Ich hoffe, Sie hatten eine gute Zeit und sind weiterhin voll motiviert, ein noch besserer Musiker zu werden – klar doch – sonst würden Sie ja nicht auf der CLARINO-Internetseite herumstöbern.
Nach der längeren Pause möchte ich erst einmal gemütlich mit einer Art Aufruf zu mehr musikalischer Toleranz beginnen. Denn je mehr wir uns neuen oder uns bis dato unbekannten Richtungen und Stilen öffnen, desto mehr wird unser musikalischer Horizont sich weiten. Das ist kein leeres Lehrbuchgeschwafel, sondern meine persönliche Erfahrung.
Obwohl »studierter Musiker«, habe ich alles mitgenommen, was daherkam: Tanzbands, Blasmusik im Bierzelt, Sinfonieorchester, Jazzsessions und Metalbands, wo mir nach den Proben die Ohren noch zwei Tage später klingelten… und noch viele, viele andere Sachen. Und es hat sich immer gelohnt! Je ne regrette rien…
Höchste rhythmische Anforderungen im Heavy-Metal-Bereich
Mancher wird jetzt vielleicht entsetzt die Arme über dem Kopf zusammenschlagen – aber ich muss Ihnen berichten, dass die höchsten rhythmischen Anforderungen und extremsten Experimente zurzeit im Heavy-Metal-Bereich zu finden sind. Ich meine jetzt nicht die gradlinigen AC/DC, sondern Bands wie Mnemic, SYL und allen voran Meshuggah – vier verrückte Skandinavier, die dem Wahnsinn der endlosen Winterdunkelheit dort droben in ihrem Probenraum und Studio entfliehen (oder – wie die Jungs wesentlich unpathetischer sagen: »Wir haben einfach Spaß dabei.«).
Ihr Niveau übertrifft sogar noch Varese und Stravinsky und Boulez. Leider wissen nur die wenigsten Musiker von Meshuggahs Leistung, da ihre Musik wirklich nicht jedermanns Geschmack ist. Der Sänger schreit sich die Seele aus dem Leib, der Sound ist sehr aggressiv und bedrohlich – also nichts für »normale« Menschen. Das ist nicht abwertend oder sarkastisch gemeint, ihre Musik ist wirklich heftig. Aber es ist schade, dass auch die meisten Experten für Musik und Rhythmus im Speziellen sich davon abschrecken lassen und dieses neue Rhythmik-Wunder verpassen.
Frank Zappa: Irrsinnig komplizierte Musik – perfekt dargeboten
Ähnlich war es übrigens auch mit Frank Zappa: Die Fachwelt rümpfte die Nase über seine unanständigen Texte und die wilde Bühnenshow, verpasste aber völlig, dass hier jemand die Fackeln von Varese, Stockhausen und anderen Modernen weitertrug und zu neuen, ungeahnten Höhen führte.
Und das nicht nur im Studio, sondern auch live. Drei Stunden lang irrsinnig komplizierte Musik auswendig und perfekt dargeboten – trotz allem Klamauk und spontanem Spaß auf der Bühne! Erst heutzutage beginnt die Fachwelt der E-Musik den wahren Wert von Zappas Werk zu erkennen.
Und wer bei Zappa gespielt hat, kann definitiv ALLES auf seinem Instrument und wird überall mit Handkuss aufgenommen. Denken Sie als Bläser nur an Michael (RIP) und Randy Brecker, Lou Marini, Ronnie Cuber oder Tom Malone…
Impulse und Inspiration in unbekannten Genres sammeln
Ich schweife etwas ab, aber dieser kleine Gedanken-/Geschichtsausflug soll Ihnen vielleicht etwas die Augen und Ohren öffnen, Sie animieren, weniger auf Klischees und Äußerlichkeiten zu achten und dafür mehr auf die eigentliche Musik, den eigentlichen musikalischen Inhalt. Und das zu würdigen – auch wenn Ihnen der Musikstil bzw. das Genre gar nicht gefällt.
Sogar Berufsmusiker begehen des Öfteren die Sünde, nur die Musik für gut zu bewerten, die ihnen gefällt und gut liegt – und alles andere kategorisch abzulehnen. Sie verpassen dabei viele, viele neue Impulse, Inspirationen und inneren Wachstum. Schade. Aber jeder kann das jederzeit ändern.