Im Frühjahr hat Wayne Shorter mit dem klassikbeeinflussten »Allegria« seinerstes akustisches Studioalbum seit 1967 auf den Markt gebracht – sicherlich mit eines seiner dichtesten in Sachen Aufbau und Stil. Seine neue Band wird als eine der kreativsten Gruppen der aktuellen Musikszene umjubelt, als ein Quartett, das sich innerhalb beeindruckend kurzer Zeit sehr viel musikalische Intensität zugelegt hat. Das Vorläufer-Album von »Allegria«, »Footprints – Live!«, stellte bereits die Popularität der Band um Shorter, der im August seinen 70. Geburtstag feiert, unter Beweis und sicherte ihm zahlreiche Preise und Auszeichnungen im Jahr 2002.
Doch der Versuch, mit Shorter über sein Quartett oder seine Musik überhaupt zu plaudern, hat etwas Bruchstückhaftes und Beunruhigendes. Und plötzlich auch etwas entwaffnend Logisches. Während der Unterhaltung mit Shorter sprudeln Erinnerungen an vergessene Filmstars (Ruth Roman, Steve Cochran) und sein selbst gezeichnetes Komikheft (»Ich habe ›Other worlds‹ 1949 mit Kugelschreiber gemacht – wie im richtigen Leben eben, denn da kann man auch nichts zurückdrehen und korrigieren.«) genauso aus ihm heraus wie buddhistische Mahnungen: »Ich lasse die Ewigkeit des menschlichen Lebens hochleben, wohl wissend, dass das Gefühl für die Ewigkeit viele Dinge relativiert.« Im Gespräch mit Shorter können einzelne Beispiele zu Grundsätzlichem führen, ein vor wenigen Minuten nur kurz aufgeblitzter Gedanke wird oft später von ihm wieder aufgenommen und weitergesponnen.