Orchestra, Schwerpunktthema | Von Hans-jürgen Schaal

Was macht ein Satzführer? – Die wahren Helden des Bigband-Jazz

Dass Marshall Royal ein besonderes Talent zum Satzführer besaß, zeigte sich schon früh. »Die erste Band, in der ich spielte, hieß Curtis Moseby’s Blue Blowers. Ich ging noch zur Highschool, ich war wohl 16 Jahre alt. Ich begann als zweiter Altist, aber innerhalb von ein paar Monaten machte man mich zum Leadspieler. Seitdem habe ich immer Lead-Alto gespielt.«

In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg hatten es die Bigbands schwer – die Swingmusik war out. Count Basie, einer der erfolgreichsten Bigband-Leiter der 1930er Jahre, löste damals sein Orchester auf und arbeitete nur noch mit einer Septett­besetzung. 

Marsahall Royal – der erste moderne Satzführer

Als er dafür 1950 einen neuen Klarinettisten brauchte, kam ein gewisser Marshall Royal (1912 bis 1995) ins Spiel. Als Basie zwei Jahre später wieder eine Bigband gründete, übernahm dieser Marshall Royal auch die Führung des Saxofonsatzes und wurde der künstlerische Leiter des ganzen Orchesters. Diesen Job behielt er fast 20 Jahre lang bei. 

Viele sehen in Marshall Royal den ersten modernen Satzführer. Er pflegte auf seinem Alt nicht einfach nur die erste Stimme zu spielen, sondern er gestaltete sie wie ein Solist – sein Vorbild war offenbar Johnny Hodges von der Konkurrenzband von Duke Ellington. 

Marshall Royals Ausgestaltung der Führungsstimme bildete das Muster für den ganzen Saxofonsatz, der dadurch eine sehr eigene Stilistik, Dynamik, Phrasierung und Intonation bekam. Die von Marshall Royal geführten Saxofonsätze wurden ein prägendes Element in Basies Nachkriegs-Orchester, dem sogenannten »Second Testament«.

Mann im Hintergrund

Schon 1940 hatte Marshall Royal mitgeholfen, die erste Bigband von Lionel Hampton auf die Beine zu stellen – Hampton war gerade bei Benny Goodman zum Star geworden. »Diese Band war mein Baby«, sagte Royal 1964 in einem Interview. »Ich half Lionel bei der Organisation. Keiner von uns [außer dem Bandleader] war schon 30 Jahre alt, ich war 27, Dexter Gordon war der Jüngste mit 16 – auch er war irgendwie mein Baby.« 

Dexter Gordon und andere Solisten der Hampton-Band wurden berühmt. Marshall Royal dagegen blieb im Hintergrund, aber er trug die Verantwortung für den Saxofonsatz. Genauso wie später in der Basie-Band, bei der er sogar die kompletten Orchesterproben leitete.

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