte, waren überwältigend. Es kamen total verständnisvolle, aufgeschlossene und nette Menschen zusammen, die sich gefreut haben, das hier und jetzt mit anderen Menschen teilen zu dürfen. Diese Botschaft vermittelt auch Yoga: Man ist völlig okay genau so wie man ist. Das spielt in der Blasmusik auch eine sehr wichtige Rolle. Da darf auch der Bürgermeister neben dem Schüler sitzen und ihm sagen »Spiel mal die richtigen Noten« – die Akzeptanz ist auch hier gegeben. Weil das cool ist, dass alle zusammen sind. Das ist genau das, was Blasmusik kann und was auch eine Grundaussage von Yoga ist. 

War dieser Aspekt gerade auch jetzt in Zeiten der Pandemie besonders wichtig?

Absolut! Ich habe das auch in meiner eigenen Yoga-Vorbereitung erlebt. Profis und Anfänger dürfen nebeneinander üben. Das haben mir auch viele Menschen, mit denen ich mich darüber unterhalten habe, bestätigt. Ich habe selbst an Yoga-Kursen teilgenommen. Das war spannend, denn es hat dich nie jemand von oben herab behandelt. Es war egal, ob du als Anfänger oder Superprofi mitmachst. Das ist bei der Blasmusik oft dasselbe. Profis sind mit Anfängern zusammen und erschaffen gemeinsam schöne Dinge. Das beeindruckt mich. Es gibt so viele Gemeinsamkeiten. 

Praktizieren denn noch weitere Bandmitglieder aktiv Yoga?

Yoga im weitesten Sinne. In der klassischen Bläserausbildung geht es fundamental um Atemtechnik. Man schaut, dass man seinen Körper geschmeidig hält. Wenn dich irgendetwas im Körper blockiert, kannst du keine gute Blasmusik machen. Und auf der Bühne dann schon gleich gar nicht. Deswegen ist es für uns schon sehr wichtig, dass wir unseren Körper in Schuss halten und dass die Atmung funktioniert. Damit bekommt auch der Geist Platz. Jeder von uns hat dabei seinen eigenen Ablauf entwickelt. Vielleicht sind es nicht die traditionellen Yoga-Übungen, aber auf jeden Fall Atem- und Bewegungsübungen. Diese Praxis ist ein fester Bestandteil in unserem täglichen Training und für uns selbstverständlich.

Was würdest du speziell Bläsern an dieser Stelle mit auf den Weg geben wollen? 

Blasmusik soll in erster Linie für dich selbst eine Bereicherung darstellen. Egal wie gut du bist und welche Probleme du hast. Jeder hat Grenzen. Ich zum Beispiel kann keine hohen Noten spielen. Und je mehr ich trainiere, desto schlechter wird es. Dafür habe ich wunderschöne Er­fahrungen mit Tongestaltung, Klangfärbung und verschiedensten Harmonien gemacht. Das kann ich gut. Es ist wichtig, dass man das genießt, was man kann und woran man Spaß hat – und akzeptiert, dass man manche Sachen einfach nicht so gut draufhat und sich dennoch darüber freut, wenn es andere Leute können. 

Beim Yoga ist das auch so. Wenn einer den Handstand kann und du selbst nicht einmal den Schneidersitz, dann ist das völlig in Ordnung. Dann freu dich über das, was du hast und ge­nieße das. Das ist eine Grundaussage im Yoga. Diese Sichtweise nutzt jedem Blechbläser. Wenn man Lust hat, kann man drei, vier, fünf Stunden üben. Wenn ich aber sage, ich übe einfach nur zehn Minuten pro Tag, dann ist das auch in Ordnung. Dieser Umgang damit, dass es okay ist, so wie es ist, ist schon ganz schön cool.

Welche Rolle spielt die Atmung beim Yoga und bei der Blasmusik?

Die Atmung ist das Allerwichtigste. Es ist wichtig, dass man versucht, zum natürlichen Atmen zurückzufinden. Oft ist das Angelernte künstlich. Daraus entstehen Blockaden. Man muss lernen, mit jedem Atemzug einfach alles ganz natürlich wieder rauszulassen. Im Idealfall sollte das organisch funktionieren. Das ist ein langer Weg. Dort hinzukommen macht mir immer noch jeden Tag wahnsinnig Spaß. Zu spüren, wie es auf natür­liche Weise aus mir herauskommt. 

Du hast die “Yoga Sinfonie Nr. 1″ geschrieben. Dürfen sich die Fans auf Nummer 2, 3 und 4 freuen?

Ja, wir arbeiten derzeit daran. Wir versuchen, die Musik dafür zu finden. Die Zeit ist momentan ­dafür prädestiniert, ins Studio zu gehen. Auch dieses Yoga-Projekt treiben wir dabei voran. Es wird etwas total Schönes entstehen. Wir freuen uns, wenn wir das irgendwann einmal veröffentlichen dürfen und können. Möglicherweise wird es davon dann eine Reihe geben. Ich bin gerne im Studio, um diese Sachen zu komponieren. Das ist genau das, was mich komplett macht. Neben den Live-Auftritten viel Zeit im Studio zu verbringen. Deswegen kann ich mir sehr gut vorstellen, dass da noch mehr kommen wird.

Welchen besonderen Anspruch verlangt diese Art von Musik beim Schreiben?

Bei der sogenannten Partymusik ist für mich der Rhythmus unfassbar wichtig. Die Leute sollen sofort Lust bekommen, sich zur Musik zu be­wegen und zu tanzen. Ohne gescheiten Groove, der das Publikum gleich brutal kickt, kann man das Ganze vergessen.

Bei ruhigen Nummern ist es eher so, dass die Klangwelt entscheidend ist. Wohin gehen die Klänge? Welche Universen machen sie auf? Wo ist die Klangwolke? Wie schaut die aus und ist sie klein oder groß? Welche Farbe hat sie? Das ist total spannend, wie man hier mit den Klängen in Bläserwelten abtauchen kann. Es ist die Reise dorthin, die sehr viel Spaß macht. 

Wie habt ihr als Band das Event erlebt und was waren eure Highlights dabei, welche euch am meisten berührt haben?

Unsere normalen Konzerte sind schon sehr energetisch. Wir geben sehr viel an Energie ab und bekommen brutal viel Energie zurück. Bei dem Yoga-Ding war das prinzipiell auch so. Nur nicht in Energie, sondern in Gefühlen. Wir haben es sehr emotional aufgenommen. Du gibst ein sehr emotionales Stück und bekommst diese Emotionen ebenfalls brutal zurück. Das war eine neue Erfahrung für uns. Auch in Sachen Lautstärke,
da war kein Applaus oder Schreien, sondern ­Lächeln und Stille. Das war cool. Das hatten wir noch nie so. Wir waren auch die Tage darauf sehr ergriffen. Es war eine sehr schöne emotionale Erfahrung. 

Können wir also davon ausgehen, dass es dieses Format wieder geben wird, vielleicht auch mit mehr Publikum?

Ja, mit dem lustigen Manfred als Konzertveranstalter gibt es keine Ruhe. Er setzt jede Woche Konzerte an und diese werden natürlich jede Woche verschoben, aber sobald es wieder möglich ist, organisiert er sicher für uns auch solche Konzerte. Wir werden dann sehen, in welcher Form sich das entwickelt und wie groß die Veranstaltungen werden. Wir werden das mal größer und mal kleiner ausprobieren und schließlich das Format finden, was Spaß macht. Ich kann mir gut vorstellen, dass es in ganz kleinem Rahmen wirklich spannend ist, wenngleich es mit ganz vielen Leuten auch interessant sein kann. 

Ist es denn auch denkbar, dass dem Publikum vor jedem LaBrassBanda-Konzert künftig eine kleine Yoga-Einheit geboten wird?

Na ja, damit haben wir schon einmal schlechte Erfahrungen gemacht. Damals hatten wir jemanden dabei, der sich physisch um uns gekümmert hatte. Unsere Touren dauern oft fünf oder sechs Wochen am Stück und täglich sind Konzerte. Wir dachten, dass wir das professionell angehen müssen. Das war spannend, aber es entstand das Problem, dass uns die nötige Aktivität fehlte, wenn wir vor dem Konzert zu entspannt waren. Wir brauchen vor den Konzerten schon so eine Grundspannung und etwas Aufregung. Wenn wir total relaxed und entspannt auf die Bühne gehen, da kommen wir nicht in die Puschen. 

Wäre es dann angebracht, die Entspannung nach dem Konzert anzusetzen?

Wir sind so aufgedreht nach der Show… Was super funktioniert, ist am Nachmittag ein Fußballspiel anzuschauen oder zu kickern. Damit hat man so den richtigen Drive. Nach dem Konzert ist es dann perfekt, sich noch mit ein paar Leuten nett zu unterhalten und sich dabei ein, zwei Bier zu gönnen. So hat sich das mittlerweile eingespielt. 

Das ist dann sozusagen das Bier-Yoga?

Ja genau, das bayerische Yoga. (lacht)

Wie sind denn eure Zukunftspläne?

Wir sind eifrig am Planen und in der Produktion einer CD. Sobald wir mit den Aufnahmen fertig sind und es die Situation zulässt, werden wir ­diese ankündigen und präsentieren. 

Wäre es denn denkbar, ein Begleitbuch mit Yoga-Übungen und einer Anleitung zur CD zu veröffentlichen?

Spannender Vorschlag! Daran habe ich noch nicht gedacht. Es braucht sicher einige Konzerte, bis sich das so einspielt, dass man von einer ganz neuen Idee spricht. Grundsätzlich funktioniert so eine Yoga-Geschichte mit Atmen und Bewegung mit live gespielter Musik viel besser als mit CD. Vielleicht wäre dann eher eine Live-DVD, bei der man im Einklang mit der Atemtechnik sein kann, eine Möglichkeit. 

Aber das Gefühl, welches die gemeinsame Bühne auslöst, auch in Form von Schwingungen, das geht dann doch nur live…

Ja klar, das Live-Konzert bleibt immer besonders und anders. Genau das ist das Reizvolle dran.