Brass | Von Redaktion

Was ist eine Brassband?

Brassband Düren
Foto: J.M. "LUPO" LUDOWICY

Frei nach dem Spielfilm “Die Feuerzangenbowle” fragen wir: “Also, wat is en Brassband? Da stelle mer uns janz dumm. Und da sage mer so: Ne Brassband is nen Ensemble, dat brassed.” Und im Ernst: Wörtlich übersetzt ist es eine Band, also ein Ensemble für Messinginstrumente. Die daraus resultierenden Besetzungsformen und beteiligte Instrumente können dabei sehr unterschiedlich sein.

In Amerika weit verbreitet ist die Besetzungsform der “New Orleans Brass Bands”. Im 19. Jahrhundert entstanden, musizieren hier Trompeten, Posaunen, Sousafone, Klarinetten, Saxofone und Percussion gemeinsam. Musikalisch bedienen sich diese Ensemble oft bei Stücken der afrikanischen Folkmusik und der amerikanischen Militärmusik oder bei Gospels oder Spirituals. Stücke wie “Oh when the saints”, “Sing on” oder “Just a closer walk with Thee” prägten lange das Spiel dieser Bands, bevor ab den 1970ern vermehrt Elemente des Funk, Soul und HipHop eingebaut wurden. Bands wie die Olympia Brass Band, die Dirty Dozen Brass Band, die Hot8 Brass Band oder die Young Tuxedo Brass Band begeisterten nicht nur in Konzerten, sondern traten viel auch als Marching Bands in Paraden oder bei Festen auf.

Sehr beliebt waren diese Brassbands auch bei Beerdigungen, wo sie zunächst Trauermusik intonierten, die, sobald der Sarg im Grab verschwunden war, in wilde Tanzmusik mündete. Das Element der Improvisation war und ist hier sehr stark vertreten.

Brassbands füllen ganze Konzerthallen

Aktuell füllen Bands wie die “Youngblood Brass Bands”, “Lucky Chops” oder die “Soul Rebels” ganze Konzerthallen und auch ihre deutschen Vertreter wie “La Brass Banda”, “Marshall Cooper” oder die Rheinländer von “Querbeat” begeistern viele Menschen mit Ihren Messinginstrumenten. Schöner Funfact, der immer mehr in Vergessenheit gerät: Querbeat entstand 2001 als Bläserklassenprojekt von Erhard Rau an einem Gymnasium in Bonn-Beuel, bevor die Band über den Kölner Karneval groß wurde und beschloss, professionell als Party- und Festival­act durchzustarten. Die Brassband »Meute« geht einen ganz eigenen Weg, indem sie Technomusik mit Brassband-Musik verbindet und so tanzbare elektronische Beats mit ihren akustischen Instrumenten darstellt.

YBB Brassband

Martin ­Schädlich 

studierte Instrumentalpädagogik bei Malte Burba, Jazztrompete bei Axel Schlosser und Barocktrompete bei Hannes Rux. Er ist Autor im Schott-Verlag, Yamaha-Artist und lizenzierter Burba-Brass-Dozent.

Er ist künstlerischer Leiter des Festivals Düren Summer Brass, der Brass Band Düren, Brass für Spass und der YBB NRW, mit der er u.a. in der Kölner Philharmonie, in der Duisburger Mercatorhalle, auf der Zeche Zollverein und beim renommierten Achtbrücken Festival konzertierte.

Balkan Brassbands haben einen ähnlichen Ursprung, sind jedoch wesentlich älter. Bereits um 1335 wurde ein Trompeter in Dubrovnik erwähnt, und zahlreiche Kirchenfresken belegen die wichtige Rolle der Trompete für die serbi­sche Musik. Im 19. Jahrhundert entstanden dann ­viele Formationen im heutigen Serbien ebenso wie in Bosnien und Herzegowina, Montenegro, Mazedonien, Rumänien, Moldawien, Kroatien oder Bulgarien. Sehr beliebt bei aller Art von Festen, insbesondere bei Hochzeiten spielen hier oft drei bis vier Tenorhörner gemeinsam mit drei bis vier Trompeten, einem Sousafon und wahlweise auch Saxofonen oder Posaunen zusammen.

Sehr markant ist der Einsatz der großen Trommel und der Snare Drum, die zum Teil mit einer Art Peitsche gespielt werden und unglaubliche Lautstärken erreichen, die Musiker ebenso wie das Publikum in Ekstase versetzen und den Melodien wie “Djelem, Djelem” oder “Mese­cina” Leben einhauchen. Goran Bregović und Boban Marković sind neben vielen anderen berühmte Trompeter dieses Genres, die mit ihren Orchestern sich gerne auch miteinander messen.

Legendär ist das Guca-Festival, das mit 400 000 Besuchern aufwartet. Bei den Balkan Brassbands sollte man auch nach dem Begriff “Fanfare” Ausschau halten, denn etwa die “Fanfare Ciocarlia” ist eine der erfolgreichsten und aktivsten Formationen dieses Genres.

Die sinfonische Brassband

Eine komplett andere Richtung schlägt die sinfonische Brassband-Besetzung ein, die ihre Wurzeln in Großbritannien hat: Die ersten Brassbands wurden um 1830 von Arbeitern gegründet, die in Kohlebergwerken, Mühlen und Fabriken im Norden Englands arbeiteten. Bis 1895 entstanden so rund 4000 Brassbands. Die Besetzung war damals noch sehr unterschiedlich, Flöten und Klarinetten gehörten ebenfalls dazu. Erst im Laufe der Zeit kristallisierte sich die Einheitsbesetzung heraus. Die typische Besetzung einer Brassband besteht heute aus 25 Blechbläsern (zehn Kornette, ein Flügelhorn, drei Althörner, zwei Baritons, zwei Eufonien, drei Posaunen und vier Tuben) und drei Schlagwerken. Die Bands spielten in der Frühzeit keinerlei Originalwerke, sondern nur Transkriptionen von Volksliedern, Märschen und klassischen Werken. Percy Fletcher komponierte 1914 mit “Labour and Love” das erste Originalwerk für Brassband.

Durch die sehr beliebten Wettbewerbe wurden viele Bands der Stolz ihrer Firmen, die sie unterstützten und finanzierten. Oft gaben die Firmen ihren Bands auch den Namen. Der Musikstil verbreitete sich ab Mitte dieses Jahrhunderts sehr rasch über die Grenzen Großbritanniens hinaus. Den Anschluss an die Bewegung haben vor allem Norwegen, die Schweiz, Belgien und Holland geschafft.

Brassband in der Heilsarmee

Ende der 60er Jahre des 19. Jahrhunderts entwickelte sich eine zweite, komplett separat verlaufende Brassband-Tradition. Die aus der methodistischen Kirche Englands hervorgegangene Heilsarmee entdeckte die Besetzung der Brassband für sich und setzte sie an Stelle eines Posaunenchores oder als Orgelersatz in den eigenen Gemeinden und bei Straßengottesdiensten ein. Noch bis Anfang der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts spielten diese Bands ausschließlich Musik eigener Komponisten. Es gab einen eigenen Verlag, der für säkulare Orchester nicht zugänglich war. Da die Heilsarmee international tätig ist, verbreitete sich die Orchesterform der Brassbands in vielen Ländern dieser Welt.

Mittlerweile ist die strikte Trennung von säkularen Brassbands und denen der Heilsarmee aufgehoben, und es besteht ein reger musikalischer Austausch und Kontakt zwischen Bands beider Traditionen. Das klangliche Vorbild einer Brassband ist zum einen das klassische Sinfonie­orchester und zum anderen der gleichmäßige Sound einer Orgel. Mit den Blechinstrumenten strebt man einen weichen, voluminösen Klang an. Die einzelnen Stimmen werden solistisch aufgeführt. Ein alljährliches Kräftemessen der europäischen Spitzenbands findet im Rahmen des Europäischen Brassband Wettbewerbes statt. Er gastiert jedes Jahr in einem anderen Land.

Start einer Serie 

Dieser Beitrag von Martin Schädlich ist der Start einer Brassband-­Serie, die in den kommenden Ausgaben der BRAWOO stattfinden wird. Weitere Artikel werden sein: 

  • Die Besetzung einer Brassband, wer darf denn alles mitspielen und warum?
  • Brassband-Musik – was spielt Ihr denn da so?
  • Brassband als Ausbildungssystem
  • Die Geschichte der deutschen Brassband-Szene
  • Brassbands und Blasorchester, das muss sich doch beißen!