Orchestra | Von Klaus Härtel

WePlay4Ukraine sammelt mit Musik für die Ukraine

Ukraine
Posaunist Fred Deitz vom WDR-Sinfonieorchester

Seit einem Jahr tobt in der Ukraine der Krieg. Am 24. Februar 2022 marschierten Putins Truppen im Nachbarland ein, was eine Eskalation im seit 2014 schwelenden Russisch-ukrainischen Krieg bedeutete. Christoph Müller wollte etwas tun. Und rief das Projekt WePlay4Ukraine ins Leben. Wir fragten nach.

Herr Müller, WePlay4Ukraine heißt ihr Projekt – wer genau spielt denn da für wen?

Europäische Musiker aus den Spitzenorchestern haben sich mit ihren Kollegen aus der Ukraine zusammengetan – aus dem Opernorchester Odessa, der Philharmonie Odessa, dem Kiew-Sinfonieorchester und so weiter … Alle diese Musiker spielen zusammen die Europahymne – also das Thema aus Beethovens Neunter – und die ukrainischen Nationalhymne. 

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, dieses Projekt ins Leben zu rufen? Was sind Ihre persönlichen Beweggründe?

Begonnen hat es mit einem Flashmob-Video bereits im Jahr 2014, als die Krim annektiert wurde. Da hat die Odessa-Philharmonie unter der Leitung ihres Dirigenten Hobart Earle einen Flashmob im Fischmarkt “Privoss” in Odessa gemacht – mit Beethovens Neunter. Das ging unter die Haut. Als der Krieg am 24. Februar 2022 von Putin wieder aufgenommen worden war, sah ich ein Video vom Opernorchester Odessa vor ihrer Oper, sie spielten ihre Hymne.

Da kam mir die Idee. Mit Kollegen und Webdesignern starteten wir die Idee, machten Noten, nahmen den Track auf. Die Techniken von YouTube-Orchestern waren aus der Coronazeit hinlänglich bekannt. Die Beweggründe sind einfach: Sympathie für die Ukraine und Gerechtigkeitssinn. 

Schon 2014 konnte ich das nicht ertragen, dass das Land meiner Frau angegriffen wird. Ohne Grund – nur wegen Lügen. Ebenso wenig konnte ich ertragen, dass mir Kollegen sagten, dass ich mich dafür nur interessieren würde, weil das ja das Land meiner Frau sei. Sie ist nämlich Ukrainerin. 

Aber ich finde, das geht jeden was an. Ging es schon 2014 und auch schon davor. Putin ist ein kranker Killer, ein Diktator, eine Mischung aus Stalin und Hitler. Und solche Leute sind in der Lage, die ganze Welt anzuzünden. Also müssen sie gestoppt werden. Weil mir für solche Maßnahmen aber logischerweise die Mittel fehlen, muss ich tun, was ich kann. Und das ist Musik. Und Videos machen. Was lag also näher, als dieses Projekt zu starten? 

Christoph Müller 

Seit vier Jahren zeichnet Christoph Müller nun schon für die Leserinnen und Leser der ­Brawoo (bzw. Clarino). Fast monatlich erscheint eine Karikatur zum Thema unter der Überschrift “Uhus Weisheiten”. Christoph Müller aber ist mehr als ein Zeichner. Er ist vor ­allem Saxofonist und Pädagoge und war viele Jahre Mitglied der Bigband der Bundeswehr. Er lebt in Bonn.

uhutoons.com

Was wollen Sie mit dem Projekt erreichen?

Lange Zeit war das gar nicht klar. Als das Projekt im März 2022 startete, war es eine reine Image-Aktion. Sympathie und Unterstützung der angegriffenen Ukraine durch Musik. Musik verbindet die Menschen und ist nicht kriegerisch. Das muss also jeder mögen. Aber je länger der Konflikt dauerte, desto mehr nutzte sich das Mitgefühl ab, der Gewöhnungseffekt trat ein. Aber ich war schon zu weit. Ich hatte im Sommer circa 70 Videos gesammelt – aber das war nicht genug. Das Projekt brauchte irgendeinen Effekt. 

Und zusehends fragten mich die Menschen genau das: Was willst Du damit erreichen? Hymnen sind schon viele gespielt worden. Und es ist immer noch Krieg in der Ukraine. Die Russen greifen weiter an – wir haben uns an die Bilder gewöhnt. Wenn nicht mal zufällig eine Rakete auf Polen fällt, wird kaum noch darüber berichtet. Es war frustrierend. 

So wurde mir klar, dass ich persönlich in die Ukraine fahren musste, um meine ukrainischen Kollegen persönlich zu treffen, mit denen ich schon so viel zu tun gehabt hatte. Insbesondere die Oper Odessa – der Opernchor hatte dort bereits das Werk für uns komplett aufgenommen in einer beeindruckenden Szenerie in ihrem Treppenhaus der Oper. Eines der schönsten Opernhäuser in Europa. 

Sie waren schon vor Ort? Wie sind Ihre Eindrücke, welche Reaktionen erhalten Sie von den Ukrainerinnen und Ukrainern?

Sehr gegen den Widerstand meiner Frau beschloss ich, die Kollegen in Odessa zu treffen. Die Entscheidung fiel dann, als die Philharmonie Odessa mir zusagte, eine komplette Aufnahme für unser Projekt zu machen. Denn ich brauchte noch einen Soundteppich für das ganze Projekt, damit es gut klingt. Aus einem klassischen 100-Menschen-YouTube-Orchester einen guten Sound zu mixen, ist sonst sehr viel komplizierter. 

Etwas mulmig war mir schon zumute, in ein Kriegsgebiet zu reisen. Ich fuhr mit Freunden nach Lwiw/Lemberg, die dann weitergereist sind, in den Osten, um humanitäre Hilfe zu bringen. In Lwiw bin ich zunächst eine Woche geblieben und habe in dieser österreichisch anmutenden wunderschönen Stadt zunächst Musiker des bereits zweimal geflüchteten Luhansk Symphonieorchesters getroffen. Hier erfuhr ich auch von »UkraineLiveClassic«, in dem die Ukrainer alle ihre Musik, Partituren und Noten kostenlos den Orchestern der Welt zur Verfügung stellen. Da gibt es großartige Sachen. 

Dann ging es weiter mit dem Nachtzug nach Odessa. Dort wurde ich vom Dirigenten der Oper  – Igor Chernetzki – empfangen und mit allen Leuten bekannt gemacht. Ich konnte auch eine grandiose ukrainische Oper erleben. Katerina hieß die Oper. Nach dem Libretto des ukrainischen Nationaldichters Taras Schewtschenko, komponiert vom zeitgenössischen ukrainischen Komponisten Alexander Rodin. Ein beeindruckendes Gesamtkunstwerk mit einzigartiger Musik, Ballett, Bühnenbild, Solisten. Das sollten alle Leute in Europa hören.

Ich habe von den Ukrainern große Zuneigung und Freundschaft erfahren. Sie waren allesamt sehr beeindruckt und gerührt, dass da ein Deutscher einfach zu ihnen kommt, obwohl das Land im Krieg ist.

Am 10. Oktober hätte dann die besagte Aufnahme mit der Philharmonie Odessa stattfinden sollen. Aber die fand nicht statt, weil an dem Tag  Putin mit seiner massiven Raketenkampagne begann, die Bevölkerung der Ukraine zu terrorisieren, die Infrastruktur zu zerschießen. Den ganzen Tag heulten sie Sirenen. Ich konnte einen lauten Knall in der Luft hören – 5 Kilometer weit weg. Eine Rakete war vom ukrainischen Militär über Odessa abgefangen worden. 

Ich fuhr über Berlin wieder zurück nach Hause und machte von hier aus weiter. Das Projekt wuchs. Besonders durch diese Reise hatte ich Medienpräsenz und mehr Beiträge von Ukrainern bekommen. 

Im Oktober wurde dann auch klar, wofür dieses Projekt nun gut sein würde. Als klar war, dass der Winter naht und Putin den Ukrainern wirklich die Lebensgrundlage entziehen will, die Heizung abstellen, den Strom abschneiden will, wurde mir klar, dass es in dem Projekt um einen Benefiz-Zweck gehen müsse. Es muss viel, viel Geld gesammelt werden, damit Stromgeneratoren und alle humanitäre Hilfe gekauft werden kann, die die Ukrainer jetzt so dringend brauchen. Ich denke, das Video muss mit einem Stromgenerator beginnen. Den wollen wir dann genau so brummen lassen, dass ein klingendes D ertönt. Und das ist zufällig die Tonart von Beethovens Ode an die Freude. Mit dieser Idee konnte ich den ukrainischen Videoschnittmeister Yuri Resnichenko fürs Projekt gewinnen. Jetzt wird klar, dass das Video ein Erfolg wird, wenn so ein Mann mit an Bord ist. Er ist einer der bedeutendsten ukrainischen Spezialisten für Musik­videos. Das kann nur gut werden!!

Und einen technischen Partner für den Kauf der Generatoren haben wir auch. Es wird die Stiftung des Technischen Hilfswerks (THW) machen. Sie haben eine Seite für unser Projekt auf der Spendenplattform Betterplace.org eingerichtet. Hier kann man unkompliziert mit allen Mitteln Geld spenden und erhält auch eine Spendenquittung. 

Wann gibt es das Ergebnis?

Der Erscheinungstermin für unser Video wird der 31. Januar sein. Dann werden erstmalig am 24. Februar die Gelder ausgezahlt und Generatoren davon in die Ukraine geschafft. Und andere Hilfsgüter, die die Menschen brauchen. Seit dem 6. Januar ist die Spendenseite freigeschaltet. Mittels QR-Code kommt man auch auf unsere Seite und kann den Teaser schon mal vorab anschauen. Und in der News-Section die interessante Geschichte dieses Projektes auch in Bildern mitverfolgen. Wir wollen bis zum 24. Fe­bruar eine Million Euro gesammelt haben – deswegen brauchen wir auch sehr viel Medienpräsenz. Also sollen alle Leute dieses Projekt teilen und auch spenden. Auch wenn wir wissen, dass das Geld knapp ist. Bitte spendet!

https://weplay4ukraine.com