Orchestra | Von Klaus Härtel

Wie probt das Marinemusikkorps Wilhelmshaven derzeit?

Marinemusikkorps
Das Hygienekonzept des Marinemusikkorps sieht einige Maßnahmen vor. Foto: Stefan Emmerling

Vor sechs Jahren wurde das Marinemusikkorps Nordsee im Zuge der damaligen Strukturreform aufgelöst. Im vergangenen Jahr hieß es Kommando zurück! Seit dem 1. Oktober 2019 spielt an der Nordsee wieder die Musik. Nun feiert das Marinemusikkorps Wilhelmshaven in einer schwierigen Phase das Einjährige. Wir sprachen mit dem Leiter Fregattenkapitän Matthias Prock.

Matthias Prock, zunächst die allgemeine Frage: Wie ist die Lage an der See beim Marinemusikkorps Wilhelmshaven?

Im Grunde ist die Lage sehr gut. Es existiert immer noch dieser “Neugründungseffekt”. Wir hatten am 1. Oktober letzten Jahres die in Indienststellung dieses Orchesters. Dafür sind wir sehr dankbar. Wir bekamen sehr viel positive Rückmeldung, dass es auch wieder ein großes Orchester hier in dieser Marinestadt gibt. Das beflügelt sehr. Wir haben eine sehr gute Stimmung und das treibt uns voran. Gleichwohl die aktuelle Situation uns einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. 

Das Marinemusikkorps Wilhelmshaven hatte große Pläne. Was davon konnte bis zum Lockdown verwirklicht werden?

Bis März waren wir auf einem großartigen Weg. Wir sind sehr froh, dass wir uns noch einmal zeigen konnten, bevor der Lockdown passierte. Schlimm wäre es gewesen, wenn dies direkt nach der Indienststellung passiert wäre. So konnten wir bis März immerhin einige Auftritte absolvieren. Die fünf Adventskonzerte etwa waren gut besucht und erfuhren einen großartigen Zuspruch. Ebenso das große Neujahrskonzert in Wilhelmshaven, zivile Konzerte, zeremonielle Verabschiedungen und Begrüßungen von Schiffen im Stützpunkt… Doch dann kam recht schnell der Lockdown.

Für April hatten wir eine CD-Aufnahme geplant. In dieser doch recht kurzen Zeit haben wir es geschafft, Spezial-Arrangements und Kompositionen zu verwirklichen. Wir hatten schon einen Partner gefunden, der uns unterstützte – das Marinemuseum. Und dann fiel alles aus…

Obwohl wir keine Auftritte mehr hatten, fanden sich anschließend viele Besetzungen. Ein großes Ensemble, ein Holzbläserquintett, ein Blechbläserquintett, eine 7er-Besetzung aus Blechbläsern – „Watt´n Brass“, eine 10er Besetzung und ganz viele kleine Individual-Besetzungen verschiedenster Musikrichtungen. Intern läuft viel. Alle warten nun darauf, zu zeigen, was nun über Monate hinweg erarbeitet wurde. 

Das waren dann sechs intensive Monate vor Corona. Wie lief es musikalisch? Hat das so funktioniert, wie du es dir gewünscht hast? 

Definitiv ja. Uns war allen bewusst, dass wir klanglich anders arbeiten als ein sinfonisches Orchester mit 50 Musikern. Anfänglich waren wir 21, aktuell sind wir 25 Musiker. Klar klingt das anders. Auch die große sinfonische Literatur ist uns noch nicht vergönnt, aber wir haben das sehr gut mit Spezial-Arrangements kompensiert. Wir haben viele Arrangements in Auftrag gegeben und haben in unseren Reihen Leute, die das perfekt können. Das hat sich beim Neujahrskonzert wiedergespiegelt. 

Die Orchestermitglieder des Marinemusikkorps Wilhelmshaven kommen aus der ganzen Republik. Es war schön zu beobachten, wie schnell sich das auch menschlich gefunden hat. Auch jede kleine Besetzung wurde ja neu gegründet. Das war und ist sehr spannend und macht riesig Freude. 

Und dann kam Corona… Zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt vermutlich. Wie konntest Du als Dirigent deine Musiker weiter motivieren? 

Ich musste da gar nicht so viel Motivationsarbeit leisten. Alle wollten die Zeit trotzdem nutzen. Wir haben dann angefangen, wie andere Orchester auch, Clips zu erstellen. Die wurden zu Hause aufgenommen und zusammengeschnitten. Aktuell entsteht auch wieder ein Video – der Ton wurde schon aufgenommen.

Und nun geht es langsam wieder los. Proben und Musizieren sind mit Hygienekonzept wieder erlaubt. Wie sieht das bei euch aus?

Es ging dem eine wochenlange Entwicklung voran. Aufgrund unseres großen Probesaales und der Infrastruktur war es uns überhaupt möglich. Das Probelokal des ehemaligen Marinechor Nordsee ist sehr groß, hat viele Fenster und eine Lüftungsanlage mit Frischluft von außen. Das alles macht es uns möglich, mit nun 25 Musikern den Probenbetrieb wieder aufzunehmen. Das Konzept wurde sehr aufwändig mit Betriebsärzten, einer Fachkraft für Arbeitssicherheit, einem Professor für Strömungstechnik von der Universität der Bundeswehr München erstellt. Das Hygiene-Konzept ging über viele Schreibtische. Das Ergebnis ist ein Probesaal mit Abständen, Zellstofftüchern für das Abwischen der Kondensate, Plexiglaswänden. 

Marinemusikkorps
Plexiglasscheiben unterstützen das Hygienekonzept. Foto: Stefan Emmerling

Das ist eine unglaubliche Umstellung für uns. Ich als Dirigent bin dann auch nochmal 3 Meter weg vom Orchester und gefühlt ist der letzte Musiker 100 Meer entfernt, letztendlich sind es 25 Meter. Das Zusammenspiel ist schwierig, aber mit jeder Probe wachsen wir in die neue akustische Situation hinein und es funktioniert ganz gut. 

Und wenn wir proben können, können wir auch auftreten. Konzerte sind bedingt möglich. Mit dem großen Orchester noch nicht, weil wir noch keine Veranstaltung auf der Agenda haben, die die Vorschriften umsetzen kann. Mit der Besetzung „Watt´n Brass“ gibt es ein Konzert bei einem Musikfestival. Dieser Veranstalter hat eine Bühne mit ausreichenden Maßen, ist für 250 Personen zugelassen. Zudem sind noch zwei Adventskonzerte in Planung. Das sind die nächsten Momente, die konzertant für uns anstehen.

Fühlt es sich ein bisschen so an, als würde es wieder von vorne anfangen? 

Musikalisch bauen wir jetzt auf. Was die konzertanten Auftritte angeht, ist es ein Break. Das ist klar. Hier fühlt es sich schon ein wenig so an, als dass wir von vorne beginnen müssen. Aber was die interne Arbeit angeht, geht es weiter. 

Wie sind die mittelfristigen Pläne trotz anhaltender Pandemie?

Für uns war grundsätzlich alles neu. Die Verbindungen zu Konzertveranstaltern mussten aufgebaut werden. Da stehen wir ähnlich da wie im Oktober letzten Jahres. Da wird die Arbeit jetzt wieder angehen können. Wir hoffen, dass es diesbezüglich bald klare Reglements bundesweit gibt, wie eine Konzertveranstaltung realisiert werden kann. Anders als bei den festen Häusern – wie etwa der Elbphilharmonie, die schon Konzerte anbietet – ist das für zivile Veranstalter viel schwieriger. Wir warten jetzt ab, wie sich die Lage entwickelt, welche Regelungen getroffen werden können. Ich rechne damit, dass wir frühestens im Frühjahr 2021 mit Konzerten einsteigen können. Unabhängig finden militärische Einsätze statt. Vor kurzem verließ die Fregatte Brandenburg den Stützpunkt. Bis Mitte Februar ist die Besatzung nun auf dem Schiff, es ist kein Landgang geplant. Das war ein emotionaler Moment für die Besatzung und das haben wir auch gespürt. Sie haben sich auch gefreut, als wir da für sie gespielt haben.