Von den Fragen, die Malte Burba immer wieder erreichen, greifen wir jeden Monat einige heraus, die alle interessieren könnten. Im aktuellen Beitrag geht es um die Lippen, Tonumfang und Ausdauer und die Veränderung der Kieferstellung. Wenn Sie eine Frage haben, die Malte Burba auf dieser Seite beantworten soll, dann mailen Sie an: burba(at)brawoo.de
Wieso kann man eigentlich den Lippen-Expander seitlich deutlich länger halten als in der Mitte? Es handelt sich doch um einen Ringmuskel, also müsste es doch überall gleich gut funktionieren, oder? Und wenn wir an der Seite mehr Kraft haben, wieso setzen wir dann nicht an der Seite an?
Ich kann nur mutmaßen, ob Sie sich schon einmal im Spiegel betrachtet haben oder gar einen Blick auf Ihre Mitmenschen riskiert haben. Dabei müsste Ihnen aufgefallen sein, dass die Lippen nicht rund sind! Damit dürfte der erste Teil Ihrer Frage beantwortet sein, sofern Sie im Physikunterricht nicht gefehlt haben.
Den schlussfolgernden zweiten Teil Ihrer Frage kann ich leider nicht so süffisant beantworten, da sich dahinter die offensichtlich unausrottbare, eklatante Überbewertung der Wichtigkeit der Lippen (CLARIN0 4/2013) verbirgt. Man kann nicht oft genug wiederholen, dass alles, was sich hinter den Lippen abspielt, wichtiger ist als die Lippen selbst!
Früher hatte ich Tonumfang und Ausdauer ohne Ende. Nach einer längeren Corona-Pause übe ich wieder sehr intensiv und leider erfolglos, um meine früheren Fähigkeiten wieder zu erlangen. Ich beginne mit Bindeübungen, dann Höhentraining … Ich spiele so weit, bis ich platt bin und nichts mehr kommt. So wie in der Muckibude: Bis die Muskeln brennen und dann noch fünf Wiederholungen. Ich komme aber nicht mehr über das hohe “C”, habe, seit ich wieder übe, immer wieder unkontrollierbare Aussetzer und Verspannungen in den Lippen, totalen Kontrollverlust über die Töne und seit etwa drei bis vier Wochen nimmt die Ausdauer rapide ab. Was kann ich denn noch machen?
Schon wieder eine Frage, die von falschen Vorstellungen ausgeht, und bei dieser Frage, (die ich um mindestens 80 Prozent gekürzt habe), war tatsächlich mein erster Gedanke, dass mich da jemand auf den Arm nehmen will, denn so grundfalsch kann man doch gar nicht denken, oder?
- Beim Spiel auf einem Blechblasinstrument geht es vor allem um Geschicklichkeit und nicht um Kraft.
- Was beim Spielen ermüdet, sind nicht etwa die Gesichtsmuskeln, die von den Meisten ohnehin nicht benutzt werden, sondern das Bindegewebe, das anschwillt (BRAWOO 9/2020).
Um zu verstehen, worin das Problem liegt – wenn es denn tatsächlich an den Lippen liegen sollte: Stellen Sie sich vor, dass Sie 1000mal in der Sekunde mit einem Baseballschläger auf Ihren Oberschenkel schlagen und das auch noch mehrere Stunden lang! Die Auswirkungen auf das Material (Ihre Oberschenkel/Lippen) werden nicht geringer, wenn Sie noch ein paar Extra-Stunden drauflegen! Suchen Sie sich schnellstmöglich einen qualifizierten Lehrer, der mit dem Unsinn in Ihrem Kopf aufräumt und Ihnen hilft, Ihre Krise zu überwinden!
Ich habe herausgefunden, dass ich aus dem Didgeridoo prägnantere Obertöne herausbekomme, wenn ich den Unterkiefer etwas nach vorne schiebe. Jetzt hat mein Lehrer aber gesagt, der Kiefer müsse immer gleich bleiben. Was soll ich tun?
Da ist Ihr Lehrer wohl ein besonders linientreuer Ingenieur, der das Stichwort “pragmatischer Opportunismus” (CLARINO 3/2015 und 1/2019) aus seinem Gedächtnis gestrichen hat! Eine Veränderung des Kiefers ist bei allen Blechblasinstrumenten unvermeidlich bei:
- großem Tonumfang,
- großen dynamischen Unterschieden,
- Klangfarbenveränderung,
- Vibrato,
- Shake.
Das bedeutet natürlich, dass das Grundprinzip möglichst vieler Konstanten nicht immer eingehalten werden kann, aber auch wenn man das Instrumentalspiel vollständig logisch erklären kann, muss uns immer klar sein, dass das, was wir tun, weder Mathematik noch Physik ist, sondern zurecht als Kunst bezeichnet wird.