Wood | Von Arcis Saxophon Quartett

Was ist das Flageolett? Fragen Sie das Arcis Saxophon Quartett

Ask ASQ
Diesmal antwortet Sopransaxofonist Claus Hierluksch (Foto: Harald Hoffmann)

Ask ASQ! – Fragen Sie das Arcis Saxophon Quartett Unter diesem Titel startete kürzlich die neue ­Expertenrunde rund um sämtliche Saxofonfragen. Schreiben Sie dem Quartett unter askasq@brawoo.de. Diesen Monat hat uns Leser Hermann-Josef Müller gebeten, etwas über Flageolett zu erzählen. Claus Hierluksch (Sopransaxofon) antwortet.

Ganz richtig hat er schon mal etwas von Überblasübungen á la Sigurd Rascher gehört und dass man auch – je nach Instrumentenart und Instrumentengröße – unterschiedliche Griffe verwenden kann. Aber es will bei Hermann-Josef nicht immer klappen. 

Zunächst einmal muss man begrifflich genau unterscheiden. Ich orientiere mich hier mal an Marcus Weiss und Giorgio Netti, die in ihrer „Saxofon­bibel“ Die Spieltechnik des Saxophons zwischen Flageolett und dem Altissimo-Register (auch Top Tones) unterscheiden.

Flageolett

Flageolett ist das Überblasen von Grundtönen. In jedem gespielten Ton schwingt ja nicht nur der Grundton mit (den wir am stärksten hören), sondern eine ganze Reihe an sogenannten Obertönen, die je nach Instrument und Klang unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Mithilfe von Ansatzveränderungen und Resonanzmanipulation im Hals- und Rachenraum kann man auf dem Saxofon sozusagen vom Grundton in einen der Obertöne springen. Das geht am einfachsten bei den ganz tiefen Tönen.

Aber Achtung: Bei dem Wort Flageolett denkt man schnell an den typischen Streicherklang, der eine ganz besondere Farbe hat. Das ist beim Saxofon nur bedingt so, denn schon die oktavierten Töne im Normalregister sind nichts anderes als überblasene Grundtöne (in diesem Fall aber mithilfe der Oktavklappe).

Doe Obertonreihe,. Flageolett
Die Obertonreihe

Dieses Überblasen der Grundtöne bildet in Sigurd Raschers Buch Top-Tones for the Saxophone die Ausgangstechnik für das Altissimo-Register (Top Tones), sprich alle Töne über dem normalen Umfang bis zum geschriebenen fis³.

Flageolett
Overtone Excercises, aus: Sigurd Rascher – Top-Tones for the Saxophone

Er räumt dieser Technik mit den Overtone Excercises auch ganz schön viel Platz in seinem Buch ein. Zu Recht! Denn zuallererst sollte man fühlen und verstehen können, wie man den Ansatz und die Resonanzräume verändern muss, um die Obertöne kontrollieren und zielgenau produzieren zu können. Ich würde sagen, es gilt „Trial and Error“: Nimm dir Raschers Buch zur Hand und übe, übe, übe. 

Was passiert im Kopf-, Rachen- und Mundraum?

Wenn du genauer wissen willst, was währenddessen im Kopf-, Rachen- und Mundraum so geschieht, habe ich einen tollen Tipp: John Harle gibt in seinem Buch Saxophone: The Art and Science of Playing and Performing wertvolle Einblicke in diese Prozesse, die man sonst eben nicht sehen, sondern nur nachempfinden kann. Dabei ist das Wissen, was geschieht, Gold wert. Man muss ja wissen, wohin man fühlen soll. 

Flageolett
Aus John Harle – The Saxophone: The Art and Science of Playing and Performing

Ich habe dieses doppelbändige Buch erst kürzlich entdeckt und es hat mir in vielen Bereichen die Augen geöffnet, wo ich vorher nur geraten habe. Größte Empfehlung!

Altissimo-Register

Wenn man diese Überblastechnik beherrscht, dann kann man sich an die ganz hohen Töne heranwagen, das sogenannte Altissimo-Register oder die Top Tones. Und da kann man hoch hinaus: Statt der üblichen zweieinhalb Oktaven geht’s bis zu vier Oktaven rauf. Die Technik des Blasens bleibt im Grunde genommen die gleiche wie oben beschrieben. Aber jetzt kommen die Spezialgriffe ins Spiel. Mit deren Hilfe kannst du die Top Tones etwas zielsicherer treffen. Allerdings sind diese so individuell wie der Spieler und das Instrument. Da hilft nur Ausprobieren, was dir persönlich liegt. Einen guten Startpunkt in Form einer Übersicht, welche Griffmöglichkeiten es überhaupt gibt, findet man in den genannten Büchern. Eine gute Sammlung finde ich auch die von Saxofonist Johan van der Linden.

Und dann heißt es einfach loslegen: Spiele ein Kinderlied, ein Weihnachtslied oder irgend eine andere Melodie, die in deinem Kopf ist, einfach eine Oktave höher. Langsam und mit Geduld. Am besten baust du die Flageolettübungen und Top Tones in deine täglichen Übungen mit ein, sodass sie ein natürlicher Bestandteil neben Tonleitern, Dreiklängen und Licks werden.

Ich hoffe, diese Tipps helfen dir weiter. Eines möchte ich aber noch ver­raten: Auch bei mir klappt das oft nicht. Es ist eine schwierige, unzuverlässige Technik, man braucht eine ordentliche Blasgeschwindigkeit (das heißt: leise wird’s schwierig!) und die Griffe sind umständlich, sodass die Virtuosität in diesen Höhen auch eingeschränkt ist. Und die Intonation, puh… das ist dann ein anderes ­Thema für das nächste Mal.