Was übst du eigentlich, wenn Du übst? Eine seltsame Frage. Im ersten Moment scheint die Antwort lächerlich klar: »Na, mein Instrument!«, oder »Dieses Stück, diese Stelle«, vielleicht auch »Technik«, »Finger«, »Atmung«. Aber wenn wir mit der Frage einen Schritt weitergehen: »Und was denn dabei genau?« Dann wird’s interessant.
Eine gute Frage!
Die Überschrift ist ein wunderbares Beispiel für eine »denkanregende Frage«, wie es in der Pädagogik so schön heißt. Und die Studierenden meiner Methodik-Seminare werden Ihnen bestätigen, dass ich gern meine Kurse mit solchen Fragen einleite. Denn »selber denken« ist doch viel besser zum Lernen und Verstehen geeignet, als Merksätze von der Tafel abzuschreiben.
Zudem ist es für mich spannend zu beobachten, welche unterschiedlichen Denkrichtungen sich in der Gruppe auftun – und die sich daraus ergebenden Diskussionen auf der Suche nach der »richtigen« Antwort (die es ja nicht gibt) sind für alle Beteiligten ein sehr bereichernder Prozess.
Mit dieser Ausgabe der CLARINO startet eine neue Reihe. Ausgehend von der Spielweise der Flöte, meinem Instrument, werde ich Tipps und Anregungen geben, wie das eigene Üben bewusster, strukturierter und damit effektiver angegangen werden kann, indem etwa die verschiedenen Ebenen der Wahrnehmung, der Koordination aufgezeigt werden.
Denkanstöße für alle Instrumentalisten
Da dieser Weg für jede Form des (instrumentalen) Lernens hilfreich ist, werden auch Nicht-Flötende die eine oder andere Idee für den Umgang mit ihrem Instrument nutzen können. Und auch für das Unterrichten oder die Probenarbeit mit einem Ensemble ist es interessant, sich immer mal wieder zu überlegen, warum ich mit meinen Schülern bestimmte Übungen mache oder mit meinem Ensemble in dieser und jener Weise probe. Und – ein Schritt weiter – ob meinen Schülern bewusst ist, was sie mit diesen Übungen trainieren sollen.
Was üben Sie?
Also: Was üben Sie? Überlegen Sie vorher genau, was Sie heute machen möchten, worauf Sie achten werden? Welche »Trainingseinheiten« zurzeit wichtig sind? Und spielen Sie sich ein? Warum? Was versprechen oder erhoffen Sie sich davon? Worauf achten Sie dabei? Und was ist anders, wenn Sie sich nicht einspielen?
Schon irgendwie nervig, diese Fragen über eigentlich selbstverständliche Abläufe. Wie bei einem kleinen Kind, das immer nur »Waruhum?« fragt. Wir versuchen, geduldig die Zusammenhänge zu erklären, warum ein Vogel fliegen kann, warum Butter auf das Brot geschmiert wird, warum man nicht immer Ferien haben kann… bis wir es schaffen, das Kind mit etwas anderem abzulenken oder es keine Lust mehr auf die Fragerei hat. Ein »Das macht man eben so« wird in der Regel nicht als Antwort akzeptiert.
Seltsamerweise beobachte ich aber genau dies, wenn ich beispielsweise meine Erstsemester nach deren Übegewohnheiten frage. »Einspielen, Technik, Zunge, Tonleitern, Stück…« Ein »Und warum übst Du das?« führt meist zu großer Verwirrung. »Aber macht man das denn nicht so?«
Sicher ist Routine wichtig. Auch Rituale und immer wiederkehrende Übungen haben ihre Berechtigung und sind für den Lernerfolg nötig. Vorausgesetzt, ich bleibe mit wachem Kopf dabei und bin mir bewusst, was ich in diesem Moment üben, trainieren will. Sonst öffne ich Fehlern und ungünstigen Gewohnheiten die Tür!