Aus der Fülle der Fragen, die Malte Burba immer wieder erreichen, greifen wir jeden Monat einige heraus, die alle interessieren könnten. Im aktuellen Beitrag geht es um die Trompete für einen psychisch labilen Kranken, Sinn und Unsinn von Online-Unterricht und eine Übung gegen chronisches Plattsein. Wenn Sie eine Frage haben, die auf dieser Seite beantwortet werden soll, dann mailen Sie an: burba(at)brawoo.de
Einem psychisch labilen Bekannten ist vom Psychotherapeuten geraten worden, ein Musikinstrument zu erlernen und wurde besonders die Trompete empfohlen. Ich habe Zweifel, ob da die Trompete die richtige Wahl ist, oder?
Zu Recht haben Sie Zweifel oder etwas deutlicher: es ist die größte Dämlichkeit! Ein Waldspaziergang, Sport oder ein Musikinstrument, auf dem man schneller Musik machen kann als auf der Trompete, bieten alle weniger Gelegenheit und Notwendigkeit, sich mit sich selbst anstelle einer Sache zu beschäftigen. Wahrscheinlich gibt es nicht viele Dinge, die die menschlichen Frustrationstoleranz mehr ausreizen als das Spiel auf der Trompete. Durch die physikalische Besonderheit bei der Tonproduktion ist man einfach gezwungen, sich ständig mit seiner physischen und mentalen Unzulänglichkeit zu arrangieren. Lange bevor man sich irgendwie mit den Dingen beschäftigen kann, die einen ursprünglich zu dem Instrument verführt haben. Nach meiner (immerhin 38-jährigen) Erfahrung als Hochschullehrer hilft ein Instrument wie die Trompete nicht nur nicht bei psychischen Problemen, sondern verstärkt sie in der Regel mehr oder weniger gravierend.
Es ist nicht lange her, da haben Sie massiv gegen Online-Unterricht gewettert (Clarino 9/2012, 5/2017). Jetzt bieten Sie das aber auch an. Haben Sie Ihre Meinung geändert oder brauchen Sie Geld?
Weder noch! Es gibt tatsächlich Dinge, die je nach technischer Ausstattung (Netzqualität, Kamera etc.) nur schlecht bis überhaupt nicht gehen: Dynamik, Klang, Artikulation. Allgemeine Fehler, wie teilweise das Einatmen oder Ansatzprobleme, lassen sich recht gut online erfassen. Ebenso sind einige Übungen ohne Instrument (Lippen/Zunge) sogar sehr gut ohne unmittelbaren Live-Kontakt kontrollierbar wie auch einige Funktionsübungen auf dem Instrument (zum Beispiel „bending“). Ob jemand aber stützt oder wo er sich beim Spielen verkrampft, also an Stellen anspannt, an denen diese Anspannung nicht gebraucht wird, lässt sich nur durch persönliche Präsenz und Intervention eindeutig erkennen und gegebenenfalls reparieren.
Die letztlich entscheidenden Dinge, wie die musikalische Gestaltung und Überzeugungskraft, bleiben ohnehin online auf der Strecke. Wenn man also jemanden schon eine Weile kennt, kann Online-Unterricht ein praktikabler, vorübergehender Ersatz oder eine alternierende Ergänzung sein. Bei gänzlich Unbekannten driftet es sehr schnell in Richtung verantwortungsloser Unseriosität ab. Deshalb habe ich auch bisher bei einem guten Dutzend Anfragen schon nach dem Vorspiel einer Tonleiter abgebrochen und auf herkömmlichen Offline-Unterricht verwiesen.
Mir tut beim Spielen so die Fresse weh, dass ich mich nicht auf die Musik konzentrieren kann. Töne bleiben weg usw. Was kann ich gegen dieses chronische Plattsein machen?
Da Sie offensichtlich keinen Ansatzfehler haben, bleibt Ihnen zunächst nur übrig, mit mehr Pausen und insgesamt weniger zu üben! Das sollte normalerweise helfen. Wenn nicht, greifen Sie zu einer der in Ihrer Situation nervigsten, aber auch erfolgversprechendsten Übungen:
Legen Sie vor sich den Instrumentenkoffer oder eine Decke/ein Kissen und üben ganz normal, was auch immer. (Wenn Sie keine Angst vor Dellen haben, können Sie auf diese Vorsichtsmaßnahme auch verzichten.) Allerdings legen Sie bei jedem zweiten Atemzug das Instrument ab. Wirklich aus der Hand nehmen und hinlegen! Denn dann ist nicht nur die Pause ausreichend lange, sondern das Gehirn muss jedes Mal neu starten, was überraschend positive Effekte mit sich bringt. Probieren Sie es aus, aber halten Sie diese Übestrategie mindestens drei Tage, besser eine Woche durch!